Darf Herr Glarner das eigentlich?
Eine Handynummer ohne Einverständnis der Besitzerin veröffentlichen: Ist das strafbar? Wir klären auf.
Veröffentlicht am 17. Mai 2023 - 18:12 Uhr
SVP-Nationalrat Andreas Glarner hat kürzlich eine Einladung zu einem Gender-Tag an die Schüler der Sekundarschule Stäfa ZH ins Netz gestellt. Versehen war der Twitter-Post mit dem Aufruf «Wer greift durch und entlässt die Schulleitung?». Gut zu sehen waren Name und Handynummer der zuständigen Schulsozialarbeiterin.
Die Folge: Ein Shitstorm mit Gewaltandrohungen und persönlichen Beleidigungen gegen die Frau. Und der Gender-Tag wurde auf Anraten der Polizei aus Sicherheitsgründen abgesagt.
«Mit unqualifizierter Kritik und Entlassungsforderungen an gewählte Behördenmitglieder oder Angestellte zeigt sich SVP-Nationalrat Glarner als schlechter Demokrat – mehr als bedenklich für ein Mitglied des Nationalrats», schreibt der Gemeinderat von Stäfa in einer Stellungnahme.
Selbst in den eigenen Reihen stiess Andreas Glarners Vorgehen auf Kritik. Lukas Bubb, Präsident der SVP Stäfa, stellte sich inhaltlich zwar hinter seinen Parteikollegen, nannte dessen Vorgehen aber «überflüssig». Das sei nicht die Flughöhe eines Nationalrats.
Flughöhe hin, Flughöhe her, egal ob von rechts oder links – darf man das überhaupt? Oder verletzt man damit Rechte?
Strafrecht meist nicht verletzt
«Es muss ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Person und ihrer Handlung bestehen, dass solch ein Vorgehen gerechtfertigt ist», sagt Rechtsexperte Martin Steiger.
Da ein geeigneter Straftatbestand häufig fehlt, kommt das Strafrecht normalerweise nicht zum Zug. «Gegen Angriffe im digitalen Raum kann man in erster Linie zivilrechtlich vorgehen und wegen der widerrechtlichen Verletzung der Persönlichkeit klagen. Dazu zählen auch Datenschutzverletzungen», so Steiger. Der Vorteil sei, dass sich auf diesem Weg auch Verbote erwirken liessen. «Im vorliegenden Fall wäre beispielsweise denkbar, dass es Andreas Glarner gerichtlich verboten würde, jemals wieder bestimmte Aussagen über besagte Schulsozialarbeiterin zu veröffentlichen.»
Opfer wollen schnell vergessen
Trotzdem verzichten viele Opfer auf eine Klage. Sie scheuen den emotionalen, finanziellen und zeitlichen Aufwand. Sie würden zudem weiter im Fokus der Öffentlichkeit stehen und somit den Angriffen der Täter noch länger ausgesetzt bleiben, sagt Martin Steiger. «Die meisten Opfer wollen die Angelegenheit verständlicherweise so schnell wie möglich hinter sich lassen. Und das wissen auch jene, die solche Angriffe machen.»
Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte sagt zum Fall Stäfa: «Ob ein überwiegendes öffentliches Interesse an Namen und Telefonnummer einer Mitarbeiterin der Schule besteht, das die Veröffentlichung rechtfertigen könnte, erscheint uns fraglich. Zumal diese Daten für die Schülerinnen und Schüler bestimmt waren und nur schwer wieder gelöscht werden können, sobald sie online gestellt wurden.» Abschliessend könne das allerdings nur ein Zivilgericht feststellen.
Demokratie bedroht
Die Hürden, sich gegen Cybermobbing zu wehren, sind hoch. Ganz im Gegensatz zur Hemmschwelle für Anfeindungen im Internet. «Die sozialen Medien und Kommentarfunktionen haben ein Umfeld geschaffen, in dem sich Betroffene nicht sicher fühlen und sich deshalb nicht trauen, sich frei zu äussern», sagt Sophie Achermann, Geschäftsführerin der Public Discourse Foundation, die das Projekt Stop Hate Speech betreibt.
Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass die Tonalität der ersten geposteten Kommentare den weiteren Verlauf der Diskussion im Netz prägt. Glarners negativ geprägter Post zeigt das exemplarisch – sein Tweet führte zu Cybermobbing, Drohungen und gar zur Absage des Schulanlasses.
Umso wichtiger sei es, dass die Öffentlichkeit für das Problem von Cybermobbing und Hate Speech im Netz sensibilisiert werde, sagt Achermann. «Es braucht den öffentlichen Diskurs und das Bewusstsein, dass solche Aktionen so nicht tolerierbar sind, ungeachtet juristischer Fragen. Denn sie gefährden die Demokratie.»
Stäfa sieht von einer Zivilklage gegen Andreas Glarner ab. Hingegen untersuche man die eingegangenen beleidigenden und bedrohenden E-Mails und Whatsapp-Nachrichten auf ihre rechtliche Relevanz hin und werde gegebenenfalls Anzeige erstatten, so Gemeindeschreiber Daniel Scheidegger.
7 Kommentare
Oder so ... (we'mir Mol endlech erlich si wöhnt:)
...Es got wiedermal sowieso nume um's Eini:
Entweder mi het's, oder mi het's ebe nöd!
Nume zum mal Klartext z'rede: Au hie typisch;
lieber wiedermal die wo's "nöd hend" packe als...!!!
So Muetig!
Wenn hört da endlich uf???
Glarner rüppelt nicht gegen Andersdenkende. Denken darf jeder was er will; das weiss auch A. Glarner. Er rüppelt gegen Andershandelnde und besonders gegen Leute, die ihr Handeln auf Kindern fokussieren. Das ist doch ein Unterschied. Vielleicht sollte das heikle Gebiet des Genderismus den Eltern überlassen bleiben und die Schule sollte die Finger davon lassen.
Ich bin enttäuscht, dass der Beobachter dies jetzt auch noch thematisiert und damit darlegt, wie oberflächlich auch in diesem Hause recherchiert oder abgeschrieben wird. Glarner hat nämlich nichts veröffentlicht, was nicht schon vorher veröffentlicht worden ist. Er hatte ein Flugblatt zum umstrittenen Thema abgebildet, das von der Schulgemeinde den betroffenen Eltern und Schülern abgegeben wurde. Darauf sind sämtliche Angaben über die Veranstalterin, Adresse und Telefonnummer zu finden. Glarner hat zwar kritisiert, aber nichts Unbekanntes veröffentlicht. Über eine umstrittene Aktion sollte man doch noch schreiben dürfen.
Alles andere als eine Zivilklage seitens der Schulleitung ist ganz schwacher Führungsstil! So haben eben Glarner und Konsorten leichtes Spiel ihre Hetze weiter zu betreiben wie die Realität zeigt!