Macht das Sinn?
Öffentliche Plätze und Verkehrsmittel sind potenzielle Anschlagsziele. Deshalb entscheiden sich Schweizer Firmen wie die SBB oder der EuroAirport Basel für Terrorversicherungen. Ist das wirklich nötig?
aktualisiert am 7. Oktober 2016 - 13:19 Uhr
Durch die Anschläge in Brüssel, die Axt-Attacke in der deutschen Bahn und die LKW-Tragödie in Nizza sind Terroranschläge in unmittelbare Nähe gerückt. Erste Schweizer Firmen ziehen nun Konsequenzen: Wie der Tages-Anzeiger berichtete, haben unter anderem die SBB, der EuroAirport Basel und das Zürcher Opernhaus Terror-Haftpflichtversicherungen abgeschlossen. Weitere Unternehmen wie der St.-Jakobs-Park sowie das Hallenstadion ziehen solche Versicherungen in Erwägung.
Entstanden sind Terrorversicherungen als Folge des 11. September 2001. Ereignisse dieser Grössenordnung stellen Risiken dar, welche immense Kosten bei den Versicherern auslösen können. Ein weiteres Problem: Anschläge tangieren eine Vielzahl von verschiedenen Versicherungsverträgen, darunter Haftpflicht-, Hausrat- und Lebensversichterung. Wer bezahlt also wofür?
«9/11 hat dazu geführt, dass Terror bei Unternehmensversicherungen generell ausgeschlossen wurde», so Nathalie Vidal, Mediensprecherin Zürich Versicherung. Vor dem Anschlag waren Explosionsereignisse und Feuerschäden im Rahmen der jeweiligen Versicherungslösungen uneingeschränkt eingeschlossen. Danach haben sich Terror-Zusatzversicherungen als eigenständiges Produkt entwickelt.
«In der Schweiz wie auch weltweit ist die Nachfrage nach Terrordeckungen in den vergangenen zwölf Monaten merklich gestiegen», sagt Christof Bentele, Head of Global Crisis Management bei Allianz Global Corporate & Speciality. Auch die Mobiliar, AXA Winterthur und Helvetia verzeichnen eine Zunahme der Anfragen.
Interessenten sind grössere Unternehmen an zentraler Lage, öffentliche Einrichtungen, Transportbetriebe, Hotels, Spitäler, Verkaufsgeschäfte, Event- oder Messeveranstalter. Zwar kommen gelegentlich auch Anfragen von verunsicherten Privatpersonen, diese können laut Nathalie Vidal jedoch schnell beruhigt werden: «Eine Privatperson ist für Verletzungen infolge eines Terrorangriffs versichert, wenn sie über eine obligatorische Unfallversicherung verfügt.»
Meist handelt es sich bei den Angeboten nicht um gesonderte Versicherungen, sondern um zusätzliche Bausteine zur Grundversicherung. Eine Terror-Zusatzdeckung kann sinnvoll sein, wenn die individuelle Versicherungssumme eines Bauwerks die 10-Millionen-Grenze übersteigt. Nach Anschlägen übernimmt die Zusatzdeckung grössere Sachschäden, Vermögensschäden sowie Betriebungsunterbrechungen. Eine Terror-Haftpflichtversicherung kommt zum Zug, wenn das Unternehmen für Terroranschläge haftbar gemacht werden kann – beispielsweise bei Fehlern der Sicherheitskontrolle. Auf Empfehlung eines Versicherungsbrokers hat sich auch das Zürcher Opernhaus für eine solche Deckung entschieden. «Wir schätzen die Gefahr sehr gering ein, dennoch kann man sie nicht zu 100% ausschliessen», so Pressereferentin Julika Weinecker.
Bei der Mobiliar bleibt es laut Mediensprecher Jürg Thalmann jedoch in vielen Fällen bei einer Abklärung: «Es stellte sich meistens heraus, dass die Grunddeckung ausreichend ist. Nur rund 150 (Gross-)Kunden haben die Versicherungssumme bei Sachschäden um eine Zusatzdeckung erhöht.» Die Helvetia bestätigt diese Beobachtung: Nach Anschlägen bekommt die Versicherung zwar deutlich mehr Anfragen, diese nehmen jedoch schnell wieder ab.
Seit ihrer Einführung wurden Terrordeckungen bei der AXA Winterthur, Helvetia, Mobiliar, Zürich Versicherung und Allianz innerhalb der Schweiz noch nicht beansprucht.
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