Der Wolf ist in der Schweiz wieder sesshaft geworden – und macht sich bemerkbar. Zehn Rudel mit Jungen gibt es inzwischen im Land. Ihre Reviere sind die Bergtäler im Wallis und Graubünden, das Hinterland von Bellinzona und die Wälder des Waadtländer Jura. Einzeltiere leben auch im Berner Oberland oder rund um den Säntis. Insgesamt sind in der Schweiz mindestens 100 Wölfe unterwegs. Sie ernähren sich von der Jagd auf Rehe, Wildschweine, Hasen und Vögel.

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Die Raubtiere rissen in den letzten Jahren aber jeweils auch über 300 Schafe und Ziegen. Um Konflikte mit Landwirten zu vermeiden und um zu verhindern, dass sich der Wolf unkontrolliert vermehrt, wollen der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments den Wolfsbestand regulieren. Wölfe sollen abgeschossen werden dürfen, wenn das sinnvoll erscheint. Ein neues Jagdgesetz setzt die Regeln fest. Weil ein breit abgestütztes Komitee von Naturschutzorganisationen das Referendum ergriffen hat, entscheiden am 27. September die Stimmberechtigten.

Wie sieht der Wolfsschutz heute aus?

Der Wolf steht unter Schutz. Nur wenn einzelne Tiere oder ein Rudel wiederholt Schaden angerichtet haben, darf es dezimiert oder der Einzelwolf abgeschossen werden. Wenn etwa ein Rudel innerhalb von vier Monaten 15 Nutztiere getötet hat, obwohl sie durch Zäune oder mit Hunden geschützt waren, dürfen einzelne Wölfe des Rudels abgeschossen werden. Ein Einzelwolf darf erst dann erlegt werden, wenn er innerhalb von einem Monat 25 Nutztiere gerissen hat oder 35 innerhalb von vier Monaten.

Bei der Dezimierung eines Rudels, muss der Bund seine Zustimmung geben, beim Abschuss eines Einzelwolfs nicht. Ebenfalls kann der Bund den Abschuss von Tieren erlauben, die die Scheu vor Menschen verloren haben.

Was erlaubt das neue Jagdgesetz?

Mit dem neuen Jagdgesetz müssen die Wölfe kein bestimmtes Mass an Schaden mehr angerichtet haben, damit sie abgeschossen werden dürfen. Es erlaubt, den Wolfsbestand «vorausschauend zu regulieren, um Schäden an Schafen und Ziegen zu verhindern», wie es im Abstimmungsbüchlein des Bundes heisst. Ziel ist, dass die Wölfe ihre Scheu vor Menschen behalten und lernen, sich von Weiden oder Ställen fernzuhalten. Weiter soll die Wolfspopulation nicht derart wachsen, dass sie den Bestand von anderen Wildtieren gefährdet oder aus Mangel an Beute Nutztiere angreift.

Es gelten aber weiterhin Einschränkungen: Die Population des Wolfes und der Fortbestand der heutigen Rudel darf nicht gefährdet werden. Abschüsse sind nur zwischen dem 1. September und dem 31. Januar erlaubt. Auch dürfen keine Tiere aus Rudeln vorausschauend getötet werden, die sich fernab von Schafherden oder Siedlungen aufhalten.

Was bedeutet «Bestandesregulierung»?

Eine Bestandesregulierung hat das Ziel, die Zahl der Wölfe nicht zu hoch werden zu lassen. Zu diesem Ziel darf maximal die Hälfte der Jungtiere eines Rudels abgeschossen werden. Sie würden später neue Rudel gründen. Alte Tiere zu töten ist nicht erlaubt.

Beim Abschuss eines einzelnen Wolfes geht es darum, ein bestimmtes Tier zu töten, damit es keinen Schaden mehr anrichtet. Mit dem neuen Gesetz muss er dafür keine bestimmte Anzahl Schafe oder Ziegen mehr getötet haben. Es genügt, dass er nachweisbar eine Bedrohung darstellt: Zum Beispiel, wenn er wiederholt versucht in Ställe einzudringen, Tiere auf Weiden angreift, obwohl sie von Elektrozäunen oder Herdenhunden geschützt sind, oder sich zu nahe an Dörfern aufhält.

Darf der Wolf gejagt werden?

Nein, für Jägerinnen und Jäger bleibt der Wolf tabu. Er gehört weiterhin zu den geschützten Tierarten und ist damit nicht «jagdbar», wie das etwa Rehe, Wildschweine oder Füchse sind. Nur Wildhüter dürfen Wölfe schiessen, und das nur auf Anordnung.

Wer ordnet einen Abschuss an?

Heute muss das Bundesamt für Umwelt eine Bestandesregulierung von Wölfen bewilligen. Mit dem neuen Jagdgesetz entscheiden die Kantone. Das ist ein langgehegter Wunsch jener Kantone, in denen es Wölfe gibt. Sie argumentieren, sie könnten besser beurteilen, wie stark und wann der Bestand von Wölfen reguliert werden müsse.

Die Kantone müssen gegenüber dem Bund aber weiterhin begründen, warum sie ein bestimmtes Rudel dezimieren oder einen Einzelwolf abschiessen wollen. Das Bundesamt für Umwelt teilt dann mit, ob der Eingriff seiner Einschätzung nach verhältnismässig ist. Die Kantone müssen diese Einschätzung aber nur noch «anhören», das heisst zur Kenntnis nehmen.

Sowohl Naturschutzorganisationen wie auch das Bundesamt für Umwelt können gegen einen geplanten Abschuss Beschwerde einreichen. Dann prüft das kantonale Verwaltungsgericht, ob die Verfügung rechtmässig ist, also den Vorgaben des Jagdrechts entspricht.

Was wird sonst noch neu geregelt?

Zusätzlich zum Wolfschutz regelt das revidierte Jagdgesetz noch andere Bereiche neu:
 

  • Schaf-, Ziegen- und andere Nutztierhalter bekommen bei Wolfsrissen nur noch dann eine Entschädigung, wenn sie versuchen, ihre Tiere durch Elektrozäune oder Herdenhunde zu schützen. Heute gibt es auch Geld, ohne dass sie Schutzmassnahmen ergriffen haben.
  • Bestandesregulierungen von geschützten Tierarten sind explizit nur beim Wolf und dem Steinbock gestattet. Heute ist diese Regelung weniger klar. Das neue Gesetz erlaubt dem Bundesrat aber, weitere Arten als regulierbar zu bezeichnen.
  • Verschiedene Wildtiere werden besser geschützt. Die meisten Wildentenarten etwa dürfen nicht mehr gejagt werden.
  • Damit die Lebensräume von Wildtieren auch in Zukunft vernetzt bleiben, dürfen rund 300 definierte Verbindungswege nicht verbaut werden. Wo nötig werden bei Strassen und Bahnlinien zusätzliche Brücken und Unterführungen erstellt.
  • Der Bund stellt den Kantonen mehr Geld zur Verfügung, um Schutzgebiete aufzuwerten und mehr Wildhüterinnen und Wildhüter einzusetzen.
  • Bauern müssen ihre Zäune so bauen, dass sie Wildtiere nicht verletzen.
Warum lehnen die Naturschutzverbände das neue Gesetz ab?

Von WWF über Pro Natura bis zu Birdlife und Zoo Schweiz – praktisch alle Natur- und Tierschschutzorganisationen der Schweiz lehnen das neue Jagdgesetz ab. Sie sprechen von einem «Abschussgesetz», das erlaubt, ein geschütztes Tier wie den Wolf «auf Vorrat» abzuschiessen, ohne dass es Schaden angerichtet hat. «Sie werden geschossen, weil sie da sind», schreibt das Referendumskomitee. Weiter kritisieren sie:

  • Der Wolfschutz werde gelockert, Ziegen- und Schafhalter aber nicht verpflichtet, ihre Tiere gegen den Wolf zu schützen.
  • Der Bundesrat kann jederzeit geschützte Tierarten wie Biber, Luchs, Fischotter oder Graureiher auf die Liste der regulierbaren Arten setzen. Zwar hat das Parlament bekräftigt, dass es das bei diesen Arten nicht will. Das neue Gesetz verwässere ihren Schutz dennoch, sagen die Naturschutzorganisationen.
  • Bereits mit dem heutigen Gesetz ist es für die Kantone möglich, Einzeltiere geschützter Arten abzuschiessen oder ihre Bestände zu regulieren. Es braucht dafür die Zustimmung des Bundes. Das sei richtig und solle so bleiben. Mit dem neuen Gesetz drohe in jedem Kanton eine andere Handhabung des Wolfsschutzes.
  • Das neue Gesetz habe es verpasst, bedrohte Tierarten wie Feldhase, Birkhahn, Schneehuhn und Waldschnepfe unter Schutz zu stellen – sie dürfen weiterhin gejagt werden. Ebenso bleibt die «grausame und nicht notwendige» Baujagd auf den Fuchs erlaubt.

Die Naturschutzverbände empfehlen deshalb, die vorliegende Revision des Jagdgesetzes abzulehnen. Das Parlament soll ein neues Gesetz schaffen, das Wildtiere angemessen schützt und den Wolfsbestand «pragmatisch» reguliert.

Was sagt der Bundesrat?

Der Bundesrat sieht das neue Jagdgesetz als «guten Kompromiss» und «sinnvollen Mittelweg» zwischen den Anliegen von Wildtierschützern und Nutztierhaltern: Der Wolf bleibe geschützt, sein Bestand könne aber gesteuert werden – bevor Schaden entsteht. Damit werde verhindert, dass Konflikte eskalieren und verstärkt Forderungen aufkommen, der Wolf solle zur Jagd freigegeben werden.

Weil nur noch dann Entschädigungen für getötete Nutztiere an Bauern gezahlt werden, wenn sie Massnahmen zum Schutz ergriffen haben, wird gemäss Bundesrat zudem der Herdenschutz gestärkt.

Generell trage das neue Gesetz zum Erhalt der Artenvielfalt bei: Es werden mehr Wildtierarten geschützt als bisher und für den Schutz und die Aufwertung ihrer Lebensräume steht mehr Geld zur Verfügung.

Wer empfiehlt was?

Für ein Ja sind:

  • SVP, FDP und CVP
  • Jagd Schweiz, Schweizer Bauernverband, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete

Nein empfehlen:

  • SP, Grüne, GLP und EVP, FDP Aargau und Bern, CVP Genf
  • Praktisch alle Tier- und Naturschutzorganisationen, u. a. WWF, Pro Natura, Schweizer Tierschutz, Birdlife, Zoo Schweiz.
  • Einzelne Zusammenschlüsse von Jägern und Wildhütern, die sich gegen die Ja-Parole ihrer Verbände stellen.

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