You are not alone...
...if you don't understand English advertising claims. Den meisten Schweizern geht es nämlich gleich: Sie verstehen englische Werbesprüche nicht, wie eine repräsentative Umfrage ergab.
Veröffentlicht am 4. Mai 2007 - 11:35 Uhr
Vor langer, langer Zeit, als man Briefe noch mit der PTT verschickte statt mit «Postmail», als ein Geländewagen bestenfalls ein «Jeep» war und sicher kein «Sport Utility Vehicle», da verstanden die Menschen in diesem Land die Sprache der Werbung noch. Da wusste man, «was man hat» (nämlich das Waschmittel Persil), da verkaufte Jelmoli zwar auch schon Markenartikel, war aber noch kein «House of Brands», und bei der Automarke Hyundai war einfach noch «alles dabei». Erst der Nobelkurort St. Moritz war «Top of the World», aber das wusste man sowieso.
Good old times waren das. Heute lockt die «Railcity», die früher unter dem Namen «Hauptbahnhof» bekannt war, mit «Shop & Go», wer mit einem Kleinkredit liebäugelt, dem hilft die GE Money Bank mit «Imagination at work» auf die Sprünge, und die Zukunft mobiler Telefonkunden ist angeblich «bright» und «orange».
Fragt sich bloss, ob das derart mit englischen Werbesprüchen eingedeckte Publikum überhaupt versteht, was ihm da vermittelt werden soll. Der Beobachter hat durch das Basler Institut Konso die Probe aufs Exempel machen lassen. 700 Personen aus der deutschen Schweiz wurden nach der Bedeutung von englischen Werbesprüchen - in der Werbersprache Claims genannt - gefragt. Das Resultat: Werden ihnen Produkte oder Dienstleistungen im Idiom Shakespeares ans Herz gelegt, verstehen Herr und Frau Schweizer sehr oft bloss «railway station». Sorry: Bahnhof.
Bei neun der zehn ausgewählten Claims gab die grösste Gruppe der Antwortenden an, den englischen Text nicht übersetzen zu können. Lediglich «Always a smile» der Telekomfirma Sunrise schaffte es, fast der Hälfte der Befragten die korrekte Antwort - «Immer ein Lächeln» - und damit der Medienstelle einen selbstbewussten Kommentar zu entlocken: «Dieses Resultat deckt sich mit unseren eigenen Erkenntnissen», sagt Sprecher Konrad Stokar. Kleiner Wermutstropfen für das Telekomunternehmen: Immerhin ein Prozent der Befragten dachten beim Slogan «Always a smile» zuallererst an Damenbinden.
So viele Schweizer wissen nicht, was folgende Werbesprüche bedeuten:
Fidelity | Choose wisely | 80% |
Intel | Dual-care. Do more. | 77% |
Kent | Distinct by design / true: impression | 76% |
Julius Bär | Committed to excellence | 74% |
Cablecom | Touch your worlds | 56% |
Sony | Colour like.no.other | 51% |
Hyundai | Drive your way | 47% |
Adidas | Impossible is nothing | 46% |
Schweiz Tourismus | Switzerland. Get natural. | 45% |
Sunrise | Always a smile | 38% |
Quelle: Institut für Konsumenten und Sozialanalysen AG (Konso); Befragungszeitraum: 19. bis 31.März 2007; Telefonbefragung bei 701 für die deutsche Schweiz repräsentativen Personen im Alter von über 14 Jahren.
Mit einer Verwechslung müssen auch die Verantwortlichen von Adidas leben: «Impossible is nothing» konnten zwar knapp 38 Prozent der Befragten mit «Nichts ist unmöglich» korrekt übersetzen, knapp zwei Prozent gaben aber an, dass es sich dabei um eine Werbung von Toyota handelt. Allzu weit hergeholt ist das nicht: Der japanische Autohersteller warb einst mit «Everything is possible» - was das Gleiche heisst wie der Adidas-Slogan, bloss positiv ausgedrückt.
«Englischer Sprachimperialismus» Alles oder nichts, möglich oder unmöglich: «Wer sich auf Englisch an ein deutschsprachiges Publikum richtet, offenbart oft auch eine kommunikative Schwäche», sagt Frank Bodin, Präsident des Verbands der führenden Werbeagenturen der Schweiz (BSW Leading Swiss Agencies) und Geschäftsführer der Werbeagentur Euro RSCG Zürich/Genève.
Der «englische Sprachimperialismus» ist Bodin alles andere als geheuer, selbst wenn ihm Wörter wie Claim oder Shooting (für Fotoaufnahmen) berufsbedingt leicht über die Lippen gehen: «Wir wissen aus eigenen Studien, dass die Leute bei englischsprachiger Werbung oft nicht verstehen, was gemeint ist.» Als Werber habe man zudem eine gesellschaftliche und kulturelle Verantwortung, sagt er: «Der Mensch unterscheidet sich vom Affen durch eine anständige Sprache.» Und darunter versteht der vielfach ausgezeichnete Werber für die Deutschschweiz wenn immer möglich gutes Deutsch statt fragwürdiges Englisch.
Andere versuchen es einfach mit einer Mischung: «Was ist Excellence?», will die Bank Julius Bär in ihrer neusten Kampagne wissen. Eine gute Frage. Für knapp drei Viertel der von Konso Interviewten bleibt nämlich schleierhaft, was der Bär-Claim «Committed to excellence» («Herausragender Leistung verpflichtet») bedeutet. Das Resultat der Umfrage habe keine Aussagekraft, weil der Claim sowieso nie allein stehe, erklärt Banksprecher Martin Somogyi knapp. Und: «Es liegt keine deutsche Übersetzung vor.»
Auch der Mediensprecher von Hyundai Schweiz mag sich nicht auf eine verbindliche Übersetzung des Slogans «Drive your way» festlegen und spricht stattdessen lieber von «Qualität und Individualität», die mit dem Spruch transportiert werden sollen. Fest steht: «Fahr mit dem Zug», wie ein Befragter vermutete, bedeutet der Werbespruch der Automarke mit Sicherheit nicht.
Andernorts ist man auf Anfrage durchaus bemüht, eine Lesehilfe zu bieten: «Choose wisely» bedeute «Gut gewählt», übersetzt man auf der Pressestelle der Fondsmanagement-Gesellschaft Fidelity International. Was allerdings eher gut geraten als korrekt übersetzt ist. Wörtlich übertragen, bedeutet der Spruch nämlich «Wähle weise». Womit auch gleich die in der Konso-Umfrage geäusserte Vermutung widerlegt wäre, «Choose wisely» habe etwas mit Saft (auf Englisch «juice») zu tun.
Hauptsache, es klingt gut «Viele Menschen ‹lernen› Englisch, indem sie Wort- oder Satzfetzen aufschnappen», erklärt dazu Urs Dürmüller, Englischprofessor an der Pädagogischen Hochschule Bern. «Sie können dann zwar oft erahnen, was ein englischer Ausdruck in etwa bedeuten könnte, aber für ein richtiges, analytisches Verständnis der Aussage fehlt ihnen das Wissen.» Ein Wissen, das allerdings bei manchen Werbekampagnen auch überhaupt nicht zwingend notwendig ist, wie Dürmüller vermutet: «Wenn wirklich eine Botschaft übermittelt werden sollte, dann würden die Firmen auf Deutsch kommunizieren.»
Der Verdacht kommt dem Sprachwissenschaftler etwa bei «Distinct by design /true: impression». Der Claim, der für Zigaretten der Marke Kent Futura auf den Plakatwänden prangt, verwendet nach Urs Dürmüllers Ansicht «ein sehr anspruchsvolles Vokabular. Möglicherweise geht das Unternehmen gar nicht davon aus, dass man die Textbotschaft versteht.» Womit das Ziel in diesem Fall erreicht wäre. 76 Prozent der Befragten hatten keinen blassen Dunst, was ihnen mit diesen Worten vermittelt werden sollte. Der Rest rätselte: «Unterscheide durch Zeichnung, um zu beeindrucken»? «Wahre Impressionen beim Design»? Oder gar: «Hergeführt vom Design, Wahrheit im Druck»? Der Trost für alle, die danebenlagen: Selbst die offizielle Übersetzung der Herstellerfirma, «Unverwechselbares Design, echter Eindruck», strotzt nicht vor Sinnhaftigkeit.
Diese freilich ist nicht zwingend das oberste Ziel von Werbung. Hauptsache, es tönt schön: «Dual-core. Do more» (frei übersetzt: «Zwei Prozessoren. Mach mehr») beispielsweise, der Claim des Computerchip-Herstellers Intel, wurde zwar nur von elf Prozent der Befragten halbwegs verstanden, aber darüber mag man sich bei Intel nicht grämen. Im Gegenteil: «Wir sind von dieser Zahl sehr positiv überrascht», sagt Mediensprecher Horst Katter, «denn gemessen an der Grösse der Zielgruppe, ist das eine respektable Zahl.»
Und wenn dann trotzdem jemand nach einer Übersetzung sucht, endet dies, von den Werbern um des eingängigen Reimes willen offensichtlich in Kauf genommen, nicht selten im sprachlichen Niemandsland: «Ein Duell gegen zwei» oder «Zwei Ziele machen mehr» jedenfalls vermögen als Lösungsvorschläge nur beschränkt zu überzeugen.
Dumm ist bloss, wenn das Publikum das Gegenteil von dem versteht, was eigentlich gemeint ist: «Colour like.no.other» (wörtlich: «Farbe wie keine andere»), mit dem Sony einen LCD-Fernseher bewirbt, wurde von den Befragten unter anderem mit «Farbe ist was anderes» übersetzt. Sony-Mediensprecherin Marie-Françoise Ruesch sieht darin kein Problem: Indem der beworbene Fernseher eine führende Marktposition habe, habe der Schweizer Konsument bestätigt, «dass er den Claim verstanden hat und Wert auf ein unvergleichliches Farberlebnis legt».
Leider falsch verbunden Da geht man andernorts lieber auf Nummer sicher. «Switzerland. Get natural», warb Schweiz Tourismus noch vor kurzem selbst um einheimisches Publikum. «Get natural» (zu Deutsch etwa: «Werde natürlich») sei halt kurz und prägnant und das «get» als Aufforderung gedacht. Seit neustem kommt die Bevölkerung wieder in den Genuss von heimischen Sprachschöpfungen: «Schweiz. Ganz natürlich» wirbt jetzt für Ferien im eigenen Land.
Den Weg zurück zu den sprachlichen Wurzeln überlegt sich nach der Beobachter-Umfrage auch Cablecom: Wenn fünf Jahre nach Einführung des Claims 56 Prozent der Befragten keine Ahnung hätten, wofür «Touch your worlds» («Berühre deine Welten» oder offiziell: «Wir verbinden die Menschen mit ihren Welten») stehe, sei das «nicht sehr aufbauend», sagt Kommunikationschef Hans-Peter Nehmer.
Ähnliche Erfahrungen machte auch schon die Cablecom-Konkurrentin Swisscom: «Go far, come close», der frühere Claim von Swisscom Mobile, «wurde von vielen Kunden nicht verstanden», wie Swisscom-Sprecher Carsten Roetz eingesteht. Nun wirbt man - auch im Sinne eines einheitlichen Auftritts - mit dem gleichen Spruch wie auch für Swisscom Fixnet: «Einfach verbunden» in den drei Landessprachen. Bloss für den englischsprachigen Auftritt im Internet musste man diesen anpassen und - für einmal in der umgekehrten Richtung - übersetzen lassen. Dort heisst es jetzt: «Simply connected». «Aber», so Roetz, «wer dorthin klickt, versteht meist Englisch.»