Liebe Leserinnen und Leser

Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. 

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Anrede

Das Zitat der Woche

«Diplomatie ist die Kunst des Machbaren.» – Aussenminister Ignazio Cassis

Einen «Friedensgipfel» wolle man ausrichten. So hatte Bundespräsidentin Viola Amherd im Januar angekündigt, dass sich die Welt bald in der Schweiz treffen werde, um über Frieden zwischen der Ukraine und Russland zu verhandeln. Jetzt, drei Monate später, stehen Datum und Ort – Mitte Juni, Bürgenstock –, aber der Gipfel ist unterdessen auf eine «Konferenz» zusammengeschrumpft, die der «Start» eines «Prozesses» sein «könnte».

Grund: Russland sagte direkt ab, China und die USA halten sich erst mal offen, ob sie jemanden von Rang und Namen schicken.

Unser Fazit vom Januar bleibt dasselbe: «Immerhin: Die Schweiz setzt endlich selber ein Zeichen – und jeder Krieg endet irgendwann am Verhandlungstisch.»
 

Klimapolitik: Was das Urteil aus Strassburg für die Schweiz bedeutet

Darum gehts: Die Schweiz missachtet mit ihrer Klimapolitik die Menschenrechte. So urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag. Er hiess eine Beschwerde der Schweizer Klimaseniorinnen weitgehend gut. 2023 waren diese für den Prix Courage nominiert. Die Frauen hatten die Schweiz verklagt, weil der Staat zu wenig unternehme, um sie als besonders verwundbare ältere Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. So halte die Schweiz unter anderem die selbst gesetzten Klimaziele nicht ein – und habe ihnen das rechtliche Gehör verweigert. 

Warum das wichtig ist: Die «NZZ» spricht von einer «Sensation», viele Kommentierende bezeichnen das Urteil als «bahnbrechend». Zum ersten Mal heisst ein länderübergreifendes Gericht einen Anspruch auf Klimaschutz gut, der sich aus den Menschenrechten ableitet. Der Entscheid des EGMR hat deshalb internationale Strahlkraft. Bürger in allen 46 Staaten, die dem Europarat angehören, können nun ihr Land gestützt auf die Menschenrechte auffordern, die Klimaschutzpolitik zu prüfen und wenn nötig zu stärken. Die Schweiz muss konkret handeln: Zwar diktiert das Gericht keine konkreten Massnahmen. Sie muss aber dem Europarat aufzeigen, wie sie die Bevölkerung künftig besser vor den Folgen des Klimawandels schützen will.

Das sagt der Beobachter: Zum Wesen eines Rechtsstaats gehört, dass Bürgerinnen und Bürger klagen können, wenn ihre Grund- und Menschenrechte verletzt werden – auch wenn die Verletzung demokratisch abgesegnet ist, zum Beispiel durch das Nein zum CO₂-Gesetz. Das Gericht in Strassburg hat ein sorgfältiges Urteil gefällt, das nicht bestimmt, wie die Gesetze konkret aussehen sollen. Es greift damit weder in die Gewaltenteilung noch in die Schweizer Demokratie ein. Aber es macht die Klimapolitik bis zu einem bestimmten Grad justiziabel, weil der Klimawandel so weit fortgeschritten ist, dass ein Zu-wenig-Tun langsam, aber sicher Menschenrechte gefährdet.

Über «Das war richtig wichtig»

Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.

Bankenregulierung: Wie der Bundesrat die nächste Krise verhindern will

Darum gehts: Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat am Mittwoch ihren Bericht zur Bankenstabilität vorgestellt. Darin zieht der Bundesrat die Lehren aus dem Untergang der Credit Suisse – und stellt die bestehenden Regeln für Grossbanken auf den Prüfstand. Um in Zukunft eine Notlösung mit Staatsgarantien zu verhindern, will man 22 neue Massnahmen ergreifen und einige weitere vertieft prüfen. Zu den wichtigsten Vorschlägen gehört neben einer Stärkung der Finanzmarktaufsicht auch eine klare Verantwortlichkeit der Chefetage, inklusive Boni-Rückforderungen. Die meisten Vorschläge müssen noch durchs Parlament.

Warum das wichtig ist: Obwohl der Untergang der CS schon über ein Jahr her ist, wurden bisher kaum Massnahmen gegen künftige Bankenkrisen ergriffen. Das ist dringend nötig, weil bei der CS der offizielle Plan für eine geordnete Abwicklung einer kriselnden Grossbank (das «Too big to fail»-Dispositiv) nicht zu gebrauchen war. Der Staat musste einspringen. In Zukunft, so forderte es Keller-Sutter an der Pressekonferenz, dürfe es nicht mehr so weit kommen. 

Das sagt der Beobachter: Nie wieder also – ein schönes Versprechen. Wobei es auch nach der Finanzkrise 2008 schon gegeben wurde, nachdem der Bund die UBS hatte stützen müssen. Marc Chesney, Professor an der Universität Zürich, bezweifelt denn im Gespräch mit dem Beobachter auch, ob die neuen Massnahmen nun reichen: «Das Kernproblem sind ‹Too big to fail›-Banken an sich. Das darf es eigentlich gar nicht geben.»

Das ganze Interview mit ihm lesen Sie kommende Woche.

Wohnungsknappheit: Warum der Bund keine griffigen neuen Regeln erlässt

Darum geht es: Das Nachrichtenportal Watson hat diese Woche aufgedeckt, wie sehr die Immobilien- und Baulobby den Aktionsplan des Bundesrats zur Bekämpfung der Wohnungsknappheit geprägt hat – den viele als zahnlos und unbestimmt empfunden hatten. Auch der Beobachter schrieb im Nachrichtenbriefing damals dazu: «Im Aktionsplan fehlt der Wille, konkret auf mehr günstigen Wohnraum hinzuarbeiten – aus Rücksicht auf die mächtige Immobilienlobby.» Jetzt untermauert die Recherche den Befund mit Fakten.

Warum das wichtig ist: Ob im Wohnungswesen, im Gesundheitswesen, beim Thema Banken oder Tabak: Die Bundespolitik ist dominiert von Interessengruppen. Den Schaden haben zu oft die Konsumentinnen und Bürger. Etwa wenn die Chemie-Lobby ein Verbot von giftigen Chemikalien verhindert. Oder eben im Wohnungswesen, wenn am runden Tisch des Bundesrats 14 Vertreter der Bau- und Immobilienbranche sechs Vertretern der Mieterschaft gegenübersitzen – und, wie die Watson-Recherche zeigt, das Bundesamt für Wohnungswesen zahlreiche Formulierungen im Plan wortwörtlich den Vorschlägen und Forderungen der Immobilienlobby anpasst. 

Das sagt der Beobachter: Zum Glück gibt es das Öffentlichkeitsgesetz, das Medien die Möglichkeit gibt, Einblick in interne Dokumente der Verwaltung zu erhalten. Es macht Recherchen wie jene von Watson erst möglich. Oder die Beobachter-Recherche von Anfang Jahr zu giftigen Apnoe-Atemgeräten.  

⇒ Jetzt die Recherche lesen: Gift aus dem Beatmungsgerät

Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Raphael Brunner, Oliver Fuchs und Andri Gigerl.

Bis nächste Woche. Wir bleiben für Sie dran.