Die Ravioli sehen unverdächtig aus. Dabei steckt Hanf im Teig. Die Bündner Spitzenköchin Rebecca Clopath hat für ihre neuste Kreation den Trester in den Teig eingearbeitet, der bei der Herstellung von Hanföl übrig bleibt. «Man hat das nussige, aber auch das erdige Aroma. Das macht Hanf so vielfältig einsetzbar», sagt sie. Clopath gehört einer innovativen Truppe namens Alpenpionier an, die THC-armen Hanf als Kulturpflanze fördern will.

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Auch Mia Engi schwärmt von der «Powerpflanze» Hanf, deren Öl reich an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sei. Sie habe sich ja mit vielen Pflanzen und deren Wirkung befasst. «Aber nicht einmal in meiner Ausbildung als Naturheilpraktikerin spielte Hanf eine Rolle», erzählt die Ex-Skiakrobatik-Weltmeisterin. «Verrückt, ich erlebte eine Art Hanfschock – mit fast 70!»

Mittlerweile nimmt Mia Engi täglich als Erstes einen Löffel Hanföl zu sich. «Seit ich das mache, fühle ich mich total fit.» Es sei schade, was an Wissen verloren gegangen sei durch das Hanfverbot im vergangenen Jahrhundert. «Ich habe ein Tischtuch, für das meine Grossmutter noch den Hanf angebaut, gesponnen und gewoben hat. Doch die Idee, mich mit der gesundheitlichen Wirkung von Hanf zu befassen, ist mir nie gekommen.»

Es begann mit ein paar Tropfen Hanföl

Ähnlich ging es Adrian Hirt, eine Generation jünger als Mia Engi. Als der Lebensmitteltechnologe vor zwei Jahren das Sortiment für seinen Laden in Tschiertschen GR zusammenstellte, stiess er auf Speisehanf. Und wurde hellhörig: «Ich stelle zwar Fleischdelikatessen her. Doch ich glaube, dass wir in naher Zukunft vor allem pflanzliche Nahrung zu uns nehmen werden.» Weil Hanfsamen sehr proteinhaltig sind, sieht er darin eine wunderbare Alternative zu Fleisch – auch «weil der Hanf bei uns sehr gut wächst».

Zum Beispiel bei Gärtner Emanuel Schütt. Er kultivierte seit längerem auf kleiner Fläche Lebensmittelhanf. Dazu nutzt er spezielle Sorten mit sehr niedrigem THC-Gehalt, die es seit Jahrzehnten gibt. Aus den herausgedroschenen Samen lässt er Hanföl pressen. Ein Geschäft war das nicht: «Ich war nahe dran aufzuhören.» Doch dann lieferte er eine Charge Hanföl in Hirts Laden nach Tschiertschen – und setzte damit eine ganze Maschinerie in Gang.

Hanf

Kulinarisch vielseitige Kulturpflanze: Knabberhanf und Hanfkäse

Quelle: Maurice K. Grünig

Denn bei Engi, Hirt und Schütt reifte die Idee, dass aus dem Öl mehr werden könnte. Bald liessen sich weitere Enthusiasten von der Idee anstecken. Und schliesslich gründeten sie mit Profi-Snowboarder Nicolas Müller, Köchin Rebecca Clopath, Lebensmitteltechnologe Carlo Weber sowie dem Grafik-Film-Duo Martin Luchsinger und Christian Neuenschwander 2017 die Alpenpionier AG. Ihr Ziel: Hanf als Nutzpflanze in den Alpen wieder anzusiedeln. Zudem wollen die Pioniere aus den Samen Delikatessen herstellen und Absatzkanäle für die Faserstoffe finden.

Traditionell angebaut

Den Anbau besorgen Biobauern. Einer davon ist Martin Plump, ebenfalls aus Tschiertschen. Er bepflanzte letztes Jahr ein kleines Feld mit Hanf. «Ausser ackern und säen musste ich gar nichts machen», sagt er. Auch darum schätzen Hanf so viele: Er ist robust, gedeiht ohne viel Zutun. «Und er reift auch in unseren Höhenlagen», so der Bauer.

So wurde Hanf denn auch bis ins vergangene Jahrhundert in den Schweizer Bergen kultiviert, besonders rund um Tschiertschen. Davon zeugen Stofferzeugnisse wie Mia Engis Tischdecke. Aber auch Flurnamen. Hanfland zum Beispiel – den es auch in anderen Landesteilen gibt. Und der Talname Schanfigg könnte etymologisch von Scanabis abgeleitet sein, das vom lateinischen Cannabis herkommt. 

30 Bio-Landwirte werden ab Juni im Auftrag von Alpenpionier Hanfsamen aussäen. Die Felder umfassen insgesamt rund 50 Hektaren im Bündnerland, in Liechtenstein, St. Gallen und im Thurgau. Derweil suchen die Alpenpioniere eine Produktionsstätte für die Delikatessen, die sie aus den geernteten Nüsschen herstellen wollen. 

Hanf in Küche und Medizin

Alle Teile der THC-armen Hanfpflanze können verwertet werden. Als Lebensmittel bieten die Samen mit ihren wertvollen Inhaltsstoffen die besten Möglichkeiten. 

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Der Lebensmitteltechnologe Carlo Weber ist federführend, wenn es darum geht, die neuen Produkte marktfähig zu machen. Er möchte allerdings noch nicht zu viel verraten, aber Lebensmittel wie eine Art Tofu lägen nahe. «Der Eiweissgehalt stimmt schon mal, wir müssen einfach noch Wege finden für eine gute Verarbeitung mit einheimischen Zutaten.»

Bislang verkaufen die Alpenpioniere Öl, Hanfmehl aus dem Trester und geröstete Nüsschen. Die gesalzene Nüsschenvariante nennen sie Kino-Hanf, es ist quasi die Einstiegsdroge in die Welt des Speisehanfs; mit dem nussigen Aroma begeistert sie durchs Band. Das Öl hingegen ist für einige gewöhnungsbedürftig. «Es ist wie bei vielen neuen Lebensmitteln: Man lernt sie oft erst nach mehrfachem Genuss lieben», sagt Lebensmitteltechnologe Weber.

Köchin Rebecca Clopath setzt Speisehanf immer wieder ein bei ihren Tavolatas, die sie im bündnerischen Lohn auf dem Bauernhof ihrer Eltern durchführt. Demnächst erscheint von ihr auch ein kleines Kochbuch mit alltagstauglichen Hanfrezepten. Ihre Arbeit hilft Weber bei der Entwicklung neuer Produkte. Die beiden tauschen sich rege aus.

Ein sehr dominantes Aroma

Auch im Unterland tüfteln Köche an Hanfrezepten. Sebastian Rösch etwa, Sternekoch und Küchenchef im Spitzenrestaurant Mesa in Zürich. Eine Hüppe mit Hanfmehl und Nüsschen zählt er zu seinen Favoriten. Aber: «Hanf muss man gekonnt einsetzen, sein Aroma ist schnell zu dominant.» So sei er bei Rezepttüfteleien schon mehrfach gescheitert. «Aber generell ist Speisehanf eine tolle Sache», sagt Rösch. «In diesem Jahr werde ich immer wieder Gerichte mit Hanf auf der Karte haben.»

Gourmet-Experimente werden auch in Tschiertschen durchgeführt. Martin Plumps Sohn Reto zum Beispiel backt ein Brot mit Hanf. Sicher ist: Nachdem das Gewächs eher stürmische Zeiten erlebt hat, blüht es nun als Kulturpflanze wieder auf.

Rezept: Hanfbrot

Für ein Brot oder etwa 15 Brötchen

  • 700 g Mehlmischung für Brot, zum Beispiel Gran Alpin
  • 200 g Einkornmehl
  • 100 g Hanfpulver
  • 7 g Salz
  • 10 g Hefe
  • 15 g Quark
  • 15 g Hanföl
  • 550 g Wasser

 

So geht es:

  • Alles rund 8 Minuten kneten
  • Weitere 5 Minuten von Hand 
  • Weiterkneten
  • Den Teig mindestens 3 Stunden gehen lassen 
  • Brötchen formen
  • Bei 250°C 10 Minuten backen
  • Bei 180°C 20 Minuten weiterbacken, einmal umschichten

 

Rezept von Rebecca Clopath

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Infografik: Andrea Klaiber
Quellen: alpenpionier.ch, Lachenmeier D.: «Hanfhaltige Lebensmittel – ein Problem?» in: «Deutsche Lebensmittel-Rundschau»; Heft 12 (2004)

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Jasmine Helbling, Redaktorin
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