Der Fall warf vor fünf Jahren hohe Wellen: Linus Dermont, der langjährige Direktor der Sozialversicherungsanstalt St. Gallen (SVA), steckte in einem Disziplinarverfahren. Er hatte in seiner Amtsstelle ungeniert seine Freundin in eine Führungsposition gehievt, ihren Bruder amtsintern protegiert, seinen Golfklub mit SVA-Geldern gesponsert und sich selber zudem ungerechtfertigte Leistungsprämien zuschanzen lassen.

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Die St. Galler Regierung löste das peinliche Problem auf umstrittene Art: Dermont ging frühzeitig in Rente, und im Gegenzug wurde das Disziplinarverfahren – formal korrekt – eingestellt. Der fehlbare Exdirektor zahlte die Leistungsprämien zurück, die letzte Beförderung seiner Freundin wurde sistiert. Die politischen Parteien schimpften wohl über den faulen Kompromiss, aber damit hatte es sich.

Über die damalige Austrittsvereinbarung wurde Stillschweigen vereinbart. Nach Informationen, die dem Beobachter vorliegen, wurde Linus Dermonts Abgang mit 100'000 Franken vergoldet. Weder die zuständige Regierung noch der Begünstigte will sich dazu äussern. Grundsätzlich lässt das Personalrecht eine Abgangsentschädigung zu, sofern die Regierung diese genehmigt.

Weiterhin für den Staat tätig

Nun zeigt sich: Der Amtschef ist auch sonst weich gefallen – im Dunstkreis alter Seilschaften. Ende 2010 wurde die Stiftung Medas Ostschweiz im kantonalen Handelsregister eingetragen, als Nachfolgerin der zuvor unter SVA-Trägerschaft betriebenen medizinischen Abklärungsstelle. Dermont wurde 2012 prompt Chef der Stiftung, die vor allem Gutachten für die IV erstellte. Auch für seine Partnerin wurde erneut gesorgt: Sie übernahm die kaufmännische Leitung.

Mittlerweile wurde die Stiftung unter dem Präsidium von Pierin Vincenz, Chef der Raiffeisen-Bankengruppe, umfunktioniert. Laut einem Bundesgerichtsentscheid müssen IV-Gutachterstellen nämlich institutionell unabhängig sein. Die Stiftung Medas Ostschweiz verkaufte deshalb den Bereich medizinische Gutachten im letzten Jahr an Dermonts Firma Medexperts AG mit Sitz in St. Gallen.

Zu welchem Preis, will Vincenz nicht sagen. Auch nicht, wie hoch das Stiftungsvermögen heute ist und wie viel Dermont als Geschäftsführer der Stiftung verdiente.

Nur so viel: «Eine anerkannte Revisionsgesellschaft hat den verkauften Bereich bewertet, und die Ostschweizer Stiftungsaufsicht stimmte zu.» Auch bei der Medexperts AG figuriert Linus Dermont, 66, als Geschäftsführer, ausserdem ist er Delegierter des Verwaltungsrats. Und wiederum ist seine Partnerin kaufmännische Leiterin – dagegen ist in seiner heute privaten Firma nichts einzuwenden. Fragen des Beobachters will Dermont nicht beantworten.

Millionen von Franken an Honoraren

Es bleibt ein schaler Beigeschmack: Die IV-Stellen der Kantone sind die wichtigsten Auftraggeber für die Medexperts AG, die dem ehemaligen SVA-Direktor untersteht. Immerhin gilt da heute ein neues Regime: Die vom Bund anerkannten Gutachterstellen, aktuell 26, melden jeweils ihre freien Kapazitäten – ob und welche Aufträge sie erhalten, entscheidet dann eine Art elektronischer Schüttelbecher. Die Zuweisung der aufwendigen polydisziplinären IV-Gutachten erfolgt nach dem Zufallsprinzip über die Internetplattform Suissemedap, betrieben von der IV-Stellen-Konferenz in Luzern. Die SVA St. Gallen kann also ihrem Exchef die Gutachteraufträge nicht selber zuteilen.

2014 erstellte die Medexperts AG nach Angaben von Verwaltungsratspräsident Markus Joos rund 470 Gutachten. Davon wurden 335 über Suissemedap zugeteilt. Weniger als zehn Prozent dieser Aufträge stammten von der IV-Stelle der SVA St. Gallen. Es geht dabei um viel Geld: Ein Auftrag via Suissemedap bringt zwischen knapp 9'000 und 15'600 Franken. Nimmt man einen Schnitt von 12'000 Franken, ergibt das allein für die 335 polydisziplinären Gutachten ein Honorarvolumen von gut vier Millionen Franken im letzten Jahr.