«Soziale Verantwortung ist wichtiger, als bloss Geld zu machen»
Die Schwab Foundation zeichnet jedes Jahr Social Entrepreneurs aus. Dieses Jahr setzen viele Kandidaten auf neue Technologien wie Drohnen, Blockchain und künstliche Intelligenz.
Veröffentlicht am 3. Januar 2019 - 15:26 Uhr,
aktualisiert am 3. Januar 2019 - 14:04 Uhr
Die Schwab Foundation fördert seit 20 Jahren Social Entrepreneurs. Wie kam es zu diesem Engagement?
Hilde Schwab: Als mein Mann, Klaus Schwab, 1971 das World Economic Forum (WEF) als gemeinnützige Stiftung gründete, handelte er als Social Entrepreneur
und gab eine vielversprechende unternehmerische Karriere auf, um seine Idee des globalen Dialogs zu verwirklichen. Ich habe damals gesehen, wie wenig Verständnis Leuten entgegengebracht wurde, die mit ihrem Engagement in erster Linie einen sozialen Zweck verfolgen. Ausserdem schien es mir wichtig, in diesen Dialog der Politiker, Firmenführer und Vertreter der Zivilgesellschaft die Social Entrepreneurs miteinzubeziehen.
Das WEF ist zwar formal als gemeinnützige Stiftung organisiert, aber trotzdem die Zusammenkunft der neoliberalen Führungs- und Unternehmerelite. Ist die Schwab Foundation nur ein Feigenblatt?
Da verkennen Sie die Stossrichtung des Forums. Es setzt sich seit seiner Gründung für soziale Verantwortung in der Wirtschaft ein. Die Social Entrepreneurs haben am Jahrestreffen ausserdem eine wichtige Vorbildfunktion. Sie zeigen den Teilnehmern auf, dass es wichtiger ist, eine soziale Verantwortung wahrzunehmen, als nur Geld zu machen.
Überschätzen Sie damit nicht den Einfluss der Social Entrepreneurs auf Politik und Wirtschaft?
Vorbilder funktionieren nach dem Prinzip «Steter Tropfen höhlt den Stein». Natürlich gibt es noch viel zu tun, aber Veränderungen brauchen immer Zeit.
Welcher Preisträger hat Sie persönlich am meisten beeindruckt?
Shelly Batra ist eine von vielen eindrucksvollen Persönlichkeiten, die ich kennengelernt habe. Sie hat die Vision einer Welt, in der es keine Tuberkulose mehr gibt. Ihre Organisation ASHA versorgt in Indien und in Kambodscha über 15 Millionen Menschen mit medizinischer Beratung und Behandlung. 2014 haben wir sie als «Social Entrepreneur of the Year» ausgezeichnet.
Welche Geschäftsidee hat Sie am meisten begeistert?
Ich begeistere mich besonders für Ideen
, die ein bestehendes Problem durch einen wirklich innovativen Ansatz lösen. Ein Beispiel dafür ist unser Social Entrepreneur des Jahres 2017, der einen Drohnenservice in Ruanda aufgebaut hat. Er macht es möglich, dass Menschen in einem unwegsamen Land mit schlechter Infrastruktur mit dringend benötigten Medikamenten und Blutkonserven versorgt werden. Das hat schon Tausenden Müttern im Kindbett das Leben gerettet.
«Die Social Entrepreneurs sind Vorbilder für die WEF-Teilnehmer.»
Hilde Schwab, Mitgründerin und Vorsitzende der Schwab Foundation for Social Entrepreneurship
Unterstützen Sie die Preisträger finanziell?
Wir unterstützen finanziell nicht Projekte, sondern die Social Entrepreneurs selber, damit sie an den Aktivitäten teilnehmen können, zu denen wir sie einladen. Wir bringen sie regelmässig zum Erfahrungsaustausch zusammen, wie kürzlich in New York, wo wir während der Uno-Generalversammlung eine Veranstaltung mit 150 Social Entrepreneurs aus aller Welt durchführten. Wir haben auch einen Fonds geschaffen, der ihnen die Teilnahme an einem speziell für sie konzipierten einwöchigen Kurs an der Harvard-Universität ermöglicht.
Kann ein Social Entrepreneur am WEF tatsächlich Kontakte knüpfen und sich so von seinen chronischen Geldsorgen befreien? Oder wecken Sie da bei den Preisträgern unrealistische Hoffnungen?
Wir versprechen unseren Social Entrepreneurs nicht, dass sie durch die Kontakte zu Kapital kommen. Das hängt von der Konstellation ab und von ihrem eigenen Engagement.
Social Entrepreneurs sind Idealisten, sie brennen für die gute Sache und neigen deshalb dazu, sich selbst auszubeuten. Wie schützen Sie Ihre Preisträger vor einem Burn-out?
Die grösste Sorge eines Social Entrepreneurs ist, dass seine Idee nicht verwirklicht wird. Die beste Medizin dagegen ist der Austausch mit anderen, die es geschafft haben.
Nach welchen Kriterien wählt die Schwab Foundation ihre Preisträger aus?
Die Idee muss neuartig sein, sich bereits bewährt haben und die Möglichkeit bieten, repliziert zu werden. Bei der Beurteilung der Finalisten achten wir darauf, wie viele Personen mit der sozialen Wirkung erreicht werden. Zudem sollte der Social Entrepreneur auch menschlich ein Vorbild sein.
«Die grösste Sorge eines Social Entrepreneurs ist, dass seine Idee nicht verwirklicht wird. Die beste Medizin dagegen ist Austausch mit anderen, die es geschafft haben.»
Hilde Schwab
Ist Social Entrepreneurship eine Frauendomäne?
Das kommt auf das Land an. In Indien ist die Frauenquote interessanterweise viel höher als zum Beispiel in Europa oder in den USA.
Bald wird die Schwab Foundation die nächsten Social Entrepreneurs auszeichnen. Was können Sie zu den Bewerbern sagen?
Wir haben ausgezeichnete Kandidaten. Interessant ist, dass sich die vierte industrielle Revolution widerspiegelt: Mehr Kandidaten setzen bei der Bewältigung sozialer Probleme auf neue Technologien wie künstliche Intelligenz
, Blockchain oder Drohnen.
Zur Person
Die Aargauerin Hilde Schwab wurde als 24-Jährige von Klaus Schwab, damals Professor für Unternehmenspolitik an der Uni Genf, mit der Organisation des ersten European Management Symposium betraut. Daraus ging 1987 das World Economic Forum hervor. 1998 gründete das Ehepaar die Schwab Foundation for Social Entrepreneurship, deren Vorsitz Hilde Schwab innehat. Sie zeichnet jedes Jahr Unternehmer mit herausragender gesellschaftlicher Wirkung aus.