Der Geruch von Sägemehl, das Ambiente, die Menschen, die Kämpfe natürlich: «Ich liebe das!» Wenn Irène Bodenmann-Meli übers Schwingen spricht, leuchten ihre Augen, die Worte sprudeln nur so aus ihr heraus. Ihre Begeisterung über den Sport der «chächen» Männer ist fast mit Händen zu greifen. Sie wurde ihr in die Wiege gelegt: Die 53-jährige Winterthurerin ist die Tochter der Schwingerlegende Karl Meli.

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Lange war sie «nur» die Tochter des Königs, dabei wollte sie, seit sie denken kann, selber schwingen. Doch in Irènes Kindheit gab es in diesem urschweizerischen Kampfsport noch keine Frauen. «Aber ich wusste schon immer, dass die Frauen irgendwann auch schwingen und ich dann mitmache.» Doch sie hatte die Rechnung ohne ihren Vater gemacht. Als 1980 die erste «Frauenschwingete» stattfand, hatte Karl Meli nur Hohn und Spott dafür übrig, und die damals 18-Jährige wagte nicht, sich gegen ihren Vater aufzulehnen. Also träumte die junge Frau weiter still vom eigenen Hosenlupf und hütete sich, jemandem davon zu erzählen. Erst mit 35 traute sie sich, ihren Traum wahr zu machen. Die Eltern weihte sie als Erste ein – und stiess auf alles andere als Begeisterung. «Du weisst, wie wir darüber denken», habe der Vater nur gesagt.

Keine Frauendusche im Schwingkeller

Seine negative Meinung sollte sich allerdings bald ändern. Schon im zweiten Jahr als Aktive sah Irène Bodenmann-Meli den zweifachen Schwingerkönig auf den Zuschauerbänken sitzen – und nie vergisst sie, was er den erstaunten Journalisten, die um seine ablehnende Haltung dem Frauenschwinget gegenüber wussten, zur Antwort gab, als sie ihn nach dem Grund seiner Anwesenheit fragten: «Schliesslich ist das mein Kind.»

Später hat Meli den Frauen sogar Kurse gegeben. Irène Bodenmann-Meli schaut mit einigem Stolz auf ihre zehnjährige Karriere als Wettkampfschwingerin zurück. «Ich habe 20 Kränze gewonnen, und, viel wichtiger als das, ich habe mir meinen Traum erfüllt.» Sie habe gegen alle Widrigkeiten und Vorurteile getan, was sie seit je tun wollte – und über diesen «Sieg über mich selber» freut sie sich bis heute am meisten. Lachend erzählt sie, dass sie in der ersten Zeit ungeduscht, das Haar noch voller Sägemehl, vom Training nach Hause gefahren sei, weil es im Schwingkeller keine Duschgelegenheit gab. Auch das hielt sie nicht davon ab, zu tun, was sie tun wollte. «Heute geht es zum Glück auch bei den Frauen komfortabler zu und her.»

Ohne ihre Erfahrung als aktive Schwingerin, sagt Bodenmann-Meli, gäbe es vermutlich kein Schwingermuseum. Eröffnet hat sie die schweizweit erste und einzige Sammlung dieser Art im Herbst 2009 im Obergeschoss des Winterthurer Restaurants Sternen, das sie vor elf Jahren von den Eltern übernommen hat. «Bauern und Beizer haben zwar nicht immer Zeit für die Kinder, aber sie sind wenigstens immer zu Hause», sagt die geschiedene Alleinerziehende mit einem Augenzwinkern.

Karl Meli, der Schwingerkönig des Eidgenoessischen Schwing- und Älplerfestes am 16. August 1964 in Aarau mit dem traditionellen Preis für den Sieger des Turniers, einem Muni.

Quelle: Kilian J. Kessler
Trouvaillen aus der ganzen Schweiz

Neben vielen Erinnerungen an Karl Melis aktive Zeit als Schwinger beherbergt das Museum zahlreiche weitere Stücke aus der Geschichte des Nationalsports, unter anderem die allererste Fahne des Eidgenössischen Schwingerverbands. 120 Jahre alt ist sie und der ganze Stolz der Hausherrin. Die Idee zum Museum ist vor allem aus einer Notwendigkeit heraus entstanden: Was sollte die Familie mit den zahlreichen Glocken und Treicheln tun, die der Vater während seiner Karriere gewonnen hatte? In Estrich oder Keller verstauben lassen?

Obwohl das Museum «Karl-Meli-lastig» ist, soll es nicht allein eine Hommage an die 2012 verstorbene Schwingerlegende sein, sondern «sich dem Thema Schwingen umfassend widmen», wie Irène Bodenmann-Meli sagt. Es solle sich auch verändern dürfen, betont sie. Dass das Museum im städtischen Winterthur und nicht etwa im Emmental steht, sieht sie nicht als Widerspruch – immerhin habe der Schwingklub Winterthur drei Könige hervorgebracht. Deren Namen kommen – natürlich – wie aus der Pistole geschossen, und wie in Schwingerkreisen üblich, nennt sie zuerst den Nachnamen: Ehrensberger Noldi, Flach Walter und selbstverständlich Meli Karl. Der Vater wurde in Irènes Geburtsjahr 1961 König und dann wieder 1964.

Die Ausstellungsstücke hat die Museumsbetreiberin nicht gekauft, sondern im ganzen Land zusammengesucht. Inzwischen bekommt sie diese auch geschenkt. Die Besucher kommen von überallher, manche sogar aus dem Ausland. Trotz dem grossen Interesse der Öffentlichkeit will die Chefin kein Geld von Sponsoren oder der öffentlichen Hand. «Nur so habe ich die Freiheit, auszustellen, was ich will.»

Durch das Museum führt sie die Besucher meist selbst – und allein das ist einen Besuch wert: Irène Bodenmann-Meli ist eine imposante Erscheinung, scheint mit ihrer Präsenz den ganzen Raum auszufüllen, und man glaubt auf Anhieb, dass sie erfolgreiche Schwingerin war.

Verhasster Medienrummel

Ein Museumsraum ist speziell den Frauen gewidmet, all den Königinnen, die nur wenige mit Namen kennen. Dass ihr eigener Name dort nicht aufgeführt ist, liegt daran, dass Irène Bodenmann-Meli sehr spät mit dem Schwingen angefangen hat. Doch von Reue keine Spur, im Gegenteil. «Es hatte auch sein Gutes, wenn ich an den Medienrummel denke, der entstanden ist, als bekannt wurde, dass ich schwinge.» Sie sei damals bereits in einem Alter gewesen, in dem sie sich dem gewachsen gefühlt habe und klar sagen konnte, was sie wollte. Als Kind hingegen habe sie die mediale Aufregung um ihren Vater gehasst und sich dieser oft ausgeliefert gefühlt.

Zu jedem Ausstellungsstück kennt sie eine Anekdote. Die Wohnwand etwa hat sie bei ihren Eltern abgeholt – was vor allem die Mutter erst gar nicht begeisterte. Doch die Tochter setzte sich einmal mehr durch, immerhin war das wertvolle Stück eine Gabe am «Eidgenössischen» – ein Gewinn in Naturalien.

Die seit Jahren wieder steigende Popularität der urchigen Sportart, selbst unter hippen Stadtmenschen, erklärt sie sich damit, dass «Swissness im Moment total in ist». Dennoch habe man die kritische Grösse erreicht und müsse nun wieder zurückbuchstabieren.

Dass Irène Bodenmann-Meli nur noch selten an einem Schwingfest anzutreffen ist, liegt allerdings nicht daran, sondern an ihrem Brotjob, dem Restaurant Sternen, das sie in Winterthur-Veltheim betreibt. «Wir haben am Sonntag geöffnet.» Umso mehr geniesst sie die seltenen Gelegenheiten, bei denen sie den Geruch des Sägemehls einatmen kann.

Weitere Infos: www.schwingermuseum.ch

Saisonhöhepunkt Kilchberger Schwinget

Der Kilchberger Schwinget, der am 7. September als diesjähriger Saisonhöhepunkt auf dem Programm steht, ist nicht nur einer der grössten und wichtigsten Schwinganlässe, sondern der einzige, an dem nur Sportler teilnehmen dürfen, die von den Veranstaltern dazu eingeladen werden. Frauen findet man auch diesmal nur unter den Zuschauern.

Ein Sieg am «Kilchberger», der nur alle sechs Jahre stattfindet, gilt in der Szene als besonders erstrebenswert, weil man hier nur gegen die Besten der Besten antritt. Der legendäre Karl Meli ist bisher der einzige Schwinger, dem es gelungen ist, den Wettbewerb in der Zürichseegemeinde zweimal für sich zu entscheiden (1967 und 1973).

«Der Druck ist relativ gross»

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Am Wochenende kämpft Schwingerkönigin Diana Fankhauser um den Titel – und wie immer auch ein bisschen gegen Vorurteile.
Quelle: Beobachter Bewegtbild