«Thurgauer Bauer schleudert Schafe quer durch den Stall»: Diese und andere Schlagzeilen im Oktober 2018 sorgten in den Medien für Empörung. Der Landwirt Arthur Ziegler aus Herrenhof warf Schafe in seinem Betrieb ruppig über einen Zaun und traktierte sie mit einem Stock und einem Seil. Jetzt wurden der Ex-Nachbar, der die Szene gefilmt hatte, und Erwin Kessler vom Verein gegen Tierfabriken (VgT), der das Video auf seiner Website veröffentlicht hatte, verurteilt. Gemäss Thurgauer Obergericht haben die beiden den Privatbereich des Schafhalters verletzt.

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Für VgT-Präsident Kessler ist dieses Urteil typisch für den Thurgau: «Man will in diesem Landkanton nicht, dass ständig Tierschutzmissstände bekannt werden.» Der radikale Tierfreund spielt auf den Fall Hefenhofen an, bei dem es 15 Jahre dauerte, bis die Behörden einschritten. Es handle sich auch um ein politisches Urteil. Tierschützer würden nun abgeschreckt, Tierquäler in Aktion zu filmen.

«Wird jegliche Dokumentation einer Straftat im nichtöffentlichen Bereich kategorisch geahndet, dann haben wir ein echtes Problem.»

Vanessa Gerritsen, stv. Geschäftsführerin, Stiftung Tier im Recht

«Wenn es um schwächere Mitglieder der Gesellschaft wie Kinder oder Tiere geht, ist es von grösster Bedeutung, dass die Bevölkerung wachsam ist und Missstände anzeigt», sagt Vanessa Gerritsen, stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung für das Tier im Recht. Deshalb sei eine gewisse soziale Kontrolle wichtig. «Wird jegliche Dokumentation einer Straftat im nichtöffentlichen Bereich kategorisch geahndet, dann haben wir ein echtes Problem.»

Die Begründung des Urteils steht noch aus. Franz Riklin, emeritierter Strafrechtsprofessor der Uni Freiburg, hält das Urteil für falsch: «Erstens war der betreffende Straftatbestand gar nicht erfüllt, weil das Geschehen im Stall für jedermann durchs offene Fenster ohne weiteres einsehbar war. Und zweitens bestand wegen des öffentlichen Interesses an einem wirksamen Tierschutz ein Rechtfertigungsgrund für solche Aufnahmen und deren Verbreitung.» Erwin Kessler will den Fall ans Bundesgericht weiterziehen.

Zufrieden ist dagegen Schafzüchter Ziegler: «Ich bin erleichtert, dass ein Gericht meine Rechtsauffassung bestätigt hat.» Der Schaden für ihn und seine Familie sei aber angerichtet. Nachdem die Aufnahmen aus seinem Stall viral gegangen waren, verlor der 43-Jährige etwa Coop als Fleischabnehmerin.

Während des Prozesses zeigte der VgT-Präsident dem Gericht neue Bilder von Zieglers Hof. Die Aufnahmen stammen von Anfang Jahr und wurden Kessler zugespielt. Zu sehen sind verdreckte Lämmer, die bluten oder husten. Erkennbar sind auch Entzündungen der Augen. Der Kiefer eines Schafs ist geschwollen. Die abgemagerten und stark verkoteten Tiere seien grob vernachlässigt worden, sagt Erwin Kessler.

Ein Tierarzt diagnostiziert aufgrund der Videos Lahmheit und zentralnervöse Störungen. Die Ursache der Symptome lasse sich nur vermuten. Wenn in einer Herde aber mehrere Schafe lahmen, könne die Moderhinke, eine hochansteckende bakterielle Krankheit der Klauen, die Ursache sein.

Unangemeldet kontrolliert

Laut Arthur Ziegler entsprach die Tierhaltung in seinem Stall jederzeit den gesetzlichen Anforderungen. Auch auf das Tierwohl werde geachtet: «Allein in den letzten anderthalb Jahren wurde ich achtmal unangemeldet von den verschiedenen Aufsichtsorganen kontrolliert, und es gab noch nie eine Beanstandung», sagt der Schafhalter mit aktuell 420 Tieren.

Die Augenentzündungen bei den Lämmern seien zum Zeitpunkt der Aufnahmen tierärztlich behandelt worden. Da er Kohle und Steinmehl verwende, um das Ammoniak zu binden, sähen die Tiere verschmutzt aus.

Juristin Vanessa Gerritsen von Tier im Recht sagt: «Diese Bilder zeigen stark vernachlässigte Tiere, die sich in einem unhaltbaren Zustand befinden.» Deshalb müsse ein solcher Betrieb umgehend geschlossen werden.

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