Kommentar zum Geschäft mit der Nachhaltigkeit
Hauptsache grün
Nachhaltige Marken füllen die Einkaufstaschen, gerade in der Weihnachtszeit. Wirklich nachhaltig ist das nicht.
Veröffentlicht am 20. Dezember 2021 - 11:08 Uhr
Der Shopping-Motor läuft auf Hochtouren: Black Friday, Cyber Monday, Adventszeit, Weihnachten. Auch für jene, denen beim Geshoppe der Klimawandel hochkommt, ist was dabei: nachhaltige Brands. Etwa die französische Marke Veja. Kaum ein Geschäft wirbt nicht mit deren veganen Superöko-Fairtrade-Sneakern, vom Globus bis zum hippen Skater-Shop. Und die Kunden greifen zu.
Auch die wattierten Outdoor-Jacken von Patagonia aus recyceltem Material sind ein Muss für jedes Winter-Outfit. Gutes Gewissen inklusive.
Dabei wirbt Patagonia eigentlich für Konsumverzicht. Vor ein paar Jahren schaltete das US-Unternehmen zum Black Friday ein ganzseitiges Inserat in der «New York Times» mit dem Bild eines ihrer Faserpelze. Dazu der Aufruf: «Kauft diese Jacke nicht!» Das Resultat: Die Kundinnen und Kunden kauften besonders viele Patagonia-Jacken. Die Umsätze des Unternehmens stiegen in den letzten Jahren zweistellig.
Eine Koketterie
Wie nachhaltig kann das sein? Gar nicht. Vor allem dann nicht, wenn man statt einer plötzlich drei Patagonia-Jacken im Schrank hängen hat. Die sogenannte Rebound-Forschung zeigt sogar: Wer aus Umweltbewusstsein an einem Ort spart, gibt oft an einem anderen mehr aus. Man hat es sich ja verdient. Umso reizvoller für Firmen, mit Nachhaltigkeit das Geschäft anzukurbeln.
Auch Sneaker-Hersteller Veja kokettiert mit dem Verantwortungsbewusstsein. Die Firma könnte locker zehnmal grösser sein, sagen die Gründer, zwei ehemalige Investmentbanker. «Aber wir gucken einfach anders auf den Kapitalismus. Wachstum funktioniert nicht unbegrenzt, und nur Geldverdienen macht auf Dauer nicht glücklich.» Einfach gesagt, wenn man jedes Jahr ein sattes Umsatzwachstum hinlegt.
Ohne das Versprechen, «nachhaltig», «grün» oder «umweltfreundlich» zu sein, lässt sich heute nicht mehr gut wirtschaften. Das haben die meisten Firmen begriffen. Wenn sie einen «Purpose», Sinn, neben dem reinen Geldverdienen definieren, fliessen auch mehr Investorengelder.
Pech für die Guten
Vielen Unternehmen genügt Nachhaltigkeit auch als banales Schlagwort. Hinter dem politischen Engagement für gewisse Zwecke oder Gruppierungen steckt oft nicht mehr als heisse Luft.
Böse Stimmen werfen den aktivistischen Firmen dann nicht nur «Greenwashing» , sondern auch «Purposewashing» oder «Wokewashing» vor. So warb Nike unlängst mit einer Gleichstellungskampagne, kürzte dann aber schwangeren Sportlerinnen die Sponsoring-Gelder. Das löste zwar einen Shitstorm aus, weniger gekauft wurde aber nicht.
Was hinter den grossen Versprechen der Firmen steht, ist den meisten Konsumentinnen und Konsumenten schlicht egal. Etwa. ob Nachhaltigkeitsstandards wirklich von allen Zulieferern und Subunternehmen in den komplexen Lieferketten eingehalten werden. Oftmals haben die Marken selber die Übersicht verloren. Dass all die Fragen hinter den grünen Versprechen unbeantwortet bleiben, erhitzt weder die Gemüter der Kunden noch die Firmen selber. Hauptsache, die Story überzeugt.
Pech für Unternehmen, die sich tatsächlich Mühe geben, etwas zu verbessern. Patagonia etwa ist der Widerspruch zwischen wachsenden Umsätzen und Umwelt-Engagement durchaus bewusst. Der neue Chef will daher die Reissleine ziehen und verkündet einen Wachstumsstopp. Das Wort Wachstum will er sogar aus jeglichen Firmenberichten verbannen. Eine gute Story! Die Kunden werden sie wohl kaufen. Und Patagonia dürfte Rekordumsätze einfahren.
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