Fussball: Die GC-Aktie ist nur noch Altpapier
Noch sitzt dem Zürcher Grasshopper Club die verpatzte letzte Fussballsaison in den Knochen – und schon droht dem Rekordmeister neues Ungemach: Das Eigenkapital des börsenkotierten Klubs ist weg, die Aktie ein Nonvaleur.
Veröffentlicht am 10. August 2000 - 00:00 Uhr
Er verlangte Einsicht in die Bücher und «schickte auf eigene Kosten einen Buchprüfer vorbei, einen hoch qualifizierten Mann, der seit 25 Jahren bei einer der weltgrössten Revisionsgesellschaften arbeitet», schreibt der langjährige GC-Mäzen und «Gärtner der Nation» Werner H. Spross in seinem Buch «Mein Weg nach ganz oben». «Der Controller ist dann schier aus den Schuhen gefallen; was er vorfand, war die absolute Katastrophe. Der Grasshopper Club wurde auf jede mögliche Weise geführt, bestenfalls wie ein schlecht geleiteter Drittligaklub, nur nicht wie eine Aktiengesellschaft.»
Der frühere GC-Finanzchef Andres Schenker, dem Spross die Hauptschuld an vielen Ungereimtheiten bei den Finanzen zuweist, hat gegen Spross auf Ehr- und Persönlichkeitsverletzung geklagt und ein superprovisorisches Verkaufsverbot des Buchs erwirkt. Es ist jetzt lediglich in einer zensurierten Fassung wieder erhältlich.
Erfolg verführt zu Börsenabenteuer
Der vorläufige Tiefpunkt einer Entwicklung, die vor drei Jahren hoffnungsfroh begann. Angestachelt durch beachtliche Erfolge in der Champions League, wollte es die einstige GC-Führung unter Romano Spadaro europäischen Grossklubs wie Manchester United gleichtun und den Traditionsklub zu einer börsenkotierten Aktiengesellschaft machen. Selbst die anerkannten Finanzanalysten der Zürcher Kantonalbank waren im Vorfeld des Going public euphorisch und bezeichneten die GC-Aktie als zwar etwas teure, aber mit beachtlichem Kurspotenzial ausgestattete «Herzaktie».
Davon sprach schon zwei Jahre später niemand mehr. Im Juni 1999 übernahm eine Investorengruppe um den CS-Präsidenten Rainer E. Gut, den Hardturm-Mitbesitzer Uli Albers und den Roche-Präsidenten Fritz Gerber die Aktienmehrheit einer Gesellschaft, die von Insidern als zum damaligen Zeitpunkt «schlicht konkursreif» bezeichnet wurde. An der Generalversammlung im Juli 1997, als die Stabübergabe vollzogen wurde, gab es bereits Stimmen, die dem scheidenden Verwaltungsrat unter Präsident Romano Spadaro die Decharge verweigern wollten. Das wurde aber von den neuen Machthabern abgeblockt – immerhin gehörte Uli Albers schon dem alten Verwaltungsrat an.
Werner H. Spross hatte sich mit vereinzelten Vorwürfen gegen Verwaltungsratsmitglied und Finanzchef Andres Schenker bereits früher zu Wort gemeldet. Die Bombe platzte allerdings erst jetzt, ein Jahr später, mit der geballten Ladung in schriftlicher Form. Unter anderem wirft Spross Schenker vor, er habe «es meisterlich verstanden, die Finanzmisere herunterzuspielen und alles zu beschönigen». Schenker, der «die Bücher hauptamtlich in seinem Treuhandbüro führte beziehungsweise eben nicht führte», habe zudem «jeden Monat 60'000 Franken» bezogen – nicht in Form eines Salärs, «sondern indem er Rechnungen stellte».
Happige Vorwürfe. Mangels anderer Abklärungen existiert dazu nur der Bericht eines Experten der Revisionsfirma Pricewaterhouse Coopers, der seinem Auftraggeber Spross am 10. Mai 1999 über seine Beanstandungen in der GC-Buchführung rapportierte. Der Bericht wird unter Verschluss gehalten: von Spross mit der Begründung, er habe mit seinem Anwalt Peter Nobel im Hinblick auf die Klagen Schenkers «Funkstille» abgesprochen; von Schenker mit dem Hinweis, er sei nicht mehr befugt, GC-Akten herauszugeben.
Externe Buchhaltung war zu teuer
Auszüge des Berichts, die dem Beobachter vorliegen, bestätigen immerhin, dass die von Spross genannte Zahl von 700'000 Franken korrekt ist. Schenker, der in seiner Treuhandfirma Tresag zuletzt fünf Buchhaltungen für GC führte und dafür nach eigenen Angaben drei bis fünf Mitarbeiter vollamtlich beschäftigte, stellte GC diesen Betrag für seine Dienste, einen «Rabatt» von 100'000 Franken bereits abgezogen, tatsächlich in Rechnung. «Die Rechnungen waren wegen des enorm gestiegenen Aufwands mit der Champions League und des Börsengangs gerechtfertigt», findet Schenker.
Zum Vorwurf der mangelhaft geführten Buchhaltung verweist er auf die Berichte anerkannter Revisionsstellen, die die Abrechnung nie beanstandet hätten.
Doch wie beurteilte der Pricewaterhouse-Coopers-Spezialist die Tresag-Rechnungen? Er war der Meinung, dass die Buchhaltungskosten durch die Einstellung von zwei GC-internen Buchhaltern und die Ubertragung von Schenkers Aufgaben an einen GC-Kadermann «mittelfristig halbiert» werden könnten. Inzwischen wurde das externe Buchhaltungsmandat denn auch beendet.
Für Wirtschaftsanwalt Peter Widmer, seit einem Jahr neuer GC-Präsident, bestätigt der Controllerbericht Spross’ Vorwürfe nicht. Sicher sei die externe Buchführung eine «teure Lösung» gewesen. Unkorrektes Verhalten sei aber nicht festzustellen. Widmer: «Es sind in der Vergangenheit gravierende Fehler begangen worden. Was aber übersehen wird: Spross selber war faktisch der Präsident von GC, und die Verantwortung liegt eigentlich bei ihm selber.»
Börsengang war ein fataler Fehler
Während der GC-Präsident bezüglich der Sprossschen Vorwürfe Nachsicht mit seinen Vorgängern übt, spricht er bei grundlegenderen Fragen Klartext. «Die GC-Aktie hätte man nie an die Börse bringen dürfen.» In der Tat warf bereits das Gründungskonstrukt der börsenkotierten Grasshopper Fussball AG Fragen auf. Die Firma wurde bei der Gründung am 28. Februar 1997 mit neun Millionen Franken Aktienkapital ausgestattet. Woher stammte dieses Geld eigentlich?
Kurz zuvor, am 17. Februar 1997, waren zwei weitere GC-Aktiengesellschaften gegründet worden, die je gewisse Aktivitäten des Vereins übernahmen: Die Grasshopper Fussball Betriebs AG kaufte den Bereich Fussball-Profi-Spielbetrieb mit Aktiven von 7,228 Millionen Franken und Passiven von 7,201 Millionen Franken und zahlte die Differenz von Fr. 26718.78. Die Grasshopper Fussball Services AG übernahm den Bereich Dienstleistungen/Vermarktung mit Aktiven von 1,649 Millionen Franken und Passiven von 1,661 Millionen Franken und zahlte dafür die Differenz von Fr. 11383.91.
Eine Woche später wurden die Aktien der beiden Firmen als Sacheinlage für die Gründung der Grasshopper Fussball AG verwendet. 1,5 Millionen Franken stellte das nominale Aktienkapital der beiden übernommenen Firmen dar, der Rest von immerhin 7,5 Millionen Franken wurde im Sacheinlagevertrag als «Goodwill» bezeichnet. Letztlich bestand dieser gute Wille aber aus GC-Aktivitäten, für die eine Woche zuvor nur rund 38'000 Franken bezahlt worden waren.
Hat der Verein ein schlechtes Geschäft gemacht, als er den Profi-Spielbetrieb zu diesem Preis abtrat – oder aber war die Bilanz der börsenkotierten Grasshopper Fussball AG schon bei der Gründung massiv aufgebläht?
Der heutige GC-Finanzchef Jakob Huber wiegelt ab: «Die Höhe der Sacheinlage basierte auf der Unternehmensbewertung eines führenden Wirtschaftsprüfungsunternehmens. Der Goodwill wurde unter Betrachtung verschiedener Szenarien und des möglichen Liquidationswerts berechnet und von der Revisionsstelle geprüft.»
Zudem hielt der Verein GC bis vor einem Jahr 78 Prozent der Aktienstimmen an der Grasshopper Fussball AG und hatte damit einen gewissen Gegenwert für die für 38000 Franken verkauften Aktivitäten in der Hand. Die Rechnung für die umstrittenen 7,5 Millionen Franken Goodwill bezahlten indessen zu einem guten Teil die Publikumsaktionäre: Die Inhaberaktien, die an die Börse gelangten, stammten nämlich hauptsächlich aus einer im Mai 1997 erfolgten Erhöhung des Aktienkapitals von neun auf 12,5 Millionen Franken. Das Aufgeld aus dieser Kapitalerhöhung wurde dazu verwendet, den «Goodwill» gleich wieder um 4,725 Millionen Franken abzuschreiben. In der neusten Bilanz wird er noch mit knapp 1,2 Millionen beziffert.
Kein Wunder, boten Gut, Albers und Gerber vor einem Jahr dem Verein für nicht börsenkotierte 800'000 Namenaktien zu zehn Franken Nominalwert gerade mal fünf Millionen Franken. Das sind noch 62,5 Prozent des Nominalwerts.
Wenig erstaunlich auch, dass die börsenkotierten Inhaberaktien seit Monaten auf einem historischen Tiefstkurs von 30 Franken dümpeln. Zu seinen besten Zeiten wurde das Papier noch zu Kursen von über 60 Franken gehandelt. Gemessen am Emissionspreis der Aktie von 47 Franken entspricht der prozentuale Abschlag ziemlich genau jenem, den auch das Trio Gut, Gerber und Albers auf den Nominalwert ihres Aktienpakets vornahm.
Das Eigenkapital ist aufgebraucht
Die Wahrheit sieht allerdings noch viel bitterer aus. «Wer den neusten Geschäftsbericht genau liest, stellt fest, dass das Eigenkapital von GC nicht mehr da ist», bestätigt GC-Präsident Peter Widmer: «Der realistische Wert der Aktie ist nicht 30 Franken, sondern null. Die GC-Aktie hat noch Liebhaberwert, ist aber kein Investment mehr.» Mit anderen Worten: Werner H. Spross, mit 22'500 Inhaberaktien grösster Minderheitsaktionär, sitzt auf einem Bündel Altpapier.