Die Recherche des Beobachters sorgte im Frühling für Schlagzeilen: Walter Gerzner, 76, erzählte nach Jahrzehnten des Schweigens, wie er in den 1950er-Jahren als Kind von einem Pater des Klosters Einsiedeln in dessen Kammer beordert wurde und dort von ihm sexuell missbraucht wurde.

Walter Gerzner lebte mit seinen sechs Geschwistern im damaligen Waisenhaus, der Pater erteilte im Dorf Religionsunterricht.

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Als sich Walter Gerzner an den Abt Urban Federer wandte, passierte nichts. Erst als sich der Beobachter einschaltete, reichte der Abt eine Strafanzeige ein und meldete den Fall in Rom. Weil die mutmassliche Tat strafrechtlich längst verjährt ist, nahm die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz den Fall gar nicht erst an, wie aus der entsprechenden Verfügung hervorgeht. 

Kircheninternes Verfahren

Kirchenrechtlich hat der Fall für den fraglichen Pater nun aber womöglich doch Konsequenzen. Der Vatikan hat den Antrag des Abts bewilligt und die Verjährung der mutmasslichen Tat aufgehoben, bestätigt Urban Federer: «Nun läuft ein kirchenrechtliches Verfahren.»

Wer es leitet und ob der Abt den fraglichen Pater mit den Vorwürfen konfrontiert hat, ist nicht klar. Federer will derzeit keine weiteren Fragen beantworten. Für den betagten Pater gilt die Unschuldsvermutung.

Walter Gerzner selbst reagiert mit Genugtuung auf das Verfahren. Den Übergriff, über den er während Jahrzehnten mit niemandem gesprochen hatte, beschäftigt ihn bis heute.

Während der Recherchen des Beobachters fuhr er nach Jahren wieder einmal nach Einsiedeln, besuchte das einstige Waisenhaus und auch die Klosterkirche. «Dieser Besuch hat mich grosse Überwindung gekostet.» Gerzner war aufgewühlt, heute ist für ihn klar: «Ich werde nie mehr nach Einsiedeln gehen.»

Untersuchungsbericht von 2010 bleibt geheim

Schon vor über zehn Jahren waren sexuelle Übergriffe im Umfeld des Klosters Einsiedeln ein Thema. 2010 setzte das Kloster eine externe Kommission ein, um die Vorwürfe zu untersuchen.

2011 präsentierte diese Kommission ein denkwürdiges Fazit: Seit den 1950er-Jahren haben sich 15 Mönche sexueller Übergriffe schuldig gemacht. Die Rede war von mindestens 40 Opfern. Ob diese Fälle kirchenrechtliche Folgen hatten, ist nicht bekannt. Der Schlussbericht ist bis heute unter Verschluss. 

Walter Gerzners Fall wurde damals nicht aufgegriffen, weil er von der Untersuchung nichts wusste. Gemäss Abt Federer ist der fragliche Pater im Untersuchungsbericht auch nicht erwähnt.

Hinweis:

Hier finden Opfer von Missbrauch im katholischen Umfeld Hilfe: Anlaufstellen, Gesuch um finanzielle Wiedergutmachung.