Es geht auch ohne Messer
Wenn Krampfadern Beschwerden machen, sollte man sie behandeln lassen. Mittlerweile gibt es dafür sanfte Methoden.
aktualisiert am 29. August 2018 - 13:53 Uhr
Krampfadern sind ein kleines Tabu. Sie sind nicht schön, meist auch Zeichen fortschreitenden Alters. «Ab 70 haben zwei von drei Männern und Frauen Krampfadern in irgendeiner Form», sagt der Venenspezialist Jürg Hafner vom Unispital Zürich. Die feinen Besenreiser schimmern rötlich-bläulich durch die Haut, meist rund um das Fussgelenk oder an den Beinen, und breiten sich mit der Zeit aus. Richtige Krampfadern treten dagegen sehr deutlich fühl- und sichtbar als Knoten unter der Haut hervor. Besenreiser und die meisten Krampfadern sind jedoch nur ein kosmetisches Problem. «Nur etwa jeder Zehnte braucht eine Behandlung.»
Warum entstehen Krampfadern? «Die familiäre Belastung ist der wichtigste Faktor», sagt Beatrice Amann-Vesti, Fachärztin für Angiologie an der Privatklinik Hirslanden. Zunehmendes Alter, Schwangerschaft, Übergewicht, langes Stehen und Sitzen im Job fördern die Entstehung. Dabei werden die Wände der grösseren Venen mit der Zeit schwächer, und so erweitert sich ihr Durchmesser. Das überfordert die Klappen in den Venen, die das Zurückfliessen des Blutes verhindern sollen: Sie können sich dem neuen Durchmesser nicht anpassen. Das Blut staut sich, es kommt zu den knotenartigen Ausbuchtungen unter der Haut.
Anfänglich ist das eher lästig als gefährlich. Studien zeigen, dass Krampfadern bei Männern vor allem zu Juckreiz an den Beinen führen; Frauen nennen zusätzlich Schmerzen, Spannungsgefühle und schwere Beine als Symptome. Meist verschlimmern sich die Beschwerden durch langes Stehen und verbessern sich, sobald die Beine bewegt oder hochgelagert werden, da dadurch das Blut wieder besser fliesst.
«Am Anfang ist ein Kompressionsstrumpf sicher eine sehr gute Therapie. Verhindern kann man das Fortschreiten damit aber nicht», sagt Beatrice Amann-Vesti. Der Strumpf vermindert den Druck in der Vene und verbessert den Blutfluss – aber nur solange er getragen wird. Er kann die ausgeleierten Venenwände nicht heilen. Trotzdem empfiehlt sich eine Probe mit Strümpfen, um zu sehen, ob die Beschwerden auch wirklich von den Krampfadern stammen. Denn die Symptome könnten auch muskulär bedingt sein oder von der Wirbelsäule her kommen.
Es sind auch viele Venenmittel in Tabletten- oder Salbenform erhältlich. Sie sollen verhindern, dass sich die Venenwände weiten. Ein wissenschaftlicher Nachweis für den Nutzen dieser Präparate steht aus. Die deutsche Zeitschrift «Ökotest» empfiehlt dennoch Präparate, die einen alkoholischen Trockenextrakt aus den Samen der Rosskastanie enthalten. In Studien konnten diese Extrakte nach mehrwöchiger Einnahme nicht nur Schmerzen, Wasseransammlungen und Juckreiz verringern, sondern auch den Umfang der Beine vermindern. Die Mittel würden andere therapeutische Massnahmen ergänzen.
Wenn die Krampfadern bereits stark ausgeprägt sind, man durch die Beschwerden im Alltag eingeschränkt ist und es zu Hautauffälligkeiten wie der typischen bräunlichen Verfärbung im Knöchelbereich kommt, ist eine Therapie angezeigt. «Es gilt dabei unbedingt, ein offenes Bein zu verhindern, also eine sehr schlecht heilende Wunde», sagt Beatrice Amann-Vesti.
Jahrzehntelang war die chirurgische Entfernung der erkrankten Vene durch das Stripping üblich: In Narkose oder Spinalbetäubung wird die kranke Vene durch einen kleinen Schnitt in der Leiste oder der Kniekehle herausgezogen. Doch in den letzten Jahren haben nichtinvasive ambulante Therapiemöglichkeiten mit Laser oder Radiofrequenz das Stripping als Standardbehandlung abgelöst. Der Grund: «Das Ergebnis der sanften Methoden ist der Operation mindestens ebenbürtig», sagt Venenspezialist Daniel Staub vom Unispital Basel. Das Infektions- und Blutungsrisiko ist gering, die Patienten hätten weniger Schmerzen, sie könnten schneller wieder gehen, seien nach wenigen Tagen wieder arbeitsfähig.
«Die neueren Methoden werden heute in den Leitlinien der Fachgesellschaften als erste Wahl genannt», sagt Experte Staub. Das Vorgehen: Unter örtlicher Betäubung und Ultraschallkontrolle wird durch eine Hohlnadel ein Katheter in die erkrankte Vene geschoben. Dieser erhitzt die Vene mittels Laser oder radiofrequenter Heizspirale – und verschliesst sie so von innen. Der Körper baut die lahmgelegte Vene mit der Zeit von selbst ab.
Bei Besenreisern bewährt sich hingegen eher die Schaumsklerotherapie: Sie verschliesst die Vene chemisch, durch das Einspritzen einer schaumförmigen Substanz. «Die sanften Methoden ersetzen in den meisten Fällen das chirurgische Stripping», sagt Beatrice Amann-Vesti. Falls die Krampfadern aber über zehn Millimeter Durchmesser haben, sich über mehrere Venen ausdehnen oder so verschlängelt sind, dass der Katheter nicht vorgeschoben werden kann, bleibt nur noch die chirurgische Entfernung. Ein langes Hinausschieben einer Therapie ist daher keine gute Idee – eine nichtinvasive Behandlung ist dann eventuell nicht mehr möglich. Das renommierte Fachblatt «The New England Journal of Medicine» untersuchte die Wirksamkeit der verschiedenen Methoden an 785 Patienten. Nach dem Eingriff berichteten alle von einer etwa gleich grossen Verbesserung in ihrer Lebensqualität, unabhängig von der Methode.
Wichtig für den Erfolg ist aber, wie dauerhaft die Methode die Vene verschliesst, damit an der behandelten Stelle nicht erneut Krampfadern auftreten. Die grösste Erfolgsrate hatte dabei die Lasertherapie: Nach sechs Monaten waren 82 Prozent aller damit behandelten Venen noch vollständig verschlossen. Ein ähnlich gutes Ergebnis brachte das Stripping. Die Schaumsklerotherapie lieferte hingegen nur bei jeder zweiten Vene das gewünschte Ergebnis. Sie eignet sich daher für Patienten, bei denen ein chirurgischer Eingriff vermieden werden sollte, oder für die Therapie von Besenreisern.
Während des Eingriffs kam es bei der Lasertherapie am wenigsten häufig zu Komplikationen. Erst nach einiger Zeit können sich bei Stripping und Lasertherapie vorübergehende Gefühlsstörungen auf der Haut entwickeln; bei der Schaumsklerotherapie kam es dagegen häufig zu Spannungsgefühlen oder Hautverfärbungen.
Auch die unabhängige Forschungsgemeinschaft Cochrane wertete die Daten von über 3000 Patienten mit Krampfadern aus und bezog daneben auch noch die radiofrequente Heizspirale mit ein. Ergebnis: Alle drei nichtinvasiven Methoden erwiesen sich als gleichberechtigt zum Stripping.