«Es bringt nichts, wenn Sie einem Hochhausbewohner ein Rasenmäherangebot schicken», sagt Rene Koller, Fachgruppenleiter für Adresshandel im Schweizer Direktmarketing Verband (SDV). Treffender lässt sich nicht ausdrücken, worauf es im modernen Direktmarketing ankommt: auf das gezielte Anschreiben von möglichen Kundinnen und Kunden. Herzstück dieser Werbestrategie ist also die «richtige» Adresse potenzieller Interessenten.

Partnerinhalte
 
 
 
 

«Richtig» heisst längst nicht mehr bloss, dass Name, Strasse und Wohnort stimmen, sondern dass die entsprechende Person mit möglichst vielen Zusatzmerkmalen «veredelt» ist, wie dies die Adresshändler nennen. So ist eine Privatperson in einer gut geführten Datenbank nicht nur mit Adresse, Telefon- und Faxnummer gespeichert. Daneben werden auch berufliche Stellung, geschätztes Einkommen, Alter, Zivilstand, Anzahl Kinder, Haushaltgrösse, Einkaufs- und Konsumgewohnheiten und vieles mehr vermerkt. Die Firma Schober – eine grosse Schweizer Adresshandelsfirma – besitzt beispielsweise pro Person bis zu hundert Merkmale. Und das von fünf Millionen Privatpersonen.

Basis dieser Informationen bildeten die Adressen der ehemaligen PTT. Die heutige Swisscom verkauft seit Anfang 1998 keine Adressen mehr. Um die Adressen zu «veredeln», arbeiten die Adresshändler mit verschiedensten Quellen, etwa dem Telefonbuch und dem «Handelsamtsblatt» oder mit Branchenverzeichnissen. Spezialisierte Verlage werten Heirats-, Geburts- und Konkursanzeigen in Amtsblättern aus. Weitere Hinweise liefern Wettbewerbstalons. Und rund 400 Firmen vermieten die Adressen ihrer Kundinnen und Kunden.

Die auf diese Weise gesammelten Daten bieten Adresshändler für 40 bis 60 Rappen pro Adresse (einmalige Verwendung) an.

Je mehr Zusatzmerkmale eine Adresse aufweist, umso teurer ist sie.

Wer sich über Werbepost ärgert und davon verschont bleiben will, sollte deshalb das Beobachter-Abc kennen:

Adressierte Werbung:
Die Post ist verpflichtet, persönlich adressierte Sendungen abzuliefern. Gegen adressierte Werbung kann man sich aber mit spezifischen Massnahmen wehren (->Robinsonliste, ->Vorbeugen). Allerdings gibt es Firmen (etwa Ambassador, Sana + Casa, Göde, Garantie-Versand, Reuille, Monika Mail, DHS), die sich keinen Deut darum scheren, wenn Kunden sie auffordern, ihre Adresse zu streichen. Hier hilft nur, der Firma mit einem eingeschriebenen Brief mit einer Klage zu drohen (->Datenschutz).

Briefkasten:
Er gehört zur Wohnung. Deshalb ist es allein Mieterinnen und Mietern überlassen, ob sie einen Stopp-Kleber anbringen wollen.

Datenschutz:
Die Verwendung öffentlicher Daten (etwa aus dem Telefonbuch) für Werbezwecke ist grundsätzlich zulässig. Sobald aber jemand seine Adresse für Werbezwecke sperrt, darf sie nicht mehr verwendet werden. Das Datenschutzgesetz (DSG) verpflichtet den Empfänger eines Sperrwunsches, die Adresse aus der Kartei zu streichen und sie nicht an Dritte weiterzugeben. Der Adresshändler muss auf Anfrage zudem Auskunft über die gesammelten Daten geben.

E-Mail-Werbung:
Elektronische Werbung (Spamming) lässt sich nur mit technischen Mitteln verhindern. Provider kennen entsprechende Softwarelösungen. Geben Sie Ihre eigene E-Mail-Adresse nicht überall weiter.

Faxwerbung:
Geben Sie die Faxnummer nur gezielt weiter, lassen Sie sie im ->Telefonbuch mit einem * versehen. Senden Sie unerwünschte Werbung zurück, und verlangen Sie die Streichung Ihrer Nummer aus der Kartei. Gegen hartnäckige Faxabsender können Sie klagen (->Politwerbung).

Gemeinde:
Nach wie vor verkaufen viele Gemeinden die Adressen ihrer Einwohner an Adresshändler. Erkundigen Sie sich bei der Einwohnerkontrolle Ihres Wohnorts nach deren Praxis. Wer keine Weitergabe wünscht, kann seine Adresse sperren lassen.

Politwerbung:
Ob Werbesendungen von politischen Parteien und Organisationen trotz ->Stopp-Kleber in den Briefkasten geworfen werden dürfen, ist strittig. Senden Sie sie unfrankiert mit dem Vermerk «refuse» zurück. Nützt das nichts, lässt sich nach einem Entscheid des Bezirksgerichts Zürich auf Beseitigung und Unterlassung zukünftiger Störungen klagen (Artikel 928 ZGB).

Postfach:
Wie den ->Briefkasten kann man auch das Postfach für unadressierte Werbung sperren. Eine Mitteilung ans Postbüro genügt.

Robinsonliste:
Wer keine Werbung will, sitzt wie Robinson einsam auf der Insel – so die Sicht der Werbebranche. Daher der Name «Robinsonliste». Ein Ehrenkodex verpflichtet die Mitglieder des SDV, diese Adressen bei ihren Werbeaktionen auszusortieren. Zurzeit umfasst die Sperrliste 95'000 Adressen. Der Eintrag ist schriftlich vorzunehmen und ist gratis.

Stopp-Kleber:
Gegen ->unadressierte Werbung hilft ein «Stopp-Kleber» am ->Briefkasten (Bezugsadresse siehe unten). Der Kleber basiert auf einem Abkommen zwischen Konsumentenorganisationen, privaten Verträgerunternehmen und der Post. Ausgenommen sind amtliche Mitteilungen von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie amtliche Anzeiger und Zeitungen, die als amtliches Publikationsorgan gelten.

Telefonbuch:
Von den rund fünf Millionen Einträgen im Telefonbuch ist etwa ein Viertel mit einem Stern (*) markiert. Er bedeutet, «dass keine Werbeanrufe und Werbesendungen erwünscht sind und dass die Adresse nicht für Werbezwecke weitergegeben werden darf». Der Stern gilt sowohl in gedruckten wie in elektronischen Verzeichnissen und ist mit dem hinten im Telefonbuch eingehefteten Meldeformular (Punkt D) zu verlangen. Seit Anfang 1998 ist der Eintrag ins Telefonverzeichnis übrigens freiwillig.

Unadressierte Werbung:
Direktwerbung umfasst ->adressierte oder unadressierte Werbung. Letztere wird direkt in die Briefkästen verteilt, zum Beispiel als Flugblatt, Broschüre, Katalog, Prospekt, Gratisanzeiger oder Warenmuster. Gegen diese Streu- oder Wurfreklame hilft der ->Stopp-Kleber am ->Briefkasten.

Vorbeugen:
Wenn Sie sich vor unerwünschter Werbung schützen wollen, notieren Sie überall, wo Sie Ihre Adresse hinterlassen, «Adresse nur für diesen Zweck verwenden» oder «Weitergabe an Dritte nicht gestattet» (Kleber dazu siehe unten). Generell empfiehlt es sich, die Adresse so wenig wie möglich weiterzugeben. Steckt unerwünschte adressierte Werbung im Briefkasten, streichen Sie Ihre Adresse auf dem Originalkuvert, notieren Sie «refuse – Adresse aus der Kartei streichen», und werfen Sie die Sendung unfrankiert in den nächsten Briefkasten. Das Porto muss der Absender tragen.

Wettbewerbe:
Wettbewerbe oder Verlosungen sind reizvoll, aber zweischneidig. Denn dem Veranstalter geht es primär um neue Adressen und Personendaten. Ihre Daten hinterlassen Sie auch, wenn Sie Produkte und Informationsmaterial bestellen, Formulare ausfüllen, mit Kreditkarten bezahlen oder Kunden- und Rabattkarten verwenden.

Zügeln:
Melden Sie nicht nur allen wichtigen Stellen Ihre neue Adresse, sondern erneuern Sie auch die gewünschten Werbesperren (->Gemeinde, ->Robinsonliste, ->Telefonbuch).

Auch der Beobachter kommt nicht darum herum, mit adressierten Werbesendungen neue Abonnenten zu gewinnen. Dabei hält er sich jedoch streng an die Robinsonliste und eine zusätzliche, intern geführte Liste von Leuten, die keine Werbung wünschen. Die Adressen von Abonnenten vermittelt der Beobachter nicht weiter.

Weitere Infos und Refuse-Kleber

  • Schweizer Direktmarketing Verband (SDV), «Robinsonliste», Postfach, 8708 Männedorf
  • Konsumentenforum Schweiz (KF), Postfach, 8037 Zürich. Briefkasten-Kleber Fr. 1.50; Refuse-Kleber 2 Franken (24 Stück)*
  • Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), Postfach, 3000 Bern 23. Briefkasten-Kleber, Refuse-Kleber (12 Stück), Kleber «Adresse nur einmal verwenden» (45 Stück) je dreimal 90 Rappen*

* Betrag in Briefmarken sowie ein adressiertes, frankiertes Antwortkuvert beilegen