Krankgeschrieben – doch er arbeitet als Kellner
Ein Ostschweizer Gemeindepräsident leidet an einer Viruserkrankung. Nun serviert er im Restaurant seiner Familie. Darf er das?
Veröffentlicht am 30. August 2023 - 15:42 Uhr
Roger Hochreutener ist Gemeindepräsident von Eggersriet SG. Wegen einer Viruserkrankung ist er seit dem 11. August krankgeschrieben. Nun wurde der Gemeindepräsident jedoch im Restaurant seines Sohnes gesehen. Nicht beim Abendessen oder bei einem Glas Wein, sondern beim Servieren. Er nimmt Bestellungen entgegen, spricht mit den Gästen, bringt Essen an den Tisch und kassiert ein. Aber Hochreutener ist eigentlich krankgeschrieben und sollte nicht arbeiten. Wie kann es also sein, dass er es trotzdem tut?
Auf Anfrage der «Thurgauer Zeitung» antwortet nicht der krankgeschriebene Gemeindepräsident, sondern sein Anwalt Benno Lindegger. Er erklärt, man dürfe keine voreiligen Schlüsse ziehen. Hochreutener sei schwer angeschlagen, das Virus habe innere Organe angegriffen, und er dürfe sich jetzt keinem Stress aussetzen. Sein Mandant sei «arbeitsplatzbezogen krank». Das bedeutet: Ausserhalb der Gemeinde Eggersriet könne er funktionieren. Weiter betont er, dass Hochreutener in einem Teilzeitpensum von 45 Prozent arbeitet und für dieses ein Arztzeugnis hat. Ausserdem arbeite der Gemeindepräsident im Restaurant auch nicht, sondern helfe lediglich aus und bekomme dafür auch keinen Lohn.
Der Beobachter hakt bei Lindegger nach. Der lässt alle konkreten Fragen unbeantwortet und äussert sich nur allgemein: «Es handelt sich um ein Quartierrestaurant. Ein Mitwirken dort ist nach meinem Verständnis nicht von Stress geprägt, sondern von der Nachbarschaft des Restaurants».
Mittlerweile ist Hochreutener für die Gemeinde wieder teilweise im Einsatz, wie diese gegenüber der «Thurgauer Zeitung» bestätigt. Die genaue Aufgabenteilung wurde noch nicht festgelegt.
Was ist bei einer Krankschreibung tatsächlich erlaubt?
Gemeindepräsidenten wie Roger Hochreutener sind in der Regel mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag angestellt, der sich am Obligationenrecht orientieren kann, aber nicht muss. Was aber, wenn man nicht Gemeindepräsident ist, sondern einen ganz normalen privatrechtlichen Arbeitsvertrag besitzt? Die folgenden Fragen und Antworten können bei der Einschätzung helfen, was bei einer Krankschreibung erlaubt ist und was nicht.
Ich arbeite halbtags in einer Gärtnerei. Nebenbei verdiene ich in meinem privaten Töpferatelier etwas dazu. Nun hat mich der Arzt wegen Rückenproblemen zu hundert Prozent krankgeschrieben. Darf ich trotzdem in der Freizeit meine Töpferware verkaufen?
Ihr Arzt muss entscheiden, was Sie tun können und was nicht. Laut Bundesgericht bezieht sich ein Arztzeugnis, das Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, immer auf die vom Arbeitnehmer an einer bestimmten Stelle zu verrichtende Tätigkeit. Es ist gut möglich, dass man für eine andere Arbeit ganz oder teilweise arbeitsfähig ist. Bitten Sie bei Bedarf den Arzt, das Zeugnis zu präzisieren.
Ich bin wegen eines Burn-outs bis auf weiteres krankgeschrieben. In einem Monat wollten wir in die schon lange gebuchten Ferien fahren. Mein Arzt befürwortet den Tapetenwechsel. Aber wie sieht das rechtlich aus?
Arbeitsunfähigkeit ist nicht immer gleichbedeutend mit Ferienuntauglichkeit. Wenn der Arzt grünes Licht gibt, können Sie die Ferien beziehen. Wenn Sie nicht nur reisefähig, sondern auch erholungsfähig sind, werden Ihnen die Ferien aber trotz Arbeitsunfähigkeit voll als Ferienbezug angerechnet.
Ich arbeite achtzig Prozent auf einer Baustelle und zwanzig Prozent im Büro. Nun habe ich mir mein Bein gebrochen und bin krankgeschrieben. Darf ich trotzdem ins Büro arbeiten gehen?
Auch hier muss Ihr Arzt oder Ihre Ärztin entscheiden, was Sie tun können und was nicht. Man kann Sie aber arbeitsplatzbezogen krankschreiben. Das heisst: Auf der Baustelle können Sie aufgrund der körperlichen Tätigkeiten nicht arbeiten, im Büro ist es aber kein Problem.
Ich arbeite in einem Büro und habe eine Gürtelrose bekommen. Ich habe Angst davor, jemanden anzustecken. Muss ich trotzdem arbeiten gehen?
Körperlich sind Sie nicht arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber hat aber eine Fürsorgepflicht. Das heisst: Er muss andere Mitarbeitende schützen und Sie zum Beispiel von zu Hause aus arbeiten lassen. Hier stellt sich auch die Frage: Was können Sie gegen die Gürtelrose unternehmen? Können Sie den betroffenen Bereich abdecken? Im Idealfall lassen Sie sich von einem Arzt oder einer Ärztin bestätigen, dass Sie arbeitsfähig, aber ansteckend sind und daher keinen direkten Kontakt mit Ihren Arbeitskollegen haben dürfen.