ALV, UVG, Assistenzbeitrag, EL, IPV: Kein Wunder, verstehen manche Leute nur noch Bahnhof. Das soziale Netz ist in der Schweiz ziemlich dicht geknüpft – aber die Fäden sind ungleich dick, haben unterschiedliche Namen und setzen Unterschiedliches voraus, um einen Anspruch zu begründen.

Manche staatlichen Leistungen sind voneinander abhängig, andere ergänzen sich, einige schliessen sich aus. Und die Leistungen muss man beantragen. Aber wie? Und wo? Wer soll sich da zurechtfinden?

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Ein neues Beobachter-Ratgeberbuch schafft Ordnung im Dschungel. Im Detail wird erklärt, wer wann Anspruch auf welche Leistung hat – und wann nicht. Ausserdem gibt das Buch Tipps, wie man vorgehen sollte, und zeigt, welche Rechte man hat.

Buchtipp
Finanzhilfen
Buchcover Finanzhilfen

Corinne Strebel, Sie sind Autorin des Buchs «Finanzhilfen», das durch den Dschungel des Schweizer Sozialsystems führt. Warum braucht es dieses Buch?
Das soziale Netz in der Schweiz ist sehr dicht, aber es ist äusserst komplex. Die Leistungen fliessen nicht automatisch, sondern müssen beantragt werden. Die administrativen Hürden sind also relativ hoch.

Wer fällt durch die Maschen dieses Netzes?
Am schnellsten diejenigen, die krank werden. Bei Unfällen ist man in der Schweiz viel besser abgesichert als bei Krankheiten. Wenn man zum Beispiel krank wird, nachdem man selber eine Anstellung gekündigt hat, und dieser Arbeitgeber keine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat, kann man schnell sehr tief fallen.

Zur Person

Erfahren überhaupt alle Berechtigten, dass sie Anspruch auf Finanzhilfe hätten?
Oft erfährt man das nicht automatisch, sondern man muss sich selber darum kümmern. In der Regel wird man zum Beispiel nicht darauf aufmerksam gemacht, dass man Ergänzungsleistungen beantragen könnte. 

Wer müsste was tun, um sicherzustellen, dass alle Anspruchsberechtigten auch tatsächlich die ihnen zustehenden Leistungen erhalten?
Das ist eine gute Frage. Das Problem ist, dass nur schon diverse Stellen zuständig sind und man die Ansprüche an verschiedenen Stellen beantragen muss. Umso wichtiger ist es, dass man sich selber hilft, indem man sich erkundigt, wo man was wie beantragen kann.

In welchem Bereich ist die Wissenslücke besonders gross?
Gemäss Schätzungen der Pro Senectute beantragen über 15 Prozent der Menschen, die Anspruch auf EL hätten, diese nicht. Viele beantragen sie nicht, weil sie nicht wissen, dass sie einen Anspruch haben, andere beantragen sie nicht, weil sie sich schämen. Das führt dazu, dass die Leute mit sehr wenig Geld leben müssen und kaum am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

Wer bekommt Ergänzungsleistungen?

Die Regelung, dass Erben unter Umständen EL zurückzahlen müssen, sorgt für Ärger. Zu Recht?
Man vergisst etwas, dass man nur dann EL zurückzahlen muss, wenn sich im Nachlass der verstorbenen Person über 40’000 Franken befinden. Zudem dürfen nur EL zurückgefordert werden, die seit der Gesetzesänderung im Jahr 2021 bezogen wurden. Aber diese Regelung ist bei den Sozialversicherungen tatsächlich einzigartig, daher kann ich den Unmut verstehen.

Muss man sich schämen, EL zu beantragen?
Nein, ganz klar nicht. Die EL wurden 1966 eingeführt, weil die IV- und AHV-Renten nicht existenzsichernd sind. Ursprünglich waren die EL als Übergangsleistung gedacht. Die Politik hat sich dagegen entschieden, die AHV- und IV-Renten für alle anzuheben. Stattdessen wurde beschlossen, denjenigen EL zu gewähren, die mit der IV, der AHV und einer allfälligen Pensionskassenrente nicht über die Runden kommen. 

Warum beantragen dennoch viele keine EL?
Die einen wissen nicht, dass sie einen Anspruch haben, die anderen scheitern an den Hürden – und weitere schämen sich, EL zu beantragen und «der Allgemeinheit auf der Tasche zu liegen». In den Köpfen dieser Leute sind die EL nicht gleichbedeutend mit dem Anspruch auf eine IV- oder AHV-Rente.

Gerade um die IV streitet die Politik seit Jahren. Worum gehts dabei?
Wer als Folge eines Unfalls oder einer Krankheit dauerhaft nicht oder nur viel weniger arbeiten kann, hat Anspruch auf eine Rente. Doch einige finden, es sei zu leicht, eine IV-Rente zu erhalten, während Betroffene klagen, es dauere viel zu lange bis zu einem Entscheid der IV. Und wieder andere meinen, ärztliche Gutachter hätten zu viel Einfluss.

Die Zahl der IV-Bezügerinnen und IV-Bezüger ist seit einigen Jahren einigermassen stabil, gemessen an der gesamten Bevölkerung. Dennoch haben viele Leute den Eindruck, die IV vergebe zu leichtfertig Renten. Warum?
Ich glaube, weil man vielen Leuten die Invalidität nicht ansieht und man oft in den Medien über Missbrauch gelesen hat. So haben viele Leute das Gefühl, dass es viele gibt, die eine IV-Rente erhalten, obwohl sie arbeiten könnten. 

Zahlreiche Betroffene beschweren sich, die IV behandle sie unfair und setze zu strenge Massstäbe. Was finden Sie?
Ich erlebe, dass es in der Regel ein sehr beschwerlicher Weg ist, bis man tatsächlich eine IV-Rente erhält. Man muss zu verschiedenen Ärzten, es werden diverse Gutachten erstellt. Viele Betroffene erzählen am Telefon, dass sie jahrelang kämpfen mussten, bis sie eine Rente erhalten haben.

Hier gibt es Finanzhilfen, die im Buch beschrieben werden

Für Kinder:

  • Alimente
  • Familienzulagen
  • Stipendien
  • Ausbildungsdarlehen
  • Kinder- und Waisenrenten
  • Leistungen für beeinträchtigte Kinder
  • Mutterschaftsentschädigung
  • Elternurlaub

Bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit:

  • Krankenkasse
  • Zusatzversicherungen
  • Individuelle Prämienverbilligung
  • Lohnfortzahlung
  • Krankentaggeldversicherung
  • Alters- oder Pflegeheimfinanzierung

Nach einem Unfall:

  • Unfallversicherung UVG
  • Unfallversicherung KVG
  • Hilflosenentschädigung
  • Integritätsentschädigung
  • Hinterlassenenrenten

Bei Arbeitslosigkeit:

  • Arbeitslosenversicherung
  • Überbrückungsleistungen

Bei Invalidität:

  • Invalidenversicherung
  • Hilflosenentschädigung
  • Ergänzungsleistungen
  • Assistenzbeitrag

Im Alter:

  • AHV-Altersrenten
  • Hinterlassenenrenten
  • Pensionskassenrenten
  • Ergänzungsleistungen

Vom Sozialdienst:

  • Sozialhilfe
  • Integrationszulage
  • Verwandtenunterstützung
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