2000 Jahre altes, hochwertiges Gletscherwasser, auf das die halbe Welt wartet: So stellte sich die Greenland Springwater AG (GSW) im zugerischen Baar die Zukunft vor. Und so rosig präsentierte man der Regierung Grönlands die Aussichten für eine Wasserfabrik in der 850-Seelen-Gemeinde Qeqertarsuaq an der Südwestküste. «Mit einem japanischen Generalimporteur wurde bereits ein Liefervertrag über jährlich 15 Millionen Flaschen abgeschlossen», meldeten die Baarer im Sommer 2008.
Das überzeugte die grönländische Regierung: Am 19. Januar 2009 erteilte sie der Greenland Springwater ApS, der lokalen Tochtergesellschaft der Baarer Firma, eine exklusive Konzession von 20 Jahren Laufdauer.
Recherchen des Beobachters mit der grönländischen Zeitung Sermitsiaq zeigen nun, dass das angekündigte Millionengeschäft, dank dem GSW die Konzession erhielt, nie zustande kam. Das Wasser aus dem arktischen Gletscher, das mit seinem hohen pH-Wert von 9,38 für den menschlichen Organismus gesund sein soll, liess sich ausserhalb Grönlands schlicht nicht verkaufen.
Eine Aktion mit dem Wasser namens «938» an Schweizer Kiosken wurde 2010 schon nach kurzer Zeit gestoppt. Der Geschäftsführer der Greenland Springwater AG erklärte damals, man habe «Rückmeldungen einholen» wollen, das Ganze sei eine einmalige Aktion gewesen (siehe Artikel «Wasser aus Grönland - muss das sein?» im Beobachter 24/2010).
Auch das Millionengeschäft mit dem japanischen Generalimporteur kam nie zustande. «Es gab Zulassungsprobleme wegen der japanischen Importbestimmungen», sagt Thomas Hoffmann, Mitgründer und früherer Verwaltungsrat der Greenland Springwater AG, weshalb nie eine einzige Flasche grönländisches Wasser auf den japanischen Markt kam.
Ein Generalimporteur, der sich mit Importbestimmungen nicht auskennt? Gut möglich, denn beim Unternehmen handelt es sich um die eigens gegründete Greenland Springwater Asia Ltd. – angesiedelt in einem auf Briefkastenfirmen spezialisierten Bürohaus in Tokio.
Der Vertrag über die 15 Millionen Flaschen grönländisches Wasser für japanische Kehlen wurde somit zwischen zwei Schwesterunternehmen geschlossen – und nie umgesetzt. Auf der Website der japanischen Firma ist noch heute von einem «Wachstumsmarkt» die Rede – und davon, dass man Investoren suche.
«Pro Jahr müssten gemäss Vertrag mindestens 7000 Tonnen Gletscherwasser abgefüllt werden – 2014 waren es 75 Tonnen.»
Dokumente der Greenland Springwater AG
Der Generalimporteur war zwar nur virtuell, aber eine Abfüllanlage mit einer Kapazität von 10'000 Flaschen pro Stunde gab es ab 2009 tatsächlich in Qeqertarsuaq. Die Anlage sei jedoch «zu kompliziert» gewesen, sagt Ex-Verwaltungsrat Thomas Hoffmann. «Es handelte sich um eine absolute Basic-Anlage mit minimalistischer Ausstattung», entgegnet Sprecherin Danuta Kessler-Zieroth von Krones, dem deutschen Hersteller der Abfüllanlage. Das Problem sei gewesen: Greenland Springwater habe kein geschultes Personal finden können.
Stattdessen flog GSW für jeweils vier Wochen pro Jahr Krones-Personal nach Grönland, um Wasser abzufüllen. «Ob die Anlage sonst betrieben wurde, wissen wir nicht», sagt die Krones-Sprecherin.
Im Frühling 2014 waren letztmals Krones-Mitarbeiter in Grönland im Einsatz. Sie füllten bloss 75'000 Liter Wasser ab, was der grönländischen Staatskasse mickrige 7500 dänische Kronen (rund 1000 Franken) an Lizenzgebühren bescherte. Laut Konzession müsste Greenland Springwater mindestens sieben Millionen Liter pro Jahr produzieren und dafür etwa 100'000 Franken abliefern. Das wird so rasch nicht mehr möglich sein: Im Herbst 2014 wurde die Anlage abgebaut und nach Kontinentaleuropa verschifft.
Insgesamt rund 100'000 der abgefüllten Halbliterflaschen fanden den Weg in die Schweiz. Das Zielpublikum sind diesmal nicht mehr Kioskkunden, sondern Patienten von Naturheilern. Ihnen wird das Gletscherwasser via Internet als Wundermittel zur Entgiftung und Entschlackung angepriesen. Zu einem stolzen Preis: 24 Flaschen kosten CHF 112.80, umgerechnet CHF 9.40 pro Liter.
«Noch in diesem, spätestens im Verlauf des nächsten Jahres» soll die Produktion in Qeqertarsuaq laut dem aktuellen Verwaltungsratspräsidenten Willi Grob wieder anlaufen – mit einer einfacheren Anlage und neuen Hoffnungen: 2014 habe man 864 Flaschen nach China liefern können, erklärt Grob. Ein chinesischer Händler wolle das Wasser dort auf den Markt bringen.