Zur Person

Trebor Scholz ist Professor für Medien und Kultur und lehrt an der New School in New York City. Soeben ist sein Buch «Uberworked and Underpaid: How Workers are Disrupting the Digital Economy» erschienen.

Quelle: private Aufnahme

Beobachter: Was haben Sie gegen die Angebote erfolgreicher Firmen wie Airbnb und Uber?
Trebor Scholz: Sie stehen für die Verschiebung weg vom ursprünglichen, sozialen Gedanken der Sharing Economy hin zu einer neuen Wirtschaftsordnung, die primär der Logik von Risikokapitalgebern folgt. Den Firmengründern geht es nicht mehr darum, ein Geschäft nachhaltig aufzubauen, sondern es möglichst lukrativ an Apple, Google oder Microsoft zu verkaufen.

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Beobachter: Jeder von uns kann mit seiner Wohnung, seinem Auto oder seinen speziellen Fähigkeiten etwas dazuverdienen. Das klingt doch gut.
Scholz: Sie reden wie ein Community-Manager von Airbnb. Die nutzen diese -blumige Sprache, sprechen von der Ökonomie des Tauschens und Teilens, um zu verschleiern, was tatsächlich geschieht: Es wird schlicht ein Geschäft abgewickelt. Wichtige Themen wie erschwinglicher Wohnraum und ein existenzsicherndes Einkommen werden unter den Tisch gekehrt. Dafür sollten wir kämpfen, statt Firmen zu unterstützen, die Gebühren von 20 bis 30 Prozent kassieren, nur um Anbieter und Nachfrager zusammenzubringen.

Beobachter: Ein Leben ohne Chef, die Arbeit frei einteilen, die Ich-AG. Wo liegt das Problem? 
Scholz: Firmen wie Uber diktieren die Vorlage für neue Arbeitsmodelle, die in der gesamten Wirtschaft funktionieren. Sie könnten das System von Uber auch auf einen Glacestand anwenden. Man muss kein Akademiker sein, um zu verstehen, dass wir jetzt Debatten über Arbeitsbedingungen führen müssen, die wir ja hart erkämpft haben.

Beobachter: Was ist das Besondere an den neuen Arbeitsmodellen?
Scholz: Es geht um das Kommando von Algorithmen, die den Angestellten Anweisungen erteilen und Hierarchien am Arbeitsplatz ersetzen. Und natürlich um die Verlagerung von Festangestellten zu freien Mitarbeitern, die kein vorhersehbares Einkommen, keine Sozialleistungen und weniger Rechte haben. So bahnt sich ein neuer Feudalismus an, kaschiert durch Begriffe wie Autonomie, Flexibilität und Unabhängigkeit. 

«Uber weiss, wann der Akku eines Handys schwach ist. Dann steigt der Fahrpreis.»

Trebor Scholz, Professor für Medien und Kultur

Beobachter: Viele jüngere Personen wünschen sich ein Arbeitsleben ohne Festanstellung, finden das cool. 
Scholz: Das stimmt. Sie wollen nicht in durchstrukturierten, hierarchischen Unternehmen arbeiten. Sie haben auch kaum mehr von den Vorteilen profitiert, die solch altmodischen Firmen ihren Eltern brachten. Jetzt sind die Eltern verwirrt, weil ihre Kinder wenig Interesse an ihrer Vorstellung von Karriere und einem sicheren Arbeitsplatz zeigen. Das eigentliche Problem aber ist, dass es solche Arbeitsplätze nicht mehr geben wird.

Beobachter: Ausser Taxifahrern und Hoteliers wehren sich wenige gegen diese Entwicklung. Warum? 
Scholz: Alles geht unheimlich schnell. Bevor man überhaupt «Amazon» sagen kann, dominiert der Konzern bereits den Markt. Das macht es für Gesetzgeber und Kritiker schwierig, mitzuhalten. Einige Auswirkungen von Airbnb zeigen sich aber erst über die Zeit. Schauen Sie nach San Francisco. Makler berechnen dort den Wert eines Hauses aufgrund der möglichen Mieteinnahmen, wenn sie es auf Airbnb stellen. So wird der spekulative Wert des Eigentums erhöht. Die Verlierer sind die Mieter mit kleineren Geldbeuteln.

Beobachter: Alle Sharing-Economy-Firmen produzieren Datenschätze: die Profile ihrer Kunden. Wie werden die Daten verwendet? 
Scholz: Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Eine Bekannte von mir brach sich das Bein. Sie nutzte Uber, um ins Büro zu fahren. Nach zwei Wochen schnellte der Preis in die Höhe. Sie nahm dann das Handy ihres Mannes und bestellte einen Uber-Fahrer – zu einem viel tieferen Preis. Kunden-daten werden verwendet, um unsere Routinen zu erkennen. Wenn wir auf einen Service angewiesen sind, steigt der Preis. Und wenn der Akku Ihres Telefons schwach ist, weiss das Uber auch. Dann wird ebenfalls ein höherer Fahrpreis fällig. 

Beobachter: Sie sind Mitgründer der internationalen Bewegung «Platform Cooperativism». Was steckt dahinter? 
Scholz: Was wäre, wenn eine Art Uber den Fahrern gehören würde? Wenn die Bewohner einer Stadt wie Amsterdam oder Barcelona gemeinsam Übernachtungsmöglichkeiten anbieten würden, ähnlich wie Airbnb? Auf www.platform.coop vernetzen wir Organisationen miteinander, die genossenschaftlich organisiert sind. Wichtig ist uns, dass alle Beteiligten mitbestimmen können und sich die Allgemeinheit ein Stück vom Kuchen der kommerzialisierten Sharing Economy holt. Solche Plattformkooperativen sind in den USA und Australien, aber auch in Deutschland, Italien, Spanien und sogar in Kenia geplant.

 

Das Interview wurde schriftlich geführt und aus dem Englischen übersetzt.

 

 Axel Springer hält eine Minderheitsbeteiligung an Airbnb. Ringier und Axel Springer betreiben in der Schweiz ein Joint Venture, das unter anderem den Beobachter herausgibt.

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Quelle: Christian Beutler/Keystone