Nicht immer bereitet Erben Freude. Angenommen, der Verstorbene, nennen wir ihn Heinrich Bischofberger, hinterlässt seiner Frau und den beiden erwachsenen Kindern rund 450'000 Franken Vermögen. Das Problem: 150'000 Franken davon hat er nie in der Steuererklärung deklariert. Seine Erben sehen sich plötzlich mit Steuerhinterziehung konfrontiert. Wenn sie sich jetzt korrekt verhalten, haben sie rechtlich nichts zu befürchten – allerdings werden sie zur Kasse gebeten.

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Um beim Tod eines Steuerpflichtigen einen Überblick über die Erbschaft zu erhalten, wird innert zweier Wochen ein amtliches Inventar aufgenommen. Die Erben tun gut daran, bei dieser Gelegenheit bisher nicht deklarierte Vermögenswerte – wie etwa ein vergessenes Bankkonto oder heimlich erworbene Wertschriften – zu melden. Dazu sind sie gesetzlich verpflichtet, und sie ersparen sich in der Regel teure Bussverfahren. Entdecken lassen sich solche unversteuerten Vermögenswerte, indem man etwa Angaben in der letzten Steuererklärung mit persönlichen Aufzeichnungen des Verstorbenen vergleicht.

Die Meldung bisher nicht versteuerter Vermögenswerte löst ein Nachsteuerverfahren aus. Die hinterzogenen Steuern (Staats- und Gemeindesteuern, direkte Bundessteuer), also die Differenz zwischen dem im Hinterziehungsverfahren berechneten Steuerbetrag und den vorher tatsächlich bezahlten Steuern, sind von den Erben zu zahlen. Nachsteuern und Verzugszinsen werden dabei «nur» für die letzten zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers erhoben. Da die Erben in der Regel kein Verschulden an der Steuerhinterziehung des Verstorbenen trifft, werden sie auch nicht gebüsst. 

Bis zu 50'000 Franken Busse

Aber auch ohne Busse müssen sie mit beträchtlichen Kosten rechnen. Je nach Kanton sind die Nachsteuern unterschiedlich hoch. Im Beispiel von Heinrich Bischofberger, der durchschnittlich 100'000 Franken Einkommen und 300'000 Franken Vermögen versteuerte, betragen die Nachsteuern für die vergangenen zehn Jahre in der Stadt Zürich knapp 15'000 Franken. In der Stadt Bern wären es hingegen etwa 20'000 Franken. Zwischen diesen beiden Beträgen liegen die Belastungen in Aarau, Liestal und Schwyz.

Riskant ist es, wenn eine Erbengemeinschaft zum Schluss kommt, jeder Erbe solle für sich selber entscheiden, ob er seinen Anteil an den verheimlichten Geldern versteuern möchte oder nicht. Damit ist die Erbengemeinschaft schlecht beraten. Weil sie das unversteuerte Erbe bei der Inventaraufnahme nicht offen legen, machen sich alle Erben strafbar. Finden es die Behörden heraus, drohen Bussen von bis zu 10'000 Franken, in schweren Fällen oder bei Wiederholungstätern bis zu 50'000 Franken.

Mitgegangen, mitgehangen

Ausserdem erwarten jeden einzelnen Erben Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Denn Vermögenswerte, die im amtlichen Inventar nicht deklariert sind, werden in der Regel auch nicht in der eigenen Steuererklärung aufgeführt. Zusätzlich zu Nachsteuern und Verzugszinsen ist eine Busse in der Höhe der hinterzogenen Steuer fällig. Bei leichtem Verschulden kann sie auf einen Drittel ermässigt, bei vorsätzlichem Handeln jedoch bis auf das Dreifache erhöht werden.

Wenn nun einer der Erben nach Abschluss des Inventarverfahrens Selbstanzeige erstattet, kann er zwar für sich persönlich die Busse auf einen Fünftel der hinterzogenen Steuern reduzieren. Mit der Selbstanzeige eines Erben wird aber mit grösster Wahrscheinlichkeit auch das strafbare Verhalten der anderen bekannt. Denn die Behörden machen in solchen Fällen steueramtliche Meldungen, auch über Kantonsgrenzen hinweg. Erwischte Sünder können nicht mit Gnade rechnen.

Viele Leute meinen, es sei den Behörden kaum möglich, Steuerdelikte zu entdecken. «Das ist grundsätzlich nicht zutreffend», widerspricht Markus Kühni, Leiter Sektion Spezialsteuern des Kantonalen Steueramts Aargau. «Es sind nicht nur die Steuerbehörden, die Revisionen durchführen, Steuermeldungen erstatten oder Vermögensvergleichsberechnungen vornehmen. Steuerhinterziehungen werden auch regelmässig durch andere Amtsstellen wie Gerichte und Sozialversicherungsanstalten aufgedeckt und gemeldet – und natürlich durch Denunziationen.»

In der Schweiz werden jährlich knapp 30 Milliarden Franken vererbt; wie viel davon am Fiskus vorbeigeschleust wird, ist unklar. «Schätzungen zu unversteuertem Vermögen aus Erbschaft in der Schweiz liegen nicht vor», sagt Lukas Schneider, Informationsbeauftragter der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Jedoch verfügt er über «verlässliche Angaben» auf kantonaler Ebene. Im Tessin war es während einiger Jahre möglich, Erben von hinterzogenen Steuervermögen von der Nachsteuer wie auch von der Busse zu befreien. Bei dieser Erbenamnestie tauchten laut Lukas Schneider zwischen 1993 und 1998 bisher unversteuerte Vermögenswerte von 370 Millionen Franken auf.

Am besten zeigt man sich selbst an

Da Erben in der Regel nicht für Steuervergehen des Erblassers verantwortlich gemacht werden können, möchte der Bundesrat eine Art «Steueramnestie für Erben» gesetzlich verankern. Er hat deshalb das Finanzdepartement beauftragt, eine Botschaft zur Vereinfachung der Nachbesteuerung in Erbfällen auszuarbeiten. Zentral soll dabei ein von zehn auf drei Jahre verkürztes Nachsteuerverfahren sein. Dies bedeutet in erster Linie, dass die Erben weniger Nachsteuern und Verzugszinsen bezahlen müssten. Gleichzeitig soll die straflose Selbstanzeige eingeführt werden. Sie sieht den Verzicht auf Verzugszinsen vor; allerdings geht man nur ein einziges Mal straflos aus.

Schon jetzt kann man sein strafbares Verhalten beenden, indem man bisher unversteuertes Einkommen und Vermögen bei den Steuerbehörden meldet. Diese Selbstanzeige ist jederzeit möglich; sie muss jedoch spontan sein und alle bisher nicht deklarierten Einkommens- und Vermögenswerte umfassen. «Spontan» bedeutet, dass die Selbstanzeige freiwillig, also ohne jeden Druck von aussen, insbesondere der Steuerbehörden, erfolgt. Ausserdem muss man unbedingt darauf hinweisen, dass bisher nicht versteuertes Vermögen neu in der Steuererklärung aufgeführt wird. Eine blosse Deklaration ohne Hinweis genügt nicht. Bei einer Selbstanzeige wird wiederum ein Nachsteuerverfahren eröffnet. Dann müssen nicht nur der hinterzogene Steuerbetrag und Verzugszinsen nachbezahlt werden, sondern es wird auch eine Busse von einem Fünftel der hinterzogenen Steuern ausgesprochen.

Den Vorteil haben die Erben: Ihnen werden finanzielle Unannehmlichkeiten erspart – und das Andenken an die verstorbene Person bleibt ungetrübt.