So rutscht die Hand nicht aus
Nichts und niemand bringt Eltern so an Grenzen wie die eigenen Kinder. Wie eine gewaltfreie Erziehung gelingt.
aktualisiert am 4. November 2024 - 15:20 Uhr
«Gewalt in der Erziehung bleibt in der Schweiz Alltag» – so eröffnet die Stiftung Kinderschutz Schweiz ihre aktuellste Medienmitteilung.
Eine von ihr in Auftrag gegebene Studie der Universität Freiburg hat sich besonders auf psychische Gewalt fokussiert und kommt zum Schluss: Jedes fünfte Kind erfährt hierzulande psychische Gewalt.
Rund einem Viertel der Kinder wird zudem mit Schlägen als Erziehungsmassnahme gedroht. An der Befragung nahmen 1264 Eltern teil.
Doch was ist überhaupt Gewalt gegen Kinder ? Ein Klaps auf den Hintern? Oder das Kind ausschimpfen?
Die Antwort lautet zweimal ja. Als körperliche Gewalt gelten Handlungen wie Schlagen, Treten, Stossen, Boxen oder an den Haaren ziehen. Psychische Gewalt wendet an, wer ein Kind als wertlos behandelt, es zurückweist oder verachtet und seine emotionalen und körperlichen Bedürfnisse nicht ernst nimmt.
Zuletzt hatte eine andere Studie der Universität Freiburg von 2018 gezeigt, dass die Gewalt gegen Kinder grundsätzlich zurückgehe. Aber: Bereits damals gaben rund 70 Prozent der Befragten an, sie hätten schon psychische Gewalt angewandt – wenn auch viele nur selten. Physische Gewalt hat etwa die Hälfte schon einmal angewandt.
Ob Gewalt Folgen für das Kind hat, hängt unter anderem davon ab, wie intensiv und häufig sie erfolgte. Psychische Gewalt hinterlässt genauso Spuren wie körperliche.
Kinder, die Gewalt erlebt haben, verhalten sich öfter aggressiv und werden später eher selbst zu Tätern. Oder sie leiden unter psychischen Problemen.
Die grosse Mehrheit der Eltern greift nicht bewusst zu Gewalt; vielmehr entsteht sie aus einem Gefühl der Überforderung .
Dazu schrieb der bekannte dänische Familientherapeut Jesper Juul: «Die Qualität von Eltern bemisst sich nicht nach den Regeln, die sie ihren Kindern vorgeben, sondern nach der Art ihrer Reaktion, wenn diese Regeln gebrochen werden.»
Für Eltern ist es in der Erziehung wichtig, konsequent zu bleiben und ihren Kindern auch die Konsequenzen zu zeigen, wenn diese nicht gehorchen wollen. Wie Sie das am besten tun, erfahren Sie als Beobachter-Mitglied in der Checkliste «So gelingt konsequentes Erziehen» mit praktischen Beispielen aus dem Alltag.
Schwierige Situationen in der Erziehung: Richtig reagieren
Wenn Eltern auf Provokationen mit Gewalt reagieren, wird das Kind das nächste Mal noch herausfordernder oder wendet gar selbst Gewalt an, sagt der israelische Familientherapeut Haim Omer.
Eine Spirale, die oft in der Kapitulation der Eltern endet. Damit verstärkt sich das Fehlverhalten der Kinder, und die Eltern sind erst recht frustriert. Das wiederum führt zu weiteren Eskalationen.
Dieser Teufelskreis lässt sich laut Omer nur mit gewaltlosem Widerstand durchbrechen: «Zentrales Ziel ist nicht die Macht, sondern ein Kämpfen um eine Beziehung, deren Grundlage die Liebe der Eltern zum Kind ist.»
Haim Omers Prinzipien der elterlichen Präsenz:
- Gewalt, Beleidigungen und Demütigungen sind absolut tabu.
- Eltern sind von ihrem Standpunkt überzeugt, sie bleiben ruhig und beharrlich bei ihrer Position.
- Es werden Lösungen gesucht, die das Kind weder demütigen noch besiegen.
4 Tipps von Psychologe Haim Omer
Kinder und Jugendliche testen immer wieder ihre Möglichkeiten bei den Eltern aus. Aus diesem Grund ist es für Eltern wichtig, konsequent zu bleiben. In der Checkliste «Erfolgreich Grenzen setzen» erhalten Beobachter-Mitglieder nützliche Erziehungstipps.
Dieser Artikel wurde erstmals am 28. April 2020 veröffentlicht und am 4. November 2024 aktualisiert.
4 Kommentare
Nichts und niemand bringt die Eltern
Ich habe viel Gewalt erlebt, inklusive im katholischen Kinderheim. Ich habe jede Form von Gewalt, welche sich jenseits von Notwehr bewegt, immer abgelehnt. Lange war ich deshalb in dieser Männerwelt das schwarze "Schaf" oder der Aussenseiter. Bis Marshall Rosenberg kam, mit seiner grossartigen Arbeit und Aufklärung in Buchform: Die gewaltfreie Kommunikation, eine Sprache des Lebens. Der Titel wird dem professionellen Buchinhalt nicht gerecht. Um das machtvolle Handeln kommt kein Mensch herum, viele haben Probleme mit Macht. Doch das Motiv, der Zweck und das Ziel entscheiden, ob Gewalt Gewalt ist, oder eben machtvolles Handeln zum Wohle aller Beteiligen. Machtvolles Handeln muss immer an die bestmöglichen Werte geknüpft sein, wenn dem immer so wäre in allen Bereichen des Lebens, dann hätten wir eine bessere Welt. Danke und Gruss Beatus Gubler www.streetworkbasel.ch
Deshalb gilt weiterhin: "Eltern werden, ist nicht schwer, Eltern sein, dagegen sehr"! Weshalb Frauen und auch Männer sich sehr gut überlegen sollten, betreffend Kinderwunsch, Familie, jahrelange Verantwortung, Verpflichtungen einerseits und Beruf/Arbeit, berufliche Zukunft, Freizeit, Reisen andererseits - oder doch "Verhütung"?
👍🏻Yes