Tobias Rihs wurde Multimillionär, als sein Vater Andy Rihs im Frühling 2018 starb. Der Milliardär hinterliess seinem Sohn rund 150 Millionen Franken.

Rihs junior war damals 48, «in einem Alter, in dem man weiss, dass mit grossem Reichtum auch eine gewisse Verantwortung verbunden ist – gegenüber der Welt und gegenüber nachfolgenden Generationen», sagt er.

Seit acht Jahren lebt der Architekt, Gastro- und Wellnessunternehmer in Portugal, wo er ein Gästehaus führt. 2018 erlebte er, wie die Hitze der Landwirtschaft zusetzte. Rihs begann, an Klimademos mitzumarschieren, sammelte Unterschriften für die Gletscherinitiative, beschloss, nicht mehr zu fliegen, und gründete 2021 die Stiftung Clima Now.

Illustration Tobias Rihs

Tobias Rihs, Erbe von Phonak-Inhaber Andy Rihs und Mitgründer der Stiftung Clima Now

Quelle: Patric Sandri

Zusammen mit der heutigen CEO Nathalie Moral, den Brüdern Martin und Daniel Meili – Erben von Ernst Meili, der die Firma Cerberus zum Erfolg geführt hatte – und dem Filmproduzenten Ruedi Gerber, Erbe von Ex-Roche-Präsident Fritz Gerber. Die vier Männer finanzierten das Anfangskapital von 9 Millionen Franken.

Clima Now unterstützt Lösungen, die den CO2-Ausstoss reduzieren, Treibhausgase absorbieren und Gesellschaft und Politik animieren wollen, mehr für den Klimaschutz zu tun. Zudem tätigt die Stiftung Investitionen und hat die Plattform Spotlight ins Leben gerufen, einen jährlichen Ideenwettbewerb.

Welche Vorschläge es ins Finale schaffen, entscheidet die Community. Zu den letztjährigen Gewinnern gehört unter anderem Fungi4Future. Die Initianten des Projekts wollen einen Laborpavillon bauen und darin zeigen, wie man aus Pilzen künstliches Leder oder Möbel machen kann.

Illustration Daniel Meili

Daniel Meili, Mitgründer der Stiftung Clima Now und Erbe von Ernst Meili, dem einstigen Geschäftsführer von Cerberus

Quelle: Patric Sandri
Illustration Martin Meili

Martin Meili, Mitgründer der Stiftung Clima Now und Erbe von Ernst Meili

Quelle: Patric Sandri

Die Clima-Now-Gründer hoffen, auch andere Stiftungen und andere Reiche ansprechen zu können. Rihs peilt die 1,5 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer an, die über eine Million geerbt haben.

Er selbst investiert pro Jahr 3 bis 4 Millionen Franken in nachhaltige Vorhaben. Sein Herzensprojekt sind 1600 Hektaren Land, die er im Norden von Portugal gekauft hat.

Zusammen mit zwei Pächtern will Rihs hier regenerative Landwirtschaft betreiben. «Ziel ist es, die ausgelaugten Böden ganzheitlich zu bewirtschaften, damit biologische Vielfalt wachsen kann.»

Ruedi Gerber, Mitgründer der Stiftung Clima Now und Erbe von Ex-Roche- Präsident Fritz Gerber

Ruedi Gerber, Mitgründer der Stiftung Clima Now und Erbe von Ex-Roche-Präsident Fritz Gerber

Quelle: Patric Sandri

Dass Rihs offen über seinen Reichtum spricht, ist hierzulande ungewöhnlich. Er sagt: «Ich folge dem Beispiel der amerikanischen Philanthropen. Indem sie über ihr Engagement sprechen, animieren sie andere, das Gleiche zu tun.»

Der Anteil der Erbschaften und Schenkungen am Volkseinkommen ist in den letzten fünfzig Jahren gestiegen. Von 5 Prozent im Jahr 1975 auf 13 Prozent im Jahr 2011, zeigt der Lausanner Ökonomieprofessor Marius Brülhart in seinem Bericht «Erbschaften in der Schweiz».

Brülhart sieht dafür drei Gründe. Erstens beobachte man einen kontinuierlichen Anstieg der Vermögen relativ zu den Einkommen. Zweitens seien Menschen beim Tod durchschnittlich reicher – dank zunehmender Lebensdauer und guter Vorsorge. «Drittens wird der Umfang von Schenkungen zu Lebzeiten stetig grösser.»

Die Steuern wurden gesenkt

Nach den rekordhohen 95 Milliarden Franken, die 2020 hierzulande vererbt wurden, sank das Volumen 2022 ein wenig – auf 88 Milliarden, wie die Erbschaftsstudie 2023 der Zürcher Kantonalbank zeigt. Dafür «werden voraussichtlich etwa 1,4 Milliarden an Erbschafts- und Schenkungssteuern anfallen», wie Brülhart im «Sozialalmanach 2023» der Caritas schreibt.

In den letzten Jahrzehnten haben die Kantone die Erbschaftssteuern gesenkt. Für Ehepartner wurden sie sogar landesweit und für direkte Nachkommen grösstenteils abgeschafft. Letztmals stimmte die Bevölkerung im Juni 2015 über eine Erbschaftssteuer ab: 71 Prozent waren dagegen.

Marlene Engelhorn, Gründerin der Initiative Taxmenow

Marlene Engelhorn, Gründerin der Initiative Taxmenow

Quelle: Patric Sandri

In starkem Kontrast zu diesem Nein an der Urne steht die Initiative Taxmenow, die 2021 von der deutsch-österreichischen Millionenerbin Marlene Engelhorn mitgegründet wurde.

Die 31-jährige Publizistin ist das bekannteste Gesicht der Bewegung, der sich Reiche aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angeschlossen haben. In Interviews setzt sich Engelhorn dafür ein, dass ererbtes Vermögen stärker besteuert wird.

Von einem dieser Interviews fühlte sich Nils Schlütter angesprochen. Der 27-jährige Deutsche, der mit richtigem Namen anders heisst, hat von seinem Grossvater eine Million Euro geerbt. Er spricht darüber weder mit Freunden noch am Arbeitsplatz, weil er fürchtet, man könnte ihm anders begegnen.

Schlütter möchte sich nicht fragen müssen: Geht es um mich oder mein Geld? Seine Erbschaft sei ein grosser Glücksfall, ein Polster, das ihn sein Leben lang begleiten werde. Und doch findet er es unheimlich, dass er nun auch zu denen gehört, «die unverdient reich geworden sind».

Die Schweiz wie auch Deutschland würden sich als Leistungsgesellschaften definieren. «Doch die Familie, in die wir geboren werden, bestimmt viel stärker, was aus uns wird, als das, was wir leisten. Das erinnert an die Feudalgesellschaften des Mittelalters.»

Schlütters Ideal ist ein gutes Leben für alle. Gegen philanthropisches Engagement hat er nichts, «aber um die Gesellschaft gerechter zu machen, ist es nicht das Richtige. Nicht die Reichen sollen bestimmen, welche Projekte unterstützt werden.»

Die Idee «Erbschaft für alle»

Für die Ökonomin und ETH-Forscherin Isabel Martínez ist die Idee, mit einer Erbschaftssteuer die Vermögensungleichheit zu reduzieren, zwar bestechend, aber sie sagt, sie habe einen Haken.

Viele Leute, die heute ein grosses Erbe antreten, würden dies meist im Pensionsalter tun, nachdem sie bereits von den Vorteilen ihres reichen Elternhauses hätten profitieren können. Etwa mit guter Bildung und gut bezahlten Jobs.

«Eine Erbschaftssteuer kann diese akkumulierten Vorteile nicht ausgleichen», sagt Martínez. Sie würde eine Erbschaftsteuer mit dem Vorschlag des französischen Ökonomen Thomas Piketty kombinieren, der eine «Erbschaft für alle» fordert: ein Startkapital von 120'000 Euro für alle 25-jährigen EU-Bürgerinnen und -Bürger.

Finanziert werden soll es durch höhere Steuern für Reiche. «Damit bekämen alle in jungen Jahren die Chance, ihre Ausgangssituation zu verbessern», sagt die Forscherin.

Nicht der Staat soll es richten

«Ich habe der Erbschaftssteuer-Vorlage 2015 zugestimmt», sagt Tobias Rihs. Er sei absolut dafür, dass Reiche stärker besteuert werden sollen. Doch er will es nicht dem Staat überlassen, welche Projekte gefördert werden, «ich entscheide lieber selbst, wo ich mein Geld investiere.»

Peter Wuffli, ehemals UBS-CEO und Gründer der Elea-Stiftung

Peter Wuffli, ehemals UBS-CEO und Gründer der Elea-Stiftung

Quelle: Patric Sandri

So hält es auch Peter Wuffli. Der einstige UBS-CEO gründete 2006 zusammen mit seiner Frau die Elea Foundation for Ethics in Globalization, eine Stiftung zur Bekämpfung von Armut. Das Startkapital von 20 Millionen Franken hat er selbst finanziert, «mit Geldern aus meinem UBS-Lohn».

Er sagt: «Vermögende sollten mit ihren Fähigkeiten und ihrem Geld etwas machen, das der Welt dient. Aber sie sollen dies freiwillig tun können und nicht vom Staat via Steuer dazu gezwungen werden.»

Wuffli selbst ist kein Millionenerbe, zählt aber solche zu seinen Investoren. Darunter vermögende Familien, bei denen die künftigen Erblasser zusammen mit den künftigen Erbinnen und Erben entscheiden, in welche der Elea-Portfolio-Unternehmen sie mindestens 100'000 Franken investieren wollen.

Unternehmerische Philanthropie nennt Wuffli sein Modell, das soziale und ökonomische Rendite kombiniert. Mit seiner Stiftung unterstützt er sogenannte Impact-Unternehmen in Gegenden, in denen die Menschen durchschnittlich von weniger als drei Dollar pro Tag leben.

«Inka Moss» zum Beispiel, die Idee eines Unternehmers, der in den peruanischen Anden eine Community mit Tausenden Kleinbäuerinnen und -bauern gegründet hat, und ihnen dabei hilft, das Torfmoos, das auf 3000 Metern Höhe wächst, zu fairen Preisen auf den Weltmarkt zu bringen.

Das Einkommen der Bäuerinnen betrage im Jahr durchschnittlich 100 Dollar, sagt Wuffli. Dank der Community sei ihr Verdienst jährlich 30 bis 50 Dollar höher. «Das bedeutet, dass sie zwei Kinder mehr zur Schule schicken können.»

Das Elea-Team zählt 32 Leute. Es ist so gross, weil Wuffli den Kern der Arbeit – die Suche nach Investments wie auch deren Beurteilung und Begleitung – intern haben will, «so bleibt das Know-how bei uns».

Welchen Erfolg die Investments zeitigen, wird mit verschiedenen Kriterien gemessen. Eines der wichtigsten ist der Einfluss der Stiftung: «Welchen Unterschied konnten wir machen?»

Mit ihrer Arbeit hätten sie in den letzten 15 Jahren rund 30 Millionen Menschen auf irgendeine Art positiv erreicht, sagt Peter Wuffli. Nun arbeiten er und sein Team an der Vision 2030. «Wir möchten das Leben von 100 Millionen Menschen verbessern. Das sind ungefähr 5 Prozent der 2 Milliarden Menschen, die pro Tag weniger als 3 Dollar zur Verfügung haben.»

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