Wenn es ein Polizist sagt, muss es ja stimmen. Vor allem wenn es sich noch um den Generalsekretär des Verbands schweizerischer Polizeibeamter handelt. «Frauen sind ein Riesenplus für die Polizei», sagt Jean-Pierre Monti. «Sie sind immer einen Tick schlauer, haben eine schnellere Auffassung, und ihre intellektuelle Hartnäckigkeit ist erstaunlich.» Ähnlich argumentiert Hermann Garz, Chef Aus- und Weiterbildung bei der Berner Kantonspolizei: «Frauen können besser mit Aggressionen umgehen und pflegen einen angenehmeren Umgang als ihre männlichen Kollegen. In der Praxis führt dies zu weniger Beschwerden über Polizistinnen.» Der Grund: «Frauen haben einen natürlichen Hang zu mediativem Wirken», sagt Fritz Lehmann, stellvertretender Direktor des Schweizerischen Polizeiinstituts in Neuenburg, «sie können gut vermitteln.»

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Frauenanteil weit unter EU-Schnitt
Trotz diesen positiven Eigenschaften sind kaum Frauen in den Schweizer Polizeikorps vertreten. Von den rund 14'000 vereidigten Beamten sind nur etwa 800 weiblich. Damit liegt die Schweiz weit unter dem europäischen Durchschnitt: Mit einer Frauenquote von knapp sechs Prozent steht sie weit hinten, nur die türkische Polizei weist einen noch geringeren Anteil auf.

Immerhin: An den Polizeischulen steigt die Zahl der Aspirantinnen. «Unser Ziel ist eine Annäherung an den europäischen Standard», sagt Veronica Blattmann, Beauftragte für Gleichstellung bei der Stadtpolizei Zürich und Schweizer Kontaktperson des Europäischen Netzwerks der Polizeibeamtinnen (European Network of Policewomen).

Lag der Anteil der Aspirantinnen bei der Stadtpolizei Zürich vor acht Jahren noch bei unter 13 Prozent, beträgt er heute bereits gut 22 Prozent. Der Frauenanteil bei den bewaffneten Korpsangehörigen der Zürcher Stadtpolizei hat sich innerhalb von acht Jahren gar vervierfacht: Bei einer Korpsstärke von rund 1400 Personen sind heute etwa 120 weiblich.

Trotz dem Anstieg der Frauenquote ist das allerdings immer noch eine magere Zahl. Da erstaunt es auch nicht, dass Frauen in den Führungsetagen kaum vertreten sind .

Schreckt die einstige Männerbastion noch immer Frauen ab? Auf dem Kasernenareal der beiden kantonalen Zürcher Polizeischulen bestätigt sich jedenfalls der Mythos von den harten Jungs. Sie sehen aus wie US-Soldaten: Kahlgeschorene Köpfe und durchtrainierte Körper prägen das Bild. Vereinzelt wird es von ein paar jungen Frauen aufgemischt.

«Es bewerben sich viel weniger Frauen als Männer bei der Polizei», sagt Ernst Bühler, Dienstchef der Grundausbildung bei der Zürcher Kantonspolizei. «Zudem ist die Verweildauer von Frauen viel kürzer als diejenige von Männern.» Bis vor kurzem lag der Durchschnitt noch bei vier Jahren, heute bleiben sie im Schnitt sieben bis acht Jahre im Dienst.

Männer blockieren Frauenkarrieren
Zu kurz, um Karriere zu machen. Laut Bühler ist erst nach etwa zehn Dienstjahren der Aufstieg ins Kader möglich. Dies sei ein Grund, weshalb es bei der Kantonspolizei Zürich keine Frau in einer Führungsposition gebe.

Die Begründung mutet etwas merkwürdig an, denn die Kapo Zürich nimmt schon seit über dreissig Jahren Frauen in die Polizeischule auf. Sicher gab es darunter auch fähige Frauen für Kaderpositionen. «Die Kantonspolizei Zürich wurde über längere Zeit sehr autoritär geführt. Frauen wurden nicht aktiv gefördert», sagt die Zürcher Polizeidirektorin Rita Fuhrer.

Das ist im Kanton Bern anders. Zusammen mit ihrem Gleichstellungsteam hat Polizeidirektorin Dora Andres kürzlich eine Broschüre an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihrer Direktion verteilt. Die Kernaussagen lauteten: den «Frauenanteil in den leitenden Funktionen erhöhen» sowie die «Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern».

Teilzeitpensen sind bei der Berner Kantonspolizei eine Selbstverständlichkeit, und Frauen werden gezielt rekrutiert. Dies erklärt auch den überdurchschnittlichen Frauenanteil von rund zehn Prozent.

Elisabeth Gander, bis vor einem Jahr Polizeidirektorin im Kanton Obwalden, geht noch einen Schritt weiter: «Die Polizei ist ein frauenspezifisches Departement. Gerade weil Frauen nicht in militärisch- hierarchischen Strukturen denken, kann man die Umgangsformen positiv verändern.»

Widerstände sind gross
So was hört Adjutant Ernst Bühler von der Kantonspolizei Zürich nicht gern: «Frauen haben während der Ausbildung einen Nachteil, da ihnen die Erfahrungen der Rekrutenschule fehlen. Beim Hierarchieverständnis und den Präsentationsformen im Polizeiverband haben sie einen Nachholbedarf.» Die Polizei muss laut Ernst Bühler bei gewissen Einsatzformen wie zum Beispiel Grossanlässen oder Katastrophen unbedingt hierarchisch organisiert und geführt sein, damit ein reibungsloser Einsatz gewährleistet ist.

Wen wundert es also, dass Polizistinnen immer noch eine Minderheit darstellen? «Das Selbstverständnis der Frauen ist noch labil», sagt Oberstleutnant Franziska Schwitter, Psychologin bei der Kantonspolizei Basel-Stadt. Schwitter absolvierte 1980 die erste für Frauen zugängliche Basler Polizeischule. Am Anfang seien hie und da noch Widerstände spürbar gewesen. Einige männliche Kollegen vertraten die Meinung, dass Frauen bei der Polizei fehl am Platz seien.

«Eine gewisse Skepsis ist teilweise noch immer vorhanden», sagt Franziska Schwitter. «Frauen müssen überdurchschnittliche Leistungen erbringen – und sie werden vermehrt beobachtet.» Das bestätigt auch die Chefin der Spezialfahndung 2 bei der Berner Kantonspolizei, Judith Voney: «Vor allem Frauen in Kaderpositionen werden von der Mannschaft kritischer beurteilt als ihre männlichen Kollegen.»

Auch die 27-jährige Fernanda Studer hatte es als erste Kriminalbeamtin im Oberwallis am Anfang schwerer als ihre männlichen Kollegen. «Ein paar Polizisten hatten Mühe, mich zu akzeptieren», sagt die heutige Kriminalinspektorin. «Sie meinten, als Frau leiste ich nicht die gleiche Arbeit wie sie.» Teilweise werde ihr das auch heute noch signalisiert, sagt Fernanda Studer. «Doch die meisten Kollegen vertrauen mir, wir haben ein gutes Verhältnis. Polizeiarbeit ist schliesslich Teamarbeit.»

Besseres Arbeitsklima dank Frauen
Seit es mehr Polizistinnen bei der Walliser Kantonspolizei gebe, sei der Umgangston generell freundlicher geworden, sagt Fernanda Studer. Aus Rücksicht auf die Frauen würden vor ihnen auch keine sexistischen Witze mehr gemacht.

«Wir sind auf einem guten Weg zur Gleichberechtigung, aber alles ist noch nicht erreicht», sagt die junge Zürcher Kantonspolizistin Tanja Hofmann. Sie arbeitet in der Spezialabteilung für Jugendstrafsachen und Sexualdelikte. «Auf der Karriereleiter sind wir Frauen noch ganz am Anfang. Es braucht endlich eine Pioniertat. Ich wünsche mir eine Frau in einer Kaderfunktion. Die Zeit ist reif.»