Eltern sollen weniger zahlen
In der Romandie belastet Kinderbetreuung das Portemonnaie der Eltern weniger als in der Deutschschweiz. Und im Ausland ist es noch viel billiger. Jetzt handelt der Bund.
Veröffentlicht am 28. Juni 2018 - 16:48 Uhr,
aktualisiert am 28. Juni 2018 - 16:10 Uhr
Die meisten Kantone tun zu wenig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf . Deshalb führt der Bund zwei neue Finanzhilfen ein. Per 1. Juli 2018 tritt die revidierte Verordnung in Kraft und ab dann können Kantone Gesuche beim Bund einreichen. 100 Millionen Franken stellt er für die Laufzeit von fünf Jahren zur Verfügung.
Job und Kinder unter einen Hut zu bringen sei nach wie vor eine grosse Herausforderung für Eltern und oft lohne sich die Erwerbstätigkeit beider Elternteile finanziell schlicht nicht, begründet der Bund. Bereits seit 2003 gibt es das sogenannte «Impulsprogramm» (Bundesgesetz über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung), um die Zahl der Betreuungsplätze auszubauen. Mit den neuen Finanzhilfen setzt der Bund jedoch einen anderen Fokus: Die Kosten für die Eltern sollen gesenkt werden. Subventionen erhalten diejenigen Kantone, welche für finanzielle Entlastung der Eltern sorgen. Je stärker die kantonalen und kommunalen Subventionen erhöht werden, desto mehr Geld lässt der Bund springen.
«Die Zuständigkeit für Kinderbetreuungsangebote liegt bei den Kantonen und Gemeinden. Mit diesen neuen Finanzhilfen will der Bund aber Anreize schaffen, damit das Thema in die politische Agenda der Kantone und Gemeinden aufgenommen wird und diese ihre Subventionen künftig erhöhen,» sagt Marc Stampfli, Leiter Bereich Familienfragen beim Bundesamt für Sozialversicherungen BSV.
Als zweite neue Finanzhilfe werden zudem Projekte unterstützt, die eine bessere Abstimmung der Betreuungsangebote auf die Bedürfnisse der Eltern erzielen. Zum Beispiel mit erweiterten Öffnungszeiten während Schulferien oder zu Randzeiten. Gesuche für solche Projekte zur Optimierung des Angebots können auch direkt von Gemeinden und Organisationen oder Einzelpersonen beim Bund eingereicht werden (mehr Informationen).
«Im Vergleich zum Ausland zahlen berufstätige Eltern extrem viel für Kinderbetreuung,» sagt Nadine Hoch, Geschäftsleiterin des Verbands Kinderbetreuung Schweiz kibesuisse. «Viele können sich das nicht leisten und weichen deshalb auf vielfältige Betreuungslösungen aus. Die Kinder sind dann einmal hier, einmal da und einmal gar nicht betreut. Das ist für alle Beteiligten sehr unglücklich.»
Das bestätigt auch der Bund in seiner Botschaft zur Gesetzesänderung: Im internationalen Vergleich seien die Drittbetreuungskosten von Eltern in der Schweiz überdurchschnittlich hoch. Das liege aber nicht an den Kosten der Betreuungsangebote – Einsparmöglichkeiten bei Löhnen etc. gebe es nicht –, sondern an der tiefen Kostenbeteiligung der öffentlichen Hand. Diese ist gemäss Forschungsbericht des Bundes im umliegenden Ausland wesentlich höher. Aber auch im Inland gebe es markante Unterschiede: «Die Eltern müssen in Zürich rund zwei Drittel der Kosten selber tragen, im Kanton Waadt im Durchschnitt 38 Prozent. In den ausländischen Vergleichsregionen beträgt der Elternanteil dagegen nur zwischen 14 und höchstens 25 Prozent.»
Wieso zahlen die Eltern in der Romandie so viel weniger? Philippe Gnaegi, Direktor von Pro Familia Schweiz, erklärt, dass die Arbeitgeber Abgaben zu diesem Zweck leisten müssen und beispielsweise die Loterie Romande Drittbetreuung von Kindern ebenfalls mitfinanziert. Die Arbeitgeber in der Romandie hätten die Zeichen der Zeit und vor allem die Vorteile, wie eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen, erkannt. Drei Kantone in der Romandie haben gesetzliche Arbeitgeberbeiträge: in der Waadt, in Neuenburg und in Fribourg geht ein Teil der Lohnsumme an die Kinderbetreuung.
Bei einem Kompromiss anlässlich der kantonalen Unternehmenssteuerreform von 2016 wurde dieser Anteil in der Waadt kürzlich sogar erhöht. Generell gäbe es in der Romandie für die Vereinbarkeit von Job und Familie mehr Unterstützung vom Staat und von den Arbeitgebern, sagt Gnaegi. Der Röstigraben sei klar spürbar.
Marc Stampfli vom Bundesamt für Sozialversicherungen rechnet damit, dass die neuen Finanzhilfen zu einer durchschnittlichen Erhöhung der Subventionen um rund 10 Prozent führen werden. Bei einigen Kantonen werde es mehr, bei anderen weniger sein, das hänge alleine vom politischen Willen in den Kantonen und Gemeinden ab.
Nadine Hoch von kibesuisse begrüsst zwar die Stossrichtung der Subvention, zweifelt jedoch die Spürbarkeit der Entlastung für die Eltern an: «Es ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Wir haben eine Milchbüechli-Rechnung gemacht und festgestellt, dass dabei am Ende mit diesen Bundesbeiträgen im Durchschnitt weniger als 2 Franken pro Betreuungstag für die Eltern rausspringen.»