Ärztlicher Direktor von Münsingen im Ausstand
Jahrelang beschäftigte das Psychiatriezentrum Münsingen PZM Anhängerinnen der umstrittenen Kirschblüten-Gemeinschaft. Das deckte der Beobachter kürzlich auf. Jetzt reagieren Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.
Veröffentlicht am 15. Februar 2022 - 16:51 Uhr,
aktualisiert am 21. Juni 2022 - 17:08 Uhr
Anhängerinnen der fragwürdigen Kirschblütengemeinschaft weht nach der Beobachter-Berichterstattung
ein eisiger Wind entgegen. Einige mussten bereits ihren Arbeitsplatz räumen.
Psychiaterin A.L.* (Name der Redaktion bekannt) konnte nach ihrem Abgang vom Psychiatriezentrum Münsingen in der Aargauer Privatklinik Barmelweid anheuern. Dass sie Anhängerin der Bewegung ist, hatte sie beim Einstellungsgespräch verschwiegen.
«Die umstrittenen Haltungen der Kirschblüten-Gemeinschaft widersprechen klar unseren Grundsätzen und unserer psychotherapeutisch-medizinischen Ethik», schreibt die Klinik auf Anfrage des Beobachters. Man habe umgehend das Gespräch zu A.L gesucht, sie per sofort freigestellt und ihr fristgerecht gekündigt.
Die angesprochenen «umstrittenen Haltungen» beziehen sich auf die therapeutischen Methoden der Kirschblüten-Anhänger. Sie schliessen Sex zwischen Therapeut und Patient
und sogar mit Kindern nicht kategorisch aus und befürworten den Einsatz von Drogen in der Therapie.
Damit stossen sie bei den Fachverbänden auf grosse Kritik. Für den Dachverband Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie SGPP etwa ist die Gemeinschaft eine «gefährliche Bewegung mit totalitärem Anspruch, die Menschen mit Heilsversprechen ködert und elementare ethische Prinzipien verletzt, welche die Grundlage jeder seriösen und professionellen Psychotherapie bilden.»
Vertragsauflösungen in Bern und Baselland, Abwarten in Luzern
Die Psychologin R.N.*, Tochter des Gründers der esoterischen Gruppierung, wurde nach dem PZM Anfang Jahr bei den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern UPD angestellt. Dass sie eine Anhängerin der laut Experten sektennahen Gemeinschaft ist, war dort allerdings schneller als andernorts ruchbar geworden: «Der Vertrag wurde sofort nach Bekanntwerden ihrer Zugehörigkeit zur Kirschblüten-Gemeinschaft noch zu Beginn der Probezeit aufgelöst», lässt die UPD verlauten.
Einen etwas anderen Umgang mit dem Thema pflegt die Luzerner Psychiatrie Lups, die seit Mai 2021 die ehemalige PZM-Psychiaterin D. P.* beschäftigt. Man distanziere sich zwar ebenfalls von den Methoden der Kirschblütler, wolle sich aber nicht von D. P. trennen.
«Die besagte Mitarbeiterin, die sehr gute Arbeit leistet, hat uns nach Stellenantritt über ihre Mitgliedschaft respektive ihre Nähe zur Kirschblütlergemeinschaft informiert», heisst es auf Anfrage. Man habe daraufhin «ergänzend zum Arbeitsvertrag schriftliche Abmachungen und Verhaltensregeln getroffen, die auch überprüft wurden und werden». Man stehe mit der besagten Mitarbeiterin in engem Austausch und werde die Situation aktuell nochmals überprüfen.
Auf die Rückfrage, wie denn eine Mitarbeiterin kontrolliert werden kann, die im Home Treatment arbeitet, also alleine Hausbesuche macht, erklärt die Lups: «Die Überprüfung der Arbeitsqualität und -methoden erfolgt regelmässig durch die Vorgesetzten und auch durch regelmässige Patientenzufriedenheitsbefragungen.»
Auch der Mann von D.P. hat inzwischen seinen Job verloren. Bis vor kurzem war er auf dem Internetauftritt von Psychiatrie Baselland PBL als Mitarbeiter gelistet, mittlerweile ist sein Konterfei von der Website verschwunden.
«Der von Ihnen genannte Mitarbeiter arbeitet nicht mehr in der PBL. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir zu aktuell beschäftigten oder ehemaligen Mitarbeitenden der PBL aus Datenschutz- und Persönlichkeitsgründen keine Informationen übermitteln können», sagt Sprecher Thomas Lüthi.
Fachverband ist erleichtert, aber auch alarmiert
Bei der SGPP ist man vorerst erleichtert: «Wir begrüssen es sehr, dass die meisten der betroffenen Kliniken umgehend gehandelt haben», sagt der Vizepräsident Rafael Traber. «Für Therapeutinnen und Therapeuten mit einem solchen Therapieverständnis darf es in Schweizer Kliniken und generell in der Psychiatrie und Psychotherapie keinen Platz geben.»
Die SGPP ist aber alarmiert, dass – wie im Falle der Luzerner Psychiatrie und des Psychiatriezentrums Münsingen – bewusst Vertreterinnen und Vertreter der Kirschblütengemeinschaft angestellt worden sind, und dass sich diese Kliniken bis jetzt nicht davon distanziert haben.
Untersuchung am Psychiatriezentrum Münsingen eingeleitet – ärztlicher Direktor bis auf Weiteres im Ausstand
Eine externe Untersuchung soll Licht in die Geschehnisse und die allfälligen Auswirkungen auf den Klinikalltag bringen. Dies haben Verwaltungsrat und Geschäftsleitung des PZM beschlossen. Das Untersuchungsgremium ist prominent besetzt. Ihm gehören Erich Seifritz, Klinikdirektor an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, und Wolfram Kawohl, ärztlicher Direktor der Privatklinik Clienia Schlössli und Vizepräsident der Schweizerischen Vereinigung Psychiatrischer Chefärztinnen und Chefärzte, an. Hinzu kommen zwei auf interne Untersuchungen und Arbeitsrecht spezialisierte Vertreter der Zürcher Anwaltskanzlei Vischer.
Der ärztliche Direktor des Psychiatriezentrums Münsingen, Thomas Reisch, wird für die Dauer der Untersuchung in Ausstand treten. Er hatte für die Anstellungen der Kirschblüten-Anhängerinnen verantwortlich gezeichnet. Zudem führt er eine private Beziehung mit einer der beiden fraglichen Psychiaterinnen. Anhänger dieser Gemeinschaft vertreten Therapieansätze, die konträr zur gängigen Lehrmeinung stehen. Für Sektenexperten gilt die Gruppierung als sektennah.
Die Abklärungen des externen Expertengremiums erfolgen unabhängig von der beim Kanton Bern eingereichten Aufsichtsbeschwerde und einer Motion im Grossen Rat. «Selbstverständlich wird das PZM allfällige Abklärungen durch die kantonalen Behörden ebenfalls vollumfänglich unterstützen», sagt PZM-Verwaltungsratspräsident Jean-Marc Lüthi.
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8 Kommentare
Wenn A.L ihre Mitgliedschaft bei den Kirschblütlern verschwiegen hat , dann muss man sie nicht freistellen und dann fristgerecht kündigen, sondern sofort fristlos entlassen. Peter Kunz
Das Leben in der Schweiz ist immer noch vom Rechtsstaat geprägt. Die von ihnen propagierte, willkürliche Kündigung ohne das Vorliegen eines Fehlverhaltens wäre zum Glück einklagbar. Vielleicht profitieren Sie ja auch mal von diesem Sachverhalt.
1. Frage dazu an die betreffenden - sehr gut entlöhnten - Schweizer Psychiatrie-Leitungen, Klinik-"Managements": Wie ist es überhaupt möglich, dass "irgendwelche" Leute - ausgerechnet - in Psychiatrien arbeiten/wirken können?
Offensichtlich werden weiterhin KEINE notwendigen "Eignungs-Tests"(Fähigkeiten, Leumund, Charakter, Persönlichkeit,....) durchgeführt!?
Das ist wirklich ein Armutszeugnis für die Zuständigen der Leitungen/Managements,....!!
Menschen mit psychischen Problemen, Manko's, werden willkürlich, - "sogenannten" PsychiaterInnen, PsychologenInnen ausgeliefert!!!?
Als gibt es bis dato, klare Manko's hinter den gut getarnten "Mauern" von Psychiatrien, psychiatrischen Kliniken....!
Wer kontrolliert diese Leute überhaupt in der Schweiz???
Schweizer "Gesundheits-Un-Wesen" = Hauptsache, der Geldfluss stimmt!!!
Soviel zu ihren "irgendwelche Leute":
PsychiaterInnen sind ÄrztInnen, führen den Fachtitel FMH und haben eine Spezialausbildung für Psychiatrie und Psychotherapie. PsychologInnen haben ein Hochschulstudium in Psychologie geregelt im Bundesgesetz über die Psychologieberufe (PsyG). PsychotherapeutInnen haben zusätzlich zum Hochschulstudium in Psychologie eine mindestens vierjährige anerkannte Weiterbildung in einer oder zwei psychotherapeutischen Methoden absolviert. Denken Sie doch gerne ein bisschen nach, bevor Sie in Leserbriefen vor sich hinwettern.
Ich danke Ihnen, dass Sie die Machenschaften dieser Gemeinschaft helfen aufzudecken. Sie sind alle Opfer eines narzisstischen Gurus, der alleine seine Interessen durchsetzte, vorallem auf Kosten der vielen Frauen aber auch Männer und der Kinder in der Gemeinschaft und nicht weniger schlimm des gesamten Klientels.
Die nächste Hexenjagd. Das sind typische Boulevardthemen. Die Psychiaterinnen werden aufgrund ihrer Ausbildung und ihres Dossiers eingestellt worden sein und das ist richtig so. Wie sie privat leben, ist nicht Thema der Öffentlichkeit, besonders wenn wie hier keine persönlichen Straftaten vorliegen, sondern nur ein Bezug zu einer Gemeinschaft, die wohl in einigem nicht dem gesellschaftlichen Durchschnitt entspricht.
Für konkrete Vorwürfe ist zudem das Strafgesetz zuständig und nicht die moralisierende Gerüchteküche.
ich schliesse mich dem Kommentar von Stephan Lehmann an. Wie Mitarbeiter privat leben und denken, geht niemand etwas an, solange die Psychiaterinnen Ihren Auftrag im professionellem Kontext und im Auftrag vom Arbeitgeber erledigen. Für mich gleicht dieser Artikel ebenso einer Hexenjagd und ich finde diesen Artikel gefährlich für eine freie, liberale, sachliche und auch faire Meinungsauseinandersetzung in der Schweiz. Ich verweise daher auf die Stellungsnahme der Kirschblütengemeinschaft https://cdn.poxoq4web.com/docs… Somit kann man sich eine sachliche und faire Meinung bilden. Alles andere ist für mich einseitig und somit unwahr.