Ein Besuchsrecht für Grosseltern?
Wenn die Eltern sich bei der Scheidung ums Sorgerecht streiten, kommt es oft zur Funkstille mit den Grosseltern. Oder Oma und Opa wird der Kontakt zu den Enkeln gar verwehrt.
Bis zur Trennung der Eltern war der siebenjährige Leon immer montags bei seinen Grosseltern. Und nun? Der Kontakt wurde abgebrochen. Leider ist das kein Einzelfall. Beim Beobachter-Beratungszentrum melden sich immer öfter verzweifelte Grosseltern, die ihre Enkel nicht mehr sehen können. Bei Scheidungen kommt es häufig auch zum Abbruch der Beziehung zu den Grosseltern. Für die Enkel sind sie aber wichtige Bezugspersonen. Warum das so ist und ob Grosseltern überhaupt ein Recht zusteht, ihre Enkel zu sehen, erläutern die folgenden Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Ein eigentliches Besuchsrecht steht nur den Eltern des Kindes zu. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) kann den Grosseltern nur bei ausserordentlichen Umständen ein alleiniges Besuchsrecht einräumen. Dabei steht das Interesse des Kindes an erster Stelle.
Das könnte gegeben sein, wenn die Grosseltern durch häufige Betreuung eine besonders enge und gefestigte Beziehung zu den Enkeln haben. Will das Enkelkind den Kontakt auch weiterhin und ist nicht anzunehmen, dass das Besuchsrecht dem Kind schadet, etwa wegen Streitereien unter den Erwachsenen vor dem Kind, stehen die Chancen nicht schlecht.
Das ist kaum auf den Punkt zu bringen. Voraussetzung ist sicher, dass sich zwischen Grosseltern und Enkel eine besondere Beziehung entwickelt hat. Doch die Frage, ob zum Wohl des Kindes zwingend ein persönlicher Verkehr mit den Grosseltern erforderlich ist, kann kaum plausibel geklärt werden.
Sind nachteilige Auswirkungen auf das Kind oder unzumutbare Belastungen für die Verantwortlichen der Obhut zu befürchten, kommen ausserordentliche Umstände in der Regel nicht zum Zug.
Leben die Eltern nach einer Scheidung getrennt voneinander, hat der Elternteil, der nicht mit dem Kind zusammenlebt, Anspruch auf persönlichen Kontakt. Erfahren Sie als Beobachter-Mitglied, wie Sie das Besuchsrecht und die Betreuungsanteile regeln können und was zum Beispiel rechtlich bei einem Wegzug mit dem Kind gilt.
Am besten sucht man gemeinsam eine Lösung. Eine Familienberatungsstelle oder eine Familienmediation bietet einen gangbaren Weg. Vielleicht gelingt es Aussenstehenden – trotz fehlenden rechtlichen Grundlagen –, an die Vernunft des verantwortlichen Elternteils zu appellieren und eine Besuchsregelung festzulegen.
Bestehen keine nachweisbaren Gründe für eine Kontaktverweigerung, haben die Eltern zum Wohl ihres Kindes in der Regel eine Alternative anzubieten, beispielsweise ein begleitetes Treffen unter Anwesenheit von Mutter oder Vater. Zuständig für die Erteilung eines Besuchsrechts ist die KESB am Wohnort des Kindes.
Ja, wenn ihr Antrag von der KESB beschwerdefähig abgelehnt wurde. Sie sind jedoch beweispflichtig, dass der Kontakt dem Wohl des Kindes dient. Bringen die Grosseltern diesen Beweis nicht zustande, können sie einen regelmässigen Kontakt nicht gegen den Willen der Eltern durchsetzen. Wenn das Gericht den Kontakt gutheisst, ist es wichtig, dass der Besuch bei den Grosseltern oder ein Treffen mit ihnen nicht zum Zwang für das Kind wird.
Oft liegt die Ursache in einem Konflikt, den die getrennten Eltern des Kindes über die Grosseltern des Expartners austragen (siehe auch «Tipps für Grosseltern». Tatsächlich ist es aber so, dass derjenige Elternteil, bei dem das Kind zu Besuch ist, das Recht hat, selber zu entscheiden, wie er diese Besuche ausgestaltet. Ihm steht auch die Entscheidung zu, ob sein Kind die Grosseltern besucht und mit ihnen Zeit verbringt. Nur wenn das Kindswohl gefährdet ist, kann die KESB dem besuchsberechtigten Elternteil Weisungen erteilen.
Für eine erfolgreiche Mediation ist zentral, dass sich alle Beteiligten eine konstruktive Zusammenarbeit vorstellen können. Es geht dabei nicht um Schuld und Unschuld, sondern um die Interessen und Beweggründe der beteiligten Personen.
Im Familiengefüge öffnen sie für die jüngste Generation eine Art «Fenster zur Vergangenheit». Kinder entdecken durch die Beziehung zu ihren Grosseltern ihre Wurzeln. Sie stossen bei sich auf Wesenszüge, die sie bei ihren Eltern vielleicht nicht finden.
Gerade in Zeiten von Scheidung und Trennung können Grosseltern ihren Enkelkindern Halt geben. Sie bilden ein neutrales Fundament, bei Omi und Opi können Kinder ihr Herz ausschütten, ohne für oder gegen einen Elternteil Stellung beziehen zu müssen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Grosseltern sich im Scheidungskampf nicht auf eine Seite schlagen.
Wird eine Verbindung zu den Grosseltern von einem Tag auf den anderen abgebrochen, leidet das Kind doppelt: Es verliert nicht nur den einen Elternteil, sondern auch noch die Grosseltern. Wenn die Eltern nach einer Trennung den Kindern den Kontakt zu einem Grosselternpaar vorenthalten, müssen sie sich der Frage stellen, was sie ihren Kindern damit antun.
In einer Schweizer Studie stuften 49 Prozent der befragten Kinder den Kontakt zu den Grosseltern als «sehr wichtig» ein und 39 Prozent als «eher wichtig». Gemäss einer britischen Studie sind Grossmutter und Grossvater bei einer Scheidung die ersten Ansprechpersonen für Jugendliche, noch vor den eigenen Freunden.
Artikel 274A ZGB: Liegen ausserordentliche Umstände vor, so kann der Anspruch auf persönlichen Verkehr auch andern Personen, insbesondere Verwandten, eingeräumt werden, sofern dies dem Wohle des Kindes dient.
Die für die Eltern aufgestellten Schranken des Besuchsrechtes gelten sinngemäss.
Sind die Grosseltern gesundheitlich und geistig fit, für ein Kind zu sorgen, können sie bei der KESB beantragen, Vormund der Enkel zu werden. Stehen Kinder als Waisen unter der Obhut von Pflegeeltern, haben die Grosseltern meist gute Chancen, ein Besuchsrecht juristisch durchzusetzen.
So wünschenswert ein gesetzlich verankertes Besuchsrecht aus Sicht der Grosseltern ist, die Umsetzung könnte problematisch sein. Ein erzwungenes Besuchsrecht könnte die Beziehung der Grosseltern zur Mutter beziehungsweise zum Vater der Enkelkinder negativ beeinflussen und wahrscheinlich zusätzliche Konflikte heraufbeschwören. Die Leidtragenden wären dann wiederum die Kinder.
Vertrauen schenken und Vorwürfe bleiben lassen
- Sprechen Sie vor den Enkeln nicht schlecht über die Eltern.
- Halten Sie sich mit Erziehungstipps und Ratschlägen zurück. Die Eltern empfinden das schnell als Einmischung.
- Machen Sie den Eltern keine Vorwürfe, weil die Familie auseinanderbricht.
- Missbrauchen Sie das Vertrauen der Enkel nicht. Wenn die Kinder sagen «Erzähl das Mami und Papi nicht», halten Sie sich daran.
- Stellen Sie den Enkeln keine Suggestivfragen wie «Für dich ist es sehr schwierig, dass Mami und Papi sich getrennt haben, gell?».
- Seien Sie kompromissbereit. Falls der Schwiegersohn dabei sein will, wenn die Kinder zu Ihnen kommen, akzeptieren Sie es. Wichtig ist vor allem, dass der Kontakt nicht abbricht.
- Verwöhnen Sie die Enkel nicht zu sehr. Es ist okay, wenn die Kinder bei Ihnen mehr Süssigkeiten essen dürfen als zu Hause. Aber überhäufen Sie sie nicht mit Geschenken.
Corinne Strebel