Ausführlicher, tabellarischer PK-Vergleich

Dass Pensionskassen völlig verschieden rechnen und versichern, weiss Christoph Ryter aus dem Effeff. Er ist Geschäftsleiter der Migros-Pensionskasse und steht damit jener Kasse vor, die im Beobachter-Vergleich in vielen Kriterien am besten abschneidet. Ryter kommentiert sein Spitzenresultat trotzdem betont sachlich. Muss er wohl. Er ist auch Präsident des Pensionskassenverbands ASIP und damit von Amts wegen zu Neutralität verpflichtet. Diplomatisch sagt er: «Das Gesetz legt nur Mindeststandards fest. Diese können von den einzelnen Kassen übertroffen werden. Genau das tun gut ausgebaute Vorsorgeeinrichtungen.» Und seine Kasse ist gut ausgebaut – wie auch jene von Credit Suisse und Novartis.

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Die Banker erhalten deutlich mehr Geld

Für den Vergleich hat der Beobachter zwölf Pensionskassen mit total 1,1 Millionen Versicherten angefragt. Verglichen wurden die Leistungen anhand von zwei Musterversicherten: einem 50-jährigen verheirateten Mann mit zwei minderjährigen Kindern und einer 32-jährigen Frau, die im Konkubinat lebt. Bei ihm beträgt der Jahreslohn 100'000 Franken und das Sparguthaben 250'000 Franken, bei ihr sind es 70'000 Franken Lohn und 35 000 Franken Sparguthaben. Der Einfachheit halber wurde angenommen, der Lohn bleibe bis zur Pensionierung gleich. Damit auch Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen wie Axa, Swiss Life und ASGA mitmachen konnten, wurde ihnen ein vergleichbarer Leistungsplan vorgegeben.

Die Resultate zeigen: Wer bei einer guten Kasse ist, kann seiner Pensionierung ohne grosse Sorgen entgegensehen. Dort ist man deutlich besser versichert als bei einer Durchschnittskasse. Am krassesten sind die Unterschiede bei Normalverdienern, wie das Beispiel der Versicherten mit 70'000 Franken AHV-Lohn zeigt. Geht sie mit 64 in Pension, erhält sie bei der Credit Suisse 45'163 Franken Rente pro Jahr, bei der ASGA mit 21 479 Franken nicht einmal die Hälfte. Genauso krass ist der Unterschied bei einer Pensionierung mit 61: Die ASGA-Versicherte bekommt mit 16'801 Franken nur 47 Prozent der CS-Rente.

Die Migros zahlt bei 100'000 Franken AHV-Lohn die höchste Altersrente. Wer ordentlich mit 65 Jahren in Pension geht, erhält 54 890 Franken pro Jahr. Um auf die Maximalrente zu kommen, muss der Migros-Angestellte mit 50 allerdings noch 70'000 Franken selber in die PK einschiessen. Am wenigsten gibts bei der ASGA-Sammelstiftung: nur 36'038 Franken im Jahr. Das sind jeden Monat 1500 Franken weniger als bei der Migros. Sechs der zwölf Kassen zahlen Jahresrenten zwischen 39'000 und 36'000 Franken.

Hohe Arbeitgeberbeiträge und ein hoher Berechnungszins führen auch zu massiv besseren Freizügigkeitsleistungen. Die CS-Mitarbeiterin kommt mit 60 auf 585'622 Franken, die ASGA-Versicherte bei gleichem Lohn auf nur 265'360 Franken.

Wichtig: Alle Kassen im PK-Vergleich übertreffen die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen. Bei einer BVG-Minimalrente erhält man bei 100'000 Franken AHV-Lohn und einem Berechnungszins von 1,5 Prozent nur 32'361 Franken Rente, wenn man mit 65 in Pension geht; das Freizügigkeitskapital mit 60 beträgt bloss 396'542 Franken und die IV-Rente lediglich 21'288 Franken im Jahr. Jeder siebte Arbeitnehmer ist bei einer Minimalkasse versichert.

Trotz den enormen Unterschieden sind solche Vergleiche aus zwei Gründen immer etwas tückisch. Erstens, weil bei gleichem Lohn nicht gleich viel Geld in die Pensionskasse fliesst. Wo mehr eingezahlt wird, ist man meistens auch besser versichert. Bei der Credit Suisse etwa machen die Beiträge für den 50-Jährigen 34 Prozent des versicherten Lohns aus. Davon übernimmt die CS gut zwei Drittel. Bei der Kasse des Gastropersonals gehen dagegen nur 16,4 Prozent des versicherten Lohns in die Altersvorsorge. Und die Arbeitnehmer müssen die Hälfte selber zahlen. Das bedeutet: Die CS als Arbeitgeber zahlt dreimal höhere Vorsorgebeiträge wie ein Wirt. Ähnlich grosszügig wie die Grossbank sind Migros, Coop und Novartis. Sie kommen für jeweils zwei Drittel des PK-Beitrags auf.

Der zweite Grund für die grossen Unterschiede liegt in der unterschiedlich guten Verzinsung der Vorsorgegelder. Jede Pensionskasse kann selber festlegen, mit welchem Zinssatz sie die Altersleistungen hochrechnen will. Kassen, die mit höheren Zinsen rechnen, weisen automatisch bessere Leistungen aus. Die Coop-Vorsorgeeinrichtung, die mit einem Projektionszins von 3,25 Prozent rechnet, sieht schon von daher besser aus als ABB, SBB und ASGA, die nur mit 1,5 Prozent Zins rechnen. Der kleine Unterschied hat – über ein Arbeitsleben gerechnet – enorme Konsequenzen: ein Prozent mehr Zins bedeutet bei einem versicherten Jahreslohn von 80'000 Franken bei der Pensionierung 120'000 Franken mehr Alterskapital. Das sind gut 650 Franken mehr Rente pro Monat.

Hohe Zinsen können die Pensionskassen aber nur gewähren, wenn sie an den Finanzmärkten mehr verdienen. Und das funktioniert in der Regel nur mit einer risikoreicheren Anlagestrategie. Verfehlt die Kasse die Anlageziele, sinkt erst einmal ihr Deckungsgrad. Geschieht das über Jahre hinweg, sind die schönen Zahlen im PK-Ausweis bald nur noch Makulatur.

Die Zeiten, als die Renten der Teuerung angepasst wurden, sind passé. In den letzten zehn Jahren haben bereits fünf der zwölf befragten Kassen die Renten eingefroren. Bei den anderen sieben Kassen gab es auch nur einen Teuerungsausgleich zwischen 0,4 und 6 Prozent (bei Gastrosocial). Dass die Kassen die Teuerung nicht mehr ausgleichen, hat einen Grund: Sie wollen den Graben zwischen Rentnern und aktiv Versicherten nicht noch weiter öffnen, denn die aktiv Versicherten leiden stärker unter den Stürmen der Finanzkrise. Zwei Börsenstürze und jahrelang extrem tiefe Zinsen führten dazu, dass die Pensionskassen die einmal in Aussicht gestellten Renten kaum mehr finanzieren können. Die Zeche zahlen vorab die aktiv Versicherten: Ein Teil der Gewinne, die mit ihren PK-Geldern erzielt werden, geht an die Rentner. Darum können die Altersguthaben der aktiv Versicherten meist nur noch schwach verzinst werden.

Letztes Jahr erzielten die Pensionskassen im Schnitt eine Rendite von gut sechs Prozent. Doch die Versicherten erhielten nicht einmal die Hälfte davon: Am besten kamen Novartis-Angestellte mit einem Plus von drei Prozent davon. Viele Kassen gewährten aber nur 1,5 Prozent.

Enorme Unterschiede bei der Witwenrente

Auch beim Risikoteil, über den Arbeitnehmer gegen Invalidität und Todesfall versichert sind, weichen die Leistungen der Kassen stark voneinander ab.

Die höchste Witwenrente für den Modellversicherten gewährt die Migros mit 33'659 Franken pro Jahr. Bei Axa, Swiss Life und ASGA (mit identischem Plan) gibt es bloss 18'103 Franken. Auch bei der Partnerrente für Konkubinatspaare ist die Migros generöser als die Konkurrenz: Bei ihr erhält der Partner 22'932 Franken pro Jahr, bei Coop nur 9503 Franken. Für Coop-Angestellte lohnt es sich, die Partnerschaft offiziell eintragen zu lassen. Dann erhält der Partner die höhere Ehegattenrente. Bei Credit Suisse und SBB heiratet man am besten; bei einem Todesfall erhalten die Partner nur das Todesfallkapital ausbezahlt und keine Rente.

Grössere Änderungen sind nicht in Sicht

Die IV-Rente ist für die Modellangestellte bei der Credit Suisse mit 40'625 Franken spitze: 22'453 Franken mehr als bei den Sammeleinrichtungen. Die höchste IV-Rente für den versicherten Mann zahlt Novartis (45'400 Franken), am wenigsten erhält er bei den Sammeleinrichtungen (30'172 Franken). Die Bandbreite bei Waisenrenten ist ähnlich weit: Sie liegt zwischen 10'103 Franken (Coop) und 6034 Franken (Axa/Swiss Life/ASGA).

Der Zürcher PK-Experte Olivier Deprez zeigt sich von den Resultaten wenig überrascht. Die beträchtlichen Unterschiede lägen «in der Natur der Sache»: Die Firmen bieten unterschiedlich attraktive Vorsorgelösungen an. Alternativen zum heutigen System sieht Deprez nicht. Tiefgreifende Änderungen am System würden seiner Meinung nach nur zur «Nivellierung nach unten» führen. Es gäbe nicht für alle mehr, sondern für die besser Versicherten weniger. Sein Tipp: «Wer seine Stelle wechselt, sollte beim Lohnpaket unbedingt die Pensionskassenleistungen berücksichtigen.»

Korrekturen am heutigen System sind auch laut dem Gewerkschafter Jorge Serra vom Verband des Personals öffentlicher Dienste eine knifflige Sache. «Für Leistungsverbesserungen in der einzelnen Pensionskasse braucht es immer auch die Zustimmung des Arbeitgebers; für eine allgemeine Anhebung des BVG-Minimums ist jedoch der Gesetzgeber zuständig.» Ausserdem sei die zweite Säule wegen der anhaltend tiefen Zinsen und der hohen Verwaltungskosten unbeliebt, sagt Serra. Das Vertrauen habe spürbar gelitten. Der Gewerkschaftsbund setze mit der «AHV-plus»-Initiative darum auf den Ausbau der ersten Säule. Das Volksbegehren will die AHV-Renten generell um zehn Prozent anheben, was Mehrkosten von rund 3,6 Milliarden Franken pro Jahr zur Folge hätte.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat andere Ziele. Es arbeitet an der Reform «Altersvorsorge 2020». Dabei geht es vor allem «um die langfristige finanzielle Stabilität der zweiten Säule», sagt BSV-Direktor Jürg Brechbühl. Ihr Ziel: das «Niveau der Mindestleistungen sichern». Den Arbeitgebern solle es weiterhin offenstehen, über die obligatorischen Leistungen hinauszugehen. Damit ist klar: Mehr Rente bei gleichem Lohn bekommt auch in Zukunft nur, wer bei einer Firma mit gut ausgebauter Pensionskasse angestellt ist. «Gleiche Rente bei gleichem Lohn» bleibt bis auf weiteres ein frommer Wunsch.