Honorarkonsuln: Nicht nur Männer von Ehre
Atomschmuggel, Geldwäscherei, Betrugsaffären: Die Kette von Skandalen in den Reihen der Honorarkonsuln reisst nicht ab. Im Schweizer Korps will man das Imageproblem jetzt mit einer gezielten Informationskampagne angehen.
Veröffentlicht am 14. August 2000 - 00:00 Uhr
Der Zürcher Wirtschaftsanwalt Werner Stauffacher ist nebenamtlich Honorarkonsul von Tschechien. Und er hat schon verschiedentlich für Schlagzeilen gesorgt. Seit mehreren Jahren läuft gegen ihn ein Strafverfahren rund um zwei Firmen, die er für einen jordanischen Geschäftsmann gegründet hatte. Zudem war er in Zivilprozesse wegen umstrittener Erbschaftsangelegenheiten involviert, und kürzlich verweigerte das Eidgenössische Finanzdepartement einer von Stauffacher vertretenen Geldwäscherei-Selbstregulierungs-Organisation die Zulassung.
Der umtriebige Rechtsanwalt ist unter den rund 160 Honorarkonsuln, die in der Schweiz ehrenamtlich einen ausländischen Staat konsularisch vertreten, kein Einzelfall: Das Amt scheint Skandale geradezu anzuziehen. Auch der Beobachter hat sich schon verschiedentlich mit wenig honorigen Amtsträgern befassen müssen. Etwa mit Brave Hyppolite, Honorarkonsul von Haiti und Leiter eines recht undurchsichtigen Hilfswerks namens «Kinder in Not» (Beobachter 1/99).
Ein Amt (fast) ohne Honorar
Alles Zufall, oder gibt es Gründe für die Skandalanfälligkeit des Corps consulaire? Werner Stauffacher beantwortet die Frage sehr offen: «Ein Honorarkonsul vereinigt die Freiheit des Geschäftsmanns mit gewissen Privilegien und Beziehungen des Diplomaten. Das macht ihn attraktiv für dubiose Kreise, die diese Kombination für ihre Zwecke missbrauchen möchten. Man ist als Honorarkonsul schneller in etwas verwickelt als andere.»
Er selber werde bisweilen mit dubiosen Anfragen und Anliegen konfrontiert, räumt Stauffacher offen ein. Anderseits stehe ein Honorarkonsul unter schärferer Kontrolle, gerade auch der Medien. «Viele Rechtsanwälte auf dem Platz Zürich sind in Verfahren und Prozesse verwickelt, von denen niemand spricht. Ist ein Anwalt aber noch Honorarkonsul, so ist das sofort ein Riesenthema. Ich will damit aber nicht sagen, dass diese öffentliche Kontrolle falsch wäre.»
Stauffacher gilt als einer der wenigen Honorarkonsuln, die beruflich von ihrem Amt profitieren – und zwar dank der politischen Wende im Osten, die das Interesse westlicher Investoren besonders für Tschechien weckte. In der Regel ist das Amt aber ein Verlustgeschäft: Honorarkonsuln sind zwar, was ihre Pflichten und Aufgaben betrifft, den angestellten konsularischen Amtsträgern – den so genannten Karrierekonsuln – völlig gleichgestellt. Honoriert wird ihre Arbeit vom Entsendungsstaat jedoch nicht – als Entgelt gibts nur Ehre. Daran ändern auch die paar Tausender nichts, die die Schweiz ihren eigenen Honorarkonsuln im Ausland zahlt.
90 Prozent «sind seriös»
Die Konsuln hierzulande dürfen von ihren «Kunden» höchstens die einkassierten Gebühren für Visa, Passverlängerungen, Beglaubigungen und weitere Dienstleistungen behalten. Karl F. Schneider, Leiter einer PR-Agentur in Schlieren ZH und Honorarkonsul von Gambia, legt nach eigenen Angaben «pro Jahr etwa 20'000 Franken drauf». Wenn er nach Gambia zu einer Konferenz reise, müsse er sogar das Hotel selber bezahlen.
Also kein Job für Leute, die aufs schnelle Geld aus sind. Für Karl F. Schneider ist die Skandalhäufigkeit im Corps consulaire denn auch «kaum grösser als in anderen Berufsgruppen». 90 Prozent seiner Amtskollegen, ist Schneider überzeugt, seien «absolut seriös» und leisteten mit ihrer Arbeit private Entwicklungshilfe. Wie etwa der Zürcher Anwalt Heinz Egli, der den seit 1980 unabhängigen Hebridenstaat Vanuatu in der Schweiz vertritt. Sein grosses Engagement führte dazu, dass ihn die Einwohner einer Vanuatu-Insel eine Zeit lang als «Vizekönig» betitelten.
PR-Spezialist Schneider kann aber die vielen Negativschlagzeilen über Honorarkonsuln nicht wegdiskutieren: «Wir planen, das schlechte Image mit gezielten Informationsaktionen wieder zu korrigieren.» Laut Schneider bestehen bei vielen Leuten, die sich nur wegen des Titels für ein Konsulat interessieren, falsche Vorstellungen über das Amt und die damit verbundenen Pflichten und Privilegien: «Das Amt öffnet kaum neue Türen, und gratis falsch parkieren darf man auch nicht.»
Vielleicht, so der Gedanke hinter der geplanten Imagekampagne, lassen dubiose Geschäftsleute eher die Finger vom Amt, wenn sie wissen, dass Honorarkonsuln selten an glamourösen Anlässen teilnehmen, sondern meist harte Arbeit leisten. Karl F. Schneider beispielsweise muss jeden Monat die Identität von über 100 Rückschaffungskandidaten überprüfen.
Eigentlich stehen Honorarkonsuln unter strenger Kontrolle des Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Ernannt werden sie zwar vom Land, das sie vertreten. Doch damit sie in der Schweiz wirken dürfen, braucht es eine so genannte Exequatur. Das EDA prüft, ob die Bewerber «unbescholten» sind. Es kann eine Exequatur ohne Angabe von Gründen verweigern oder auch wieder entziehen.
Dieses Prozedere hat zwar in einigen Fällen dazu geführt, dass zweifelhafte Kandidaten durchgefallen sind. Einmal im Amt, haben Honorarkonsuln jedoch vom EDA kaum noch etwas zu befürchten: «Den zuständigen Mitarbeitern des EDA ist kein Fall bekannt, wo die Exequatur entzogen worden wäre», erklärt Pressesprecherin Daniela Stoffel-Fatzer.
Es gibt auch Scheinkonsuln
Die Frage nach der Skandalhäufigkeit im Corps consulaire ist dem Departement aber etwas peinlich: «Grundsätzlich hat das EDA hier keine Position», richtet die Sprecherin diplomatisch aus. «Falls private Aktivitäten strafbar sind, sind die Justizbehörden zuständig.»
Für Karl F. Schneider sind es ohnehin nicht die akkreditierten Konsuln, die für die meisten Negativschlagzeilen sorgen, sondern «Honorarkonsuln, die sich nur so nennen, es aber gar nicht sind». Solche gibts tatsächlich auch: Der wegen seiner gekauften Doktortitel bereits vorbestrafte Übersetzer Jean-Paul Rochat beispielsweise listet in seiner Titelsammlung auch zahlreiche Honorarkonsulate exotischer Länder auf – ohne je auf einer Akkreditierungsliste des EDA aufgetaucht zu sein.
Auch hier scheint man in Bern nicht besonders aktiv durchzugreifen: Das Beispiel ist zwar «hinlänglich bekannt», aber die vom Scheinkonsul «herausgegebenen Papiere fragwürdigen Inhalts» – so das EDA – sprechen für sich selber.