Es war an einem strahlenden Sonntagnachmittag. Kater Kiri spazierte über ein Quartiersträsschen in Dornach. Bremsen quietschten – doch zu spät: Kiri wurde vom Auto angefahren; das linke Bein des Langhaartigers wurde bis auf die Knochen aufgerissen. Sofort fuhr Renate Galloni den verletzten Kater zur Notärztin. Diese stabilisierte Kiris Kniegelenk mit einer Platte und acht Schrauben.

Acht Wochen lang musste der Kater im Gips gehen. Die Behandlung kostete 3000 Franken. «Manche Bekannte fanden, sie würden nie so viel Geld für ein Tier ausgeben», sagt Galloni. Die hohen Tierarztkosten hätten sich jedoch für sie gelohnt. «Der Kater war erst zwei Jahre alt. Zudem haben wir ihn gern.»

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«Wie Familienmitglieder»
Renate Galloni verzichtete darauf, dem Autofahrer eine Rechnung zu schicken – dem Frieden zuliebe, denn er wohnt in der Nachbarschaft. Der Mann hätte ohnehin nicht für die Tierarztkosten aufkommen müssen, denn laut Obligationenrecht ist Kater Kiri eine «Sache», nicht anders als ein Fussball oder eine Waschmaschine.

Kiri «verunfallte» auch nicht, sondern wurde «beschädigt». Rechtlich gesehen handelte es sich um einen «Totalschaden»: Dafür hätte der Automobilist höchstens 300 Franken bezahlen müssen.

Seit 1. April 2003 gilt das Tier nicht mehr als Sache. Wird ein Haustier angefahren, muss der Verursacher einen angemessenen Beitrag an die Heilungskosten zahlen. Die Höhe der Kosten richtet sich danach, «wie sich ein verständiger Eigentümer und Tierhalter in der konkreten Situation verhalten würde, falls er selber für die Heilungskosten aufkommen müsste», erläutert die Rechtskommission des Ständerats.

Nebst den Heilungskosten kann der Eigentümer bei Verletzung oder Tötung eines Haustiers auch ein Schmerzensgeld fordern. «Diese Bestimmung schützt auch die Gefühle des Halters gegenüber dem Tier», sagt Antoine Goetschel, Geschäftsführer der Stiftung für das Tier im Recht. «Für viele Menschen sind Tiere wie Familienmitglieder.» Für eine überfahrene Katze oder einen getöteten Hund ist laut Goetschel eine Genugtuungssumme von einigen hundert Franken angebracht.

Von der tiefen Zuneigung zum Tier zeugen zahlreiche Testamente, in denen die Vierbeiner als Erben eingesetzt werden. Früher konnten sie nicht erben, weil sie eine «Sache» waren. Nach neuem Gesetz verpflichtet eine testamentarische Verfügung zugunsten eines Tiers die Erben, dieses artgerecht zu pflegen. Ein Tierschutzverein könnte die Erfüllung dieser Auflage sogar gerichtlich einfordern.

Haustiere werden auch nicht mehr gepfändet. Nach altem Recht konnten sie zum Schuldenabbau zwangsverwertet werden. Eine harte Massnahme für Menschen in Not, sind Tiere doch oft eine wichtige seelische Stütze.

Die Gesetzesänderung kommt auch all jenen zugute, die ein Findeltier adoptieren möchten, wie Maja Metzger aus Winterthur. Sie hatte beim Tierambulanzverein in Winkel einen fünfjährigen Affenpinscher für 400 Franken erworben. Zu Hause traf sie fast der Schlag, als sie den vermeintlichen Kaufbeleg studierte: «Quittung für freiwilligen Gönner-Beitrag», stand darauf. Und weiter: «Die Findeltiere stehen nicht im Eigentum des Vereins und werden deshalb auch nicht verkauft, sondern in Pflege gegeben.»

(Fast) alles zum Wohl des Tiers
Tatsächlich können Eigentümer verlorene Sachen während fünf Jahren zurückverlangen. Bis Ende März 2003 galt dies auch für Tiere. Seither jedoch werden die Finder von Tieren schon nach zwei Monaten zu deren Eigentümer. Zuvor müssen die zugelaufenen Tiere jedoch bei einer speziellen Meldestelle registriert werden.

Das neue Tierrecht hat auch Konsequenzen für Scheidungspaare: Künftig wird das Tier jenem Partner zugeteilt, der die bessere Unterkunft bietet oder die stärkere Beziehung zum Tier hat – entscheidend ist das Tierwohl (mehr Infos).