Das bernische Verwaltungsgericht hat Ende Dezember dicke Post erhalten. Deutlich über 100 Seiten umfasst die Beschwerdeschrift, mit der die Umweltorganisationen Aqua Viva und Grimselverein die Konzessionserteilung für den Bau des Triftstausees anfechten. «Die Trift ist eine bedrohte Wildnis und nicht erneuerbar», sagt Martina Munz, Präsidentin von Aqua Viva. «Wir dürfen sie nicht unserem unersättlichen Energiehunger opfern.»

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Der Bau des Staudamms sei für die Energiewende nur ein Tropfen auf den heissen Stein: Das Kraftwerk mit der 177 Meter hohen Betonmauer würde nur ein Hundertstel des Schweizer Winterstroms liefern. Die beiden Organisationen fordern stattdessen den konsequenten Ausbau der Solarenergie auf bestehenden Infrastrukturen im Unterland und in den Alpen.

Studien weisen gefährdete Arten nach

Die Beschwerde stützt sich auf drei neue wissenschaftliche Studien, die den hohen Wert von Gewässerfauna, Landschaft und Vegetation dokumentieren. Die Fachleute haben im Triftwasser zwei stark gefährdete Lebewesen der Roten Liste, zehn potenziell gefährdete und sieben national prioritäre Arten nachgewiesen. Auch im Gletschervorfeld leben gefährdete Arten, darunter das stark bedrohte Fleischers Weideröschen. Die Studien zeigen, dass das Trifttal hohe bis sehr hohe Landschaftsqualitäten aufweist, also besonders schützenswert ist. 

Aufgrund der neuen Studien müsste das Gebiet rund um den grössten natürlichen Gletschersee der Schweiz ins Bundesinventar der Auen von nationaler Bedeutung aufgenommen werden. Das Triftgebiet wurde jedoch seit 1995 aus politischen Gründen nicht mehr vom Bund kartiert, obwohl dies das Natur- und Heimatschutzgesetz vorschreibt. Jetzt sind die gefährdeten Lebewesen im Triftgebiet durch den geplanten Bau des Kraftwerks akut bedroht.

Werden Bundesgesetze verletzt?

Durch Überflutung, starke Pegelschwankungen und komplette Entleerungen würden sie ihre Lebensgrundlage verlieren. Die Beschwerdeschrift verweist auf eine ganze Reihe weiterer Bundesgesetze, die mit der Konzession für den Triftstausee verletzt würden. Darunter das Raumplanungs-, das Umweltschutz- und das Gewässerschutzgesetz. Kritisiert wird auch das Verfahren am Runden Tisch Wasserkraft, an dem 15 Projekte zur Umsetzung ausgewählt wurden – darunter die Trift. 

Pikant: Die Beschwerdeführer stützen sich auf Dokumente, die das Bundesamt für Energie (BFE) monatelang geheim hielt. Der Beobachter «befreite» sie gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz im Rahmen von zwei Schlichtungsverfahren beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten. Die Unterlagen enthüllen, wie die Energiekonzerne ihre profitabelsten Grossprojekte forcierten – und wie das Auswahlverfahren kurz vor Abschluss radikal verändert und verschleiert wurde.

Aqua Viva wurde vom Runden Tisch nicht eingeladen und fühlt sich nicht an die umstrittene Absprache gebunden, erklärt Martina Munz. Umso mehr, als die Abmachung von der Gegenseite bereits gebrochen worden sei: Zusätzlich zu den 15 definierten Bauten wird neu mit dem Flusskraftwerk Chlus im Bündnerland ein weiteres Vorhaben beschleunigt realisiert. Dabei hatte der Runde Tisch das Projekt ausdrücklich aussortiert, weil es die vereinbarten Kriterien an die Winterstromproduktion massiv unterschreitet. Wie es weitergeht, werden im Fall Trift nun die Gerichte entscheiden.