Drei Monate musste sich eine arbeitslose Journalistin gedulden, bis sie das Taggeld erhielt. Die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Comedia begründete die Verspätung mit dem täglich wachsenden Dossierberg. «Wir haben 25 bis 30 Prozent mehr Fälle zu bewältigen als noch vor sechs Monaten», sagt Therese Fehlmann, Kassenleiterin in der Berner Comedia-Zentrale.

Ein gesamtschweizerischer Trend: Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist das Arbeitsvolumen der Arbeitslosenkassen (ALK) im Vergleich zum Vorjahr um rund einen Drittel höher. Erfolgten die Erstauszahlungen bisher meist nach vier Wochen, warten die Versicherten jetzt bei manchen Kassen mehrere Monate.

Partnerinhalte
 
 
 
 

Während die Journalistin die zwölfwöchige Warterei mit Erspartem überbrücken konnte, führen verspätete Auszahlungen bei anderen schnell zu Problemen. «Viele kommen nicht länger als einen Monat ohne ihr Taggeld aus», sagt eine Sachbearbeiterin der Comedia-ALK.

Mehraufwand für Sozialämter

Am stärksten betroffen sind Versicherte, deren Unterlagen unvollständig sind. Hier kann die Kasse den grundsätzlichen Anspruch auf Taggeld nicht klären und bei finanziellen Engpässen auch keinen Vorschuss gewähren.

Die Sozialämter rechnen deshalb in nächster Zeit mit einem Anstieg der Neuanmeldungen. In der Stadt Zürich ist dies bereits der Fall. Urs Wüthrich, Leiter des Sozialzentrums Selnau, schätzt, dass sich etwa zehn Prozent mehr Menschen melden, weil die Kassen überlastet sind. Dies führe zu einem beträchtlichen Mehraufwand. Denn einerseits müssten die Sozialämter die Verhältnisse der Betroffenen klären. Anderseits müsse man den Kassen Rechnung stellen, damit das Taggeld nicht auf dem Konto des Arbeitslosen, sondern beim Sozialamt lande.

«Neun von zehn Fällen, bei denen es um einen Vorschuss aufs Taggeld geht, können wir wieder abschliessen, sobald die ALK die Gelder auszahlen», kritisiert Stefan Gutzwiller vom Sozialamt der Stadt Luzern den «Verwaltungsleerlauf». Laut Matthias Stampfli, Leiter der Anlaufstelle des Sozialzentrums Selnau, «werden so Leute zu Sozialfällen», die eigentlich gar keine seien. «Die Arbeitslosenkassen müssen jetzt reagieren, denn eine schnelle Besserung der Arbeitsmarktlage ist nicht in Sicht», fordert Stampfli.

Mit Neueinstellungen und Überstunden versuchen die ALK, die Mehrarbeit aufzufangen. Doch erfahrenes Personal ist rar. Kommt hinzu, dass viele ALK Mitarbeiter entliessen, als die Arbeitslosenzahlen nach der letzten Rezession sanken. «Keine Kasse konnte es sich leisten, auf Vorrat Personal zu behalten», sagt Christian Leu, Kassenleiter Gesamtschweiz der ALK der Gewerkschaft Syna.

Falsche Arbeitslosenprognose

Als Basis für das Personalmanagement dienen Erfahrungswerte und die Prognosen des Bundes. Für 2002 sagte das Seco eine Arbeitslosenquote von etwa zwei Prozent voraus, per Ende November waren es aber effektiv 3,3 Prozent – für die Zürcher SP-Nationalrätin Christine Goll eine krasse Fehleinschätzung. Inzwischen habe der Bundesrat seinen Fehler korrigiert. Goll: «Im September beantragte er einen Nachtragskredit von 30 Millionen Franken für die Arbeitslosenversicherung.»

Bis das nachgeschossene Geld seine Wirkung zeigt, kann es allerdings noch eine Weile dauern. Die ALK raten den Versicherten daher, sofort nach der Kündigung zu handeln. Und wenn das Taggeld auf sich warten lässt: Ein persönlicher Besuch wirkt oft Wunder.