Schluss mit krachenden Motoren
Die Schweizer Lärmliga will gegen laute Fahrzeuge im Strassenverkehr vorgehen. Hierzu schlägt sie einen Lärmblitzer vor, der in Frankreich bereits erfolgreich eingesetzt wird.
Veröffentlicht am 9. November 2022 - 15:46 Uhr
Ausgestattet mit vier Mikrofonen wird ein Lärmmessgerät des französischen Unternehmens Bruitparif zum Schrecken von Töff- und Autofahrern, die gerne Krach machen. Denn dieses Gerät kann nicht nur messen, wie viel Lärm eine Quelle verursacht, sondern auch, wo genau diese Lärmquelle ist. Dies macht die Hydra mit einer Zuverlässigkeit und Genauigkeit, die auch vor Gericht Bestand hat.
Bislang scheiterte der Kampf gegen übermässigen Töff- und Autolärm an einem tauglichen Messgerät. «Frankreich steht nun kurz vor der definitiven Einführung von Lärmblitzern. Seit mehreren Jahren testet der Staat gemeinsam mit dem Anbieter die Hydra. Der Einsatz würde die Polizei bei Lärmkontrollen stark entlasten und hätte eine präventive Wirkung», sagt Gabriela Suter, Aargauer SP-Nationalrätin und Präsidentin der Lärmliga Schweiz. Um die Hydra bekannter zu machen, hat die Lärmliga Anfang November das Gerät an einer Medienkonferenz im Beisein von Vertretern des französischen Herstellers präsentiert.
Anwohner nerven sich über laute Sportwagen
Seit Jahren wächst in der Bevölkerung der Unmut über vermeidbaren Krach, der aus den Auspuffrohren hoch motorisierter Sportwagen dringt oder aus lästig wummernden Motorrädern, meist amerikanischer Herkunft. Ganz legal bietet etwa der Hersteller Dr. Jekill & Mr. Hyde für Töffs nachrüstbare Auspuffanlagen mit integrierter Klappensteuerung an.
Wird die Klappe per Knopfdruck geöffnet, kommt hinten «mehr Sound und Performance» heraus, heisst es unverblümt auf der Website des Anbieters. Viele BMW, Audi oder Mercedes verfügen über elektronisch wählbare Fahrprogramme, oft Sportmodus genannt, die nicht nur das Ansprechverhalten des Motors verändern, sondern auch den «Sound». Bei Fans beliebt ist etwa das bollernde Geräusch, das durch künstlich verursachte Fehlzündungen entsteht.
Das Strassenverkehrsrecht verlangt, dass Fahrerinnen und Fahrer von Motorfahrzeugen jede vermeidbare Lärmbelästigung unterlassen.
Weniger gut kommen die Krachvehikel bei Anwohnerinnen und Anwohnern an. In vielen Kantonen haben die Polizeien in den vergangenen Jahren spezielle Teams zusammengestellt, welche mit viel Aufwand Jagd auf die Lärmsünder machen. Das Gesetz ist eigentlich klar: Das Strassenverkehrsrecht verlangt, dass Fahrerinnen und Fahrer von Motorfahrzeugen jede vermeidbare Lärmbelästigung unterlassen.
Untersagt sind zum Beispiel hohe Drehzahlen des Motors im Leerlauf, beim Fahren in niedrigen Gängen oder zu schnelles Beschleunigen des Fahrzeugs beim Anfahren. Auch fortgesetztes, unnötiges Herumfahren in Ortschaften ist untersagt. Wer mit seinem Fahrzeug unnötigen Lärm erzeugt, kann verzeigt werden.
So hat die Kantonspolizei Luzern im Jahr 2020 total 246 Fahrzeuge wegen übermässigen Verkehrslärms und verbotener Änderungen stillgelegt. Im Jahr 2021 waren es 173 Fahrzeuge. Auch auf Aargauer Strassen kommt nicht immer ungeschoren davon, wer Krach macht. Die Polizei stellte im Jahr 2021 rund 200 abgeänderte Wagen für eine vertiefte technische Überprüfung sicher.
Jetzt will Bund den Einsatz von Lärmblitzern prüfen
Vor Ort sind die Mittel der Polizei aber beschränkt. Bei einer Kontrolle auf der Strasse kann sie in der Regel bloss eine sogenannte Nahfeldmessung durchführen. Dabei wird mit einem Mikrofon nahe am Auspuff der Lärmwert gemessen und mit dem Referenzwert in der Typengenehmigung verglichen. Dieser ist im Fahrzeugausweis hinterlegt und wird in einem genau definierten Prüfverfahren bestimmt.
Es handelt sich um eine sogenannte Vorbeifahrtsmessung mit vorgeschriebener Geschwindigkeit und Gangwahl. Vor Ort kann die Polizei diese komplizierte Messung nicht durchführen. Der Fahrer oder die Fahrerin werden deshalb für eine Nachkontrolle auf das Strassenverkehrsamt aufgeboten.
Ein Lärmblitzer, der analog zum Radar den Lärmwert im realen Strassenverkehr misst, ist da viel effektiver. In der Schweiz fehlen dafür aber noch die gesetzlichen Grundlagen. Das könnte sich bald ändern: Das Bundesamt für Strassen (Astra) prüft derzeit gemeinsam mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) den Einsatz von Lärmblitzern. «Wir prüfen etwa, wie hoch der noch erlaubte Schwellenwert angesetzt werden müsste und wie sichergestellt werden kann, dass ein Messgerät auch das misst, was es soll», sagt Astra-Mediensprecher Thomas Rohrbach.
Aktiv geworden sind Astra und Bafu aufgrund einer parlamentarischen Motion, die verlangt, dass übermässige Lärmemissionen im Strassenverkehr einfacher und stärker sanktioniert werden können. Rohrbach geht davon aus, dass der Bundesrat die neue Gesetzesvorlage noch Ende dieses Jahres oder im nächsten Frühjahr in die Vernehmlassung schicken kann.
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4 Kommentare
Alle 50 Sekunden lässt ein anderes Auto seinen Motor aufheulen. Die Verkehrsteilnehmer an der Hohlstrasse sind oft etwas hohl. Jeden Abend stehen an der Tankstelle etliche Autos die andauernd Gas geben. Mehr als jedes zweite Auto das wegfährt, beschleunigt maximal mit grossem Lärm. Wer nur vorbeifährt, lässt den Auspuff knallen um seinesgleichen Hallo zu heulen. Bis vier Uhr morgens fahren viele getunedte Autos non stop um‘s Quartier und beschleunigen alle 50m erneut. Morgens um 7 fangen die ersten Lärm-Poser bereits wieder an ihr Runden zu drehen mit überdrehtem Motor.
Die Welt hat sich verändert und der Strassen-Lärm ist zumindest hier um die Tankstelle rum exponential angestiegen.
Ja, ich suche eine andere Wohnung, aber die gesamte Siedlung kann nicht wegziehen.
Sind die Menschen am verblöden?
Wieviele hunderte Male am Abend Motor aufheulen und Auspuff Knallen lassen kann Spass machen?
Die Menge der Poser und die Vollzeit-Aktivität des Lärm zelebrieren sind dermassen angestiegen, dass die Beeinflussbarkeit der Menschen einem beeindruckt.
In einer gesamten Gesellschaft wird die Rücksichtnahme abgeschafft und die Toleranz-Forderung übernimmt das Geschehen.
Kannst ja gehen wenn‘s dir nicht passt. Halt dir halt die Ohren zu. Ist mir doch egal ob ich ignorant bin. Solche Einstellungen werden überall normal.
Nicht nur mit stundenlangem Maximal-Lärm erzeugen mit dem Auto. Generell wird viel weniger vorausschauend Rücksicht genommen. 22 uhr nicht mehr im Innenhof rumschreien? Da lacht wohl jeder zweite Leser wie altmodische diese Vorstellung ist.
Sein Telefon im Tram oder beim Arzt nicht auf Lautsprecher allen Mitmenschen aufzuzwingen? Bro! Was gaaht mit diär? Bisch ja voll spiessig!
Die Menschen in der Stadt haben in den letzten fünf Jahren sehr viel verlernt, was vorher 100 Jahre lang selbstverständlich war. Empathie ist ein unbekanntes Fremdwort geworden.
Können wir fiese Entwicklung abfedern?
Ich bin da nicht grad optimistisch, wenn ich schau, dass die meisten Mitmenschen es nicht mal mehr aushalten so viele Sätze wie ich hier schreibe zu lesen, zu verstehen und ohne aggressiv zu werden, eine andere Meinung akzeptierend zuzulassen.
Wir verblöden im Kollektiv, drum merken wir es nicht.
Leben und leben lassen, wird immer öfters gesagt, aber damit gemeint, man soll den Egoismus tolerieren oder sich verpissen, Alter!
Ich wurde, als bereits Herz-Kreislauf erkrankter Mensch wohlverstanden, diese Nacht, Morgens um 1 Uhr ca. aus dem Schlaf gerissen wegen eines ebensolchen lauten und zu schnell fahrenden Töffs. Wie weit ist man eigentlich aktuell bei der Lärmbekämpfung, z.B. im Kanton Bern, Region Emmental?
Und was geschieht mit älteren Fahrzeugen wie z.B. meiner 25 jährigen Harley? Im Typenschein sind als Grenzwert 97 DB eingetragen. Dies bei einer genau vorgeschrieben Lärmmessung in einer vorgegebenen Drehzahl. Wenn ich schneller fahre ist die Drehzahl höher, die Harley demzufolge Lauter was absolut erlaubt ist. Muss ich meine Harley jetzt verschrotten? Dagegen würde ich mich wie auch viele Andere Harley Fahrer sicherlich gewaltig wehren, ausser der Staat kauft mir meine Harley ab.
Ich bin jedes Wochenende betroffen von zuviel Strassenlärm, vorallem im Sommer ist dies praktisch zu einer Dauerbeschallung geworden. Bestimmt sind Sie mit mir einverstanden, dass es Lösungen zur Lärmreduktion geben muss oder vielleicht sogar bereits gibt, die für alle Beteiligten mit leichten Konzessionen annehmbar ist. Es geht aus meiner Sicht nicht, sich einfach nur zu beschweren, wenn Lärmreduktion gefordert ist (nebenbei: ab 92 dB werden bekanntlich Hörschädigungen ausgelöst), man muss selbstinitiativ früh genug immer etwas dagegen tun wenn man nicht noch striktere Massnahmen riskieren will. Ein Anfang wäre schon, nicht einfach durch die Ortschaften zu brettern, sondern innerorts mehr zivilisiert als einem vielleicht selbst nötig erscheint zu fahren. Vielleicht tun Sie das ja schon, aber das ist halt hier bei uns jedenfalls nur die Minderheit leider.