Reformiert wider Willen
Bei der reformierten Kirche kann man zum Mitglied werden, ohne es zu wissen. Und wieder austreten, ohne es zu merken.
Veröffentlicht am 29. März 2010 - 08:42 Uhr
Dass Philip Abplanalp der reformierten Kirche angehören soll, erfuhr er, als er die erste Steuererklärung erhielt. «Ich dachte, ich sei konfessionslos, doch da stand auf einmal, ich sei reformiert», sagt der Steffisburger. Dabei hatten ihn seine reformierten Eltern absichtlich nicht taufen lassen; ihr Sohn solle später seine Religionszugehörigkeit selber wählen können. Die Mutter reagierte irritiert: «Warum hat sich die Kirche meinen Sohn geschnappt? Ohne Taufe kann er doch nicht Mitglied sein.»
Diese Annahme stimmt für die katholische Kirche, nicht aber für die reformierte. «Theologisch besteht zwar eine Verbindung zwischen Taufe und Mitgliedschaft», sagt Simon Weber, Sprecher des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds. «Rechtlich aber nicht.» Will heissen: Die meisten Kantonalkirchen können Kinder auch dann als Mitglieder führen, wenn sie nicht getauft wurden solange beide Eltern ebenfalls Mitglieder sind.
An diesem System störte sich niemand, solange es für die Reformierten selbstverständlich war, ihre Kinder reformiert taufen zu lassen. Doch mittlerweile fühlen sich viele Mitglieder ihrer Kirche weniger verbunden als früher. «Bei gemischten Ehen fragen die Zivilstandsbehörden die Eltern, welche Konfession das Kind haben soll», sagt Weber. «Bei reformierten Eltern kann es aber passieren, dass die Einwohnerkontrollen einfach davon ausgehen, dass das Kind reformiert sein soll.»
Philip Abplanalps Problem ist gelöst: Er hat die Kirche – ohne es zu merken – bereits wieder verlassen. Denn er ist nicht konfirmiert. Und, so sagt Thomas Gehrig vom Kommunikationsdienst der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn: «Wer nicht konfirmiert wurde, erscheint nicht in unserem Register und ist damit für die Kirchgemeinde nicht als Mitglied erkennbar.»
Die Folge für Abplanalp: «Das Zivilstandsamt akzeptiert mittlerweile, dass ich konfessionslos bin, doch beim Steueramt brauchts noch Überzeugungsarbeit.»