Die Hoffnung liegt tief unter der Erde. In der Lechuguilla-Höhle im US-Bundesstaat New Mexico leben in völliger Dunkelheit Bakterienstämme, die einzigartig sind. Aus ihnen könnten neue Antibiotika entstehen. Auf der verzweifelten Suche nach neuen Stoffen, die antibiotische Eigenschaften haben, suchen die Forscher inzwischen an den abgelegensten Orten der Welt. Denn die Menschheit hat neue Antibiotika dringend nötig.

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Immer mehr Bakterien sind resistent gegen handelsübliche Wirkstoffe. Man kann heute wieder an Infektionen sterben, die vor 15 Jahren nicht tödlich verliefen.

Rettung aus der Tiefe? In der Düsternis der Lechuguilla-Höhle fanden Forscher Bakterien, die der Menschheit hilfreich sein könnten.

Quelle: Thinkstock Kollektion
Strengere Regeln für Bauern

Seit dem 1. April 2016 müssen Tierhalter zukünftig über ihre Futtermischungen Buch führen, da diese Antibiotika enthalten. Jährlich werden in der Schweiz rund 50 Tonnen Antibiotika an Tiere verabreicht - das meiste davon in Form von Futter.

Auch die Abgabe soll besser kontrolliert werden: Tierärzte, die Landwirten Antibiotika abgeben, werden dazu aufgefordert, genauer hinzuschauen, wenn es um präventive Behandlungsmassnahmen geht. Kritische Antibiotika dürfen gar nicht mehr auf Vorrat abgegeben werden.

Wir sind grösstenteils selber schuld

Besondere Sorge macht Fachleuten ein Phänomen mit der Abkürzung ESBL. Sie steht für Extended-Spectrum-Beta-Lactamase und beschreibt die Eigenschaft einer Gruppe von Bakterien, denen Antibiotika nichts anhaben können. ESBL hat in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen, dennoch weiss man über die ESBL-Keime wenig. Sie leben im Darm von Mensch und Tier und finden sich in Ausscheidungen. Sie sind in der Lage, ihre Gene mit nicht krank machenden Keimen auszutauschen. So können sie sich schneller verbreiten, und damit steigt die Anzahl resistenter Bakterien.

Auch Blutvergiftungen, die durch Bakterien verursacht werden, nehmen deutlich zu - seit 2004 haben sie sich verfünffacht. Wie viele tödlich verlaufen, wird statistisch nicht erhoben. Eine akute Blutvergiftung ist oft das letzte Stadium einer heftigen Infektion. Ein Beispiel: Eine Patientin leidet an einer Blasenentzündung. Ist der Keim resistent gegen mehrere Antibiotika, entwickelt sich aus der scheinbar harmlosen Blaseninfektion eine bedrohliche Nierenbeckenentzündung. Lässt sich diese nicht eindämmen, können die Bakterien den gesamten Körper überschwemmen, und die Patientin kann innert kurzer Zeit an multiplem Organversagen sterben.

Dass die Resistenzen zunehmen, ist ein Teufelskreis, an dem wir grösstenteils selber schuld sind. Je mehr Antibiotika wir einsetzen, desto stärker vermehren sich jene Bakterien, die Resistenzen tragen.

Dass gewisse Keime immun sind, ist nicht neu – den Nachweis führte unter anderem der kanadische Biochemiker Gerry Wright. «Wir suchten einen Ort, an dem die Bakterien bisher bestimmt nicht mit moderner Medizin in Berührung gekommen waren», erzählt Wright. Fündig wurde er in der Lechuguilla-Höhle, einer wenig erforschten Kaverne in einem Nationalpark in New Mexico.

In der Höhle braucht sogar das Wasser 10'000 Jahre, um in die bis zu 500 Meter tiefen Grotten vorzudringen. Wright machte eine erstaunliche Entdeckung: Manche Lechuguilla-Bakterien sind gegen Antibiotika resistent. Die Keime haben Abwehrstrategien entwickelt, lange bevor der Bakterienkiller Penizillin entdeckt wurde. Warum? Der Grund ist einsichtig: Antibiotika basieren auf natürlichen Stoffen wie Schimmelpilzen, und die gibt es ebenfalls schon seit Urzeiten.

Der ewige Kampf ist nicht zu gewinnen; mal haben die Keime die Oberhand, mal ihre Gegner. Aber wir könnten uns weiser verhalten: Der Verbrauch an Antibiotika in der Human- wie in der Tiermedizin muss gesenkt werden.

Immer wieder Schlagzeilen machte in den letzten Jahren der sogenannte MRSA-Keim, ein multiresistenter Erreger, der vor allem in Spitälern für Probleme sorgt.

Zwei von fünf Masthühnern sind resistent

Auch in der Tierzucht ist der übermässige Antibiotikaeinsatz ein Problem. Zwar ist immer ein Rezept des Tierarztes nötig, aber ist in einem Mastbetrieb ein Huhn krank, bekommen häufig alle Antibiotika. «Ob eine Einzel- oder Herdenbehandlung sinnvoll ist, muss der zuständige Tierarzt entscheiden», so das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET).

Die Zahlen des BVET zum «Antibiotikaresistenzmonitoring bei Nutztieren» sind beunruhigend. So nahmen die Resistenzen in Masthühnern gegen ein besonderes Antibiotikum, das auch für Menschen wichtig ist, von 15  Prozent im Jahr 2006 auf 46 Prozent im Jahr 2014 zu. Eine umso grössere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Hygiene bei der Fleischzubereitung.

Antibiotikaresistenzen sind ein weltweites Problem. In Indien breiten sich Erreger aus, die gegen alle Wirkstoffe resistent sind. Wissenschaftler haben sie bereits im Trinkwasser von Neu-Delhi nachgewiesen. So muss man dringend davon abraten in Indien eine Schönheitsoperation vornehmen zu lassen, auch wenn sie einem günstig scheint. Gerät die Operationswunde mit einem der multiresistenten Keime in Kontakt, kann dies das Todesurteil bedeuten.

Antibiotika: Das kann man tun
  • Verlangen Sie beim Arzt keine Antibiotika. Verschreibt er sie von sich aus, dann unbedingt in der vorgeschriebenen Dosierung einnehmen.
  • Da immer mehr Nutztiere resistente Keime tragen, ist es sehr wichtig, das Fleisch in der Küche getrennt von Dingen zuzubereiten, die man nicht kocht. Danach Hände, Messer und Brett gründlich mit heissem Wasser und Seife waschen. Die Keime gehen beim Kochen zugrunde. Hat man jedoch den Salat mit demselben Messer oder auf demselben Brett geschnitten, nimmt man sie trotzdem auf.
  • Auf keinen Fall vermeidbare Operationen in Ländern mit zweifelhafter Spitalhygiene vornehmen lassen.