Welche Absicherungen bringen wirklich etwas?
Der Versicherungsmarkt bietet alle erdenklichen Absicherungen. Doch nicht alle sind wirklich nötig, wie sich anhand von Beispielen aus dem Bereich der Vorsorge zeigen lässt.
Veröffentlicht am 28. Oktober 2013 - 10:05 Uhr
Viele Leute sparen ihr ganzes Leben lang fürs Alter. Bei ihrer Pensionierung erhalten sie oft Kapitalauszahlungen aus der Säule 3a oder aus der Pensionskasse. Hinzu kommt, dass heute Erbschaften aus der Familie öfter in die Jahre zwischen 60 und 65 fallen.
Doch viele Menschen haben Mühe, ihre Vermögenswerte planmässig und diszipliniert zu verwalten. Wer das Geld allzu schnell und leichtfertig ausgibt oder sich mit riskanten Geschäften verspekuliert, muss die Verantwortung selbst übernehmen. Nur die im Rahmen der AHV und der beruflichen Vorsorge gesetzlich geregelten Renten sind verlässlich und garantieren ein gewisses Minimum. Bei der AHV wie auch bei Pensionskassenrenten gelten die versprochenen Leistungen zeitlich unbeschränkt – unabhängig davon, ob man ein Alter von 71 oder 101 erreicht.
Was liegt also näher, als frei verfügbare Mittel ebenfalls in eine garantierte Rente umzuwandeln? Die klassische Variante dazu ist eine sogenannte Leibrente: Man leistet einer Versicherungsgesellschaft eine Einmaleinlage von zum Beispiel 100'000 Franken. Die Versicherung verwaltet dieses Vermögen, legt es langfristig an und richtet dem Kunden eine regelmässige, garantierte Altersrente aus. Konsequenterweise sollte dieses Rentenversprechen – analog zu AHV und Pensionskasse – lebenslang Bestand haben. Im Einzelnen sind die verschiedenen Policen unterschiedlich gestaltet, im Fall des Ablebens des Kunden können mit dem Restkapital zum Beispiel auch Erben begünstigt werden.
Leibrenten hatten aber in den letzten Jahren einen schweren Stand, weil die Versicherungen wegen des heute sehr tiefen Zinsniveaus und der allgemein längeren Lebenserwartung kaum noch grosse Ertragsversprechen abgeben. Eine Leibrente ist aus Kundensicht ja nur dann sinnvoll, wenn die garantierten Rentenzahlungen deutlich höher liegen, als wenn man das verfügbare Kapital durch die erwarteten Lebensjahre teilt.
Hinzu kommt, dass Leibrenten steuerlich alles andere als attraktiv sind. Zum einen fällt beim Abschluss – je nach Art der Leibrente – die eidgenössische Stempelsteuer an, zum anderen werden die Auszahlungen zu 40 Prozent als Einkommen besteuert – obwohl das in die Leibrente fliessende Kapital im Normalfall bereits einmal besteuert wurde (als Einkommen oder als Kapitalauszahlung aus Vorsorge). Das ist eine Schlechterstellung gegenüber dem Alterskapital in der beruflichen Vorsorge. «Einen anderen Nachteil sehe ich darin, dass diese Versicherungsvariante immer öfter nur noch als befristete Zeitrente angeboten wird», erklärt Florian Schubiger, Vorsorgespezialist bei der Vermögenspartner AG in Winterthur. Man erhält dabei kein lebenslanges Rentenversprechen mehr, sondern oft nur noch eine auf 15, 20 oder 25 Jahre begrenzte Rente.
Im Vergleich zu Leibrenten sind Auszahlungspläne, wie sie etwa Axa Winterthur oder Swiss Life anbieten, steuerlich interessanter. Die Einmaleinlage zu Beginn wird dabei ebenfalls auf dem Kapitalmarkt oder in Fonds angelegt, und die Versicherung generiert daraus eine jährliche fixe Rente. Der Vorteil liegt darin, dass die Auszahlungen nicht noch einmal besteuert werden. Steuerbar sind lediglich Zinsen und Erträge, die die Höhe der ursprünglich investierten Summe übersteigen.
Doch auch bei diesem Produkt sind Fragen am Platz, zumal die Versicherungen wegen der tiefen Zinsen ähnlich wie bei Leibrenten kaum noch Ertragsgarantien bieten. Wer zum Beispiel aktuell 100'000 Franken in einen Auszahlungsplan investieren will, erhält wegen der tiefen Zinsen nicht einmal 100 Prozent garantiert. Aus verschiedenen Gründen können die privaten Versicherungen mit den Leistungen der Pensionskassen nicht mithalten.
Wer die Wahl hat, das Geld entweder in der Pensionskasse zu belassen oder in einen Auszahlungsplan zu investieren, wird bei der Pensionskasse wegen gesetzlicher Mindestleistungen meist besser fahren. Bei einem Umwandlungssatz von zum Beispiel 6,8 Prozent liegt heute eine Pensionskassenrente höher als die garantierten Renten von Auszahlungsplänen, soweit das Geld im Rahmen der obligatorischen beruflichen Vorsorge liegt. Das wichtigste Argument gegen einen Auszahlungsplan ist aber, dass das finanzielle Langleberisiko nicht abgesichert wird. Auch in diesem Punkt ist man bei der Pensionskasse besser aufgehoben.
Zu den grössten finanziellen Risiken im Alter gehören die Folgen von Langzeitpflege. Der Aufenthalt im Heim kostet je nach Institution und je nach Pflegestufe viel Geld. In vielen Pflegeheimen oder luxuriösen Seniorenresidenzen summieren sich Kosten von 6000 bis 12'000 Franken pro Monat. In der Regel steuern die Krankenkassen und der Kanton einen Beitrag bei. Bei stationärer Pflege übernehmen die Kassen bis maximal 108 Franken pro Tag.
Was aber ins Geld geht, sind die Kosten der sogenannten Hotellerie im Heim, sprich die sonstige Betreuung ausserhalb der Pflege: die Infrastruktur, die Reinigung, die Amortisation der Gebäude et cetera. Für diese Kosten müssen Pflegebedürftige selbst aufkommen, wie wenn sie zu Hause leben würden. Diese oft hohen Kosten müssen aus der AHV, der Pensionskasse oder aus dem privaten Vermögen finanziert werden. Als Finanzhilfen kommen dann Ergänzungsleistungen und Hilflosenentschädigungen als Zusatzleistung zur AHV in Frage.
In jedem Fall ist vor allem zu prüfen, ob ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht. Derzeit gilt dabei ein Vermögensfreibetrag von 37'500 Franken, bei Paaren von 60'000. Was über diesen Beträgen liegt, muss anteilmässig für den Heimaufenthalt verwendet werden. Wenn es finanziell eng wird, sollte man einen Heimplatz in einem Kostenrahmen suchen, der von der Ergänzungsleistung akzeptiert wird. Derzeit liegt diese Limite bei Fr. 183.10 pro Tag.
Verschiedene private Versicherungen bieten Pflegeversicherungen an. Marktleader hier ist Helsana. Der Haken an der Sache sind allerdings die langen Karenzfristen von meist zwei bis drei Jahren – vom Moment des Heimeintritts an gerechnet. Experte Piero F. Catani, der im Kanton Bern in einem Spitalsozialdienst arbeitet, sagt dazu: «Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in einem Heim beträgt heute etwa zweieinhalb Jahre. Die Pflegeversicherung kommt daher meist nur kurz oder gar nicht zum Tragen.»
Die finanziellen Folgen lassen sich ohne Karenzfrist absichern, wenn die pflegebedürftige Person in einem Heim lebt, dessen Kosten innerhalb der Obergrenzen der Ergänzungsleistung liegen.
Weiter ist daran zu erinnern, dass letztlich doch Krankenversicherungen, Sozialwerke und der Staat für die Kosten aufkommen müssen – zumindest sobald die entsprechenden Freibeträge für Vermögen und privaten Immobilienbesitz erreicht sind. Eine Pflegeversicherung lohnt sich daher nur in seltenen Fällen, wenn zum Beispiel vermögende Privatpersonen vermeiden wollen, dass ihr Erbe allzu sehr geschmälert wird.
Zum Leben gehört, dass nicht immer alles nach Plan läuft. Wer sich zum Beispiel ein Eigenheim leistet, darf die finanziellen Folgekosten und die langfristigen Verpflichtungen nicht schönrechnen. Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Lohneinbussen oder ein Todesfall wären ein schwerer Schicksalsschlag und hätten für Wohneigentümer auch finanziell weitreichende Folgen.
Bei einem Todesfall reichen die Witwen- und Waisenrenten aus AHV und Pensionskasse in der Regel nicht aus, um den Haushalt finanziell weiterzuführen und zugleich die Kosten der Liegenschaft zu decken. Florian Schubiger von der Vermögenspartner AG in Winterthur sagt dazu: «Zusätzliche Absicherungen sind nach meiner Meinung oft für junge Familien sinnvoll.» Wenn sich also zum Beispiel ein Haushalt erst kürzlich die eigenen vier Wände geleistet hat und bloss über bescheidene finanzielle Reserven verfügt.
Je nach den individuellen Umständen ist es angezeigt, eine Todesfallrisikopolice oder auch eine zusätzliche private Versicherung für den Fall von Invalidität abzuschliessen. Eine zusätzliche private Versicherung ist vor allem auch dann wichtig, wenn man beim Kauf Pensionskassenguthaben vorbezogen und noch nicht zurückgezahlt hat.
Um allfällige Lücken im Fall von Invalidität zu eruieren, sollte man die erwarteten Leistungen aus IV, Pensionskasse oder Unfallversicherung zusammenstellen und erst dann entscheiden. Manche Berater und Banken legen ihren Hypothekarkunden sogar nahe, eine zusätzliche private Versicherung für den Fall von Arbeitslosigkeit abzuschliessen. Die Berner Kantonalbank hat dazu zum Beispiel die «Hypothek mit Lohnausfallschutz» im Angebot.
In der Regel ist aber das Erwerbseinkommen durch die staatliche Arbeitslosenversicherung bereits ausreichend versichert. Die Zusatzversicherung ist zudem beschränkt und bietet bei Langzeitarbeitslosigkeit keine Hilfe. «Im konkreten Einzelfall muss sich der Kunde also die Frage stellen, ob die von der Bank gewünschten Versicherungen wirklich in seinem eigenen Interesse sind oder im Interesse der Bank», sagt Florian Schubiger.
Die Grenze sei wohl dort erreicht, wo die Bank hauptsächlich das Kreditausfallrisiko reduzieren will und der Kunde über seine Prämien die Kosten dafür übernehmen soll.