Fit bis ins Alter
Bewegung ist vor allem für ältere Menschen wichtig, damit Abhängigkeit von anderen und Hilfsbedürftigkeit so lange wie möglich nicht zum Thema werden.
aktualisiert am 12. Juli 2018 - 21:38 Uhr
Es fing an mit einem stechenden Schmerz in der Brust, den der 70-jährige Alfred Würmli* im Februar 2017 verspürte. Er suchte seinen Hausarzt auf; dieser diagnostizierte eine Lungenentzündung.
Doch die Beschwerden gingen trotz Behandlung mit Antibiotika nicht weg, eine Einweisung ins Spital wurde nötig. Wenige Monate später erleidet Würmli erneut eine Lungenentzündung, wieder muss er zur Behandlung und Überwachung zwei Tage ins Spital. Und wieder verschwinden die Beschwerden nicht vollständig. «Ich konnte kaum noch atmen ohne Schmerzen», beschreibt Würmli den Zustand.
Nach langwierigen Abklärungen schliesslich die Diagnose: Angina Pectoris . Wenige Wochen später lässt Würmli sich die verengten Herzkranzgefässe am Kantonsspital St. Gallen durch eine sogenannte Koronarangioplastie, besser bekannt als Ballondilatation, wieder öffnen.
Der Eingriff verläuft gut. Und wie für Herzpatienten üblich, muss Würmli ein spezielles Kardiotraining im Spital besuchen: Während neun Wochen wird in 36 Einheiten die Belastbarkeit des Herzens wieder gesteigert, um das Risiko einer weiteren Herzerkrankung zu verringern. Dabei absolvieren die Teilnehmer einerseits ein spezielles Fitnessprogramm, verpflichten sich aber auch, an Vorträgen zum Thema Herzgesundheit teilzunehmen.
«Bei Steigungen muss ich immer noch kurze Pausen einlegen.»
Alfred Würmli, Herzpatient
Würmli besucht alle Kursteile, doch danach fühlt er sich immer noch nicht vollständig rehabilitiert. «Sobald ich mehr als ein paar hundert Meter gehe, bin ich total erschöpft. Soll ich eine Steigung unter die Füsse nehmen, muss ich zwischendrin Pausen einlegen», erzählt der 70-Jährige. Beim Austrittsgespräch des Kurses erhält er deshalb die Empfehlung, in einer speziellen Herzgruppe weiter zu trainieren. Doch er lehnt ab: «Der Aufwand ist mir zu gross – und eine merkliche Verbesserung meiner Gesundheit hat sich bisher nicht eingestellt», sagt Würmli.
Dabei wäre regelmässige Bewegung gerade für Senioren besonders wichtig, wie Hepa, das Netzwerk Gesundheit und Bewegung Schweiz, in einer 2013 veröffentlichten Broschüre schreibt: So sollen sich robuste Frauen und Männer im Pensionsalter mindestens zweieinhalb Stunden pro Woche bei mittlerer Intensität bewegen.
Als mittlere Intensität gelten etwa Alltagsaktivitäten wie Gärtnern oder zügiges Gehen oder Velofahren. Diese können ab einer Dauer von mindestens 10 Minuten an diese zweieinhalb Stunden angerechnet werden. Daneben sollte man jede Woche auch Aktivitäten einplanen, die eine hohe Intensität aufweisen, sprich, bei denen man ins Schwitzen kommt.
Wem die zweieinhalb Stunden zu viel Zeitaufwand sind, kann sich alternativ auch 75 Minuten bei hoher Intensität bewegen, wie Hepa in der Broschüre schreibt. Das Netzwerk, das vom Bundesamt für Sport Baspo und vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) getragen wird, empfiehlt, Sportarten zu wählen, die grosse Muskelgruppen beanspruchen, zum Beispiel Joggen , zügiges Velofahren, Schwimmen oder Langlaufen. Auch ein Herzkreislauftraining an Fitnessgeräten ist sinnvoll.
Menschen wie Alfred Würmli, die eine eingeschränkte Vitalität haben, empfiehlt das Hepa-Netzwerk, dass sie sich so viel wie möglich bewegen sollen, auch wenn sie die allgemeinen Bewegungsempfehlungen nich mehr erfüllen können – dem entsprechend, was ihr Gesundheitszustand zulässt. Denn auch wenn die Beweglichkeit eingeschränkt ist, führen schon kurze, regelmässig ausgeführte Einheiten von Bewegung oder Sport zu einer merklichen Steigerung des körperlichen und psychischen Wohlbefindens. Auch Stress lässt sich mit mehr Bewegung besser regulieren und das Selbstwertgefühl wird gesteigert. «Zudem unterstützt Sport die soziale Integration von Einzelpersonen in Gruppen», so die Broschüre.
Diese Bewegungsempfehlungen entsprechen dem aktuellen wissenschaftlichen Stand und sind international vergleichbar. Als Grundlage dienten verschiedene internationale Beispiele wie die Empfehlungen der USA, von Australien sowie der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Mit zunehmendem Alter ist auch Krafttraining besonders wichtig: Es dient dem Erhalt der Muskelmasse, wobei ein besonderes Augenmerk der Rumpf- und Beinmuskulatur gilt. Ein Rumpf- und Beintraining, kombiniert mit Gleichgewichtsübungen, hilft Stürze zu verhindern, die im Alter oft schwerwiegende Folgen haben können. Nicht selten erleiden Senioren bei scheinbar einfachen Stürzen komplizierte Brüche an Hüfte oder Oberschenkelhalskopf.
«Die dauerhafte Änderung des Bewegungsverhaltens ist oft ein längerer Prozess.»
Aus der Informationsbroschüre des Hepa-Netzwerkes
Dass es mit zunehmendem Alter schwieriger ist, alte Gewohnheiten abzulegen, ist den Verfassern der Bewegungsbroschüre indes bewusst. «Die dauerhafte Änderung des Bewegungsverhaltens ist oft ein längerer Prozess, der typischerweise über mehrere Stufen verläuft», schreibt das Netzwerk dazu. Dabei soll man sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Denn die Belohnung ist es wert: eine gesteigerte Lebensqualität und möglicherweise noch einige Jahre, in denen die Senioren unabhängig leben können, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein .
* Name der Redaktion bekannt
Grundsätzlich können ältere Personen die gleichen Kraftübungen absolvieren wie jüngere. Allerdings gilt es, ab etwa 50 einige Regeln zu beachten.
- Ärztliche Abklärung: Lassen Sie sich vor Trainingsbeginn gründlich vom Arzt untersuchen. Machen Sie Ihren Arzt darauf aufmerksam, dass beim Krafttraining auch grosse Druckbelastungen entstehen können; längst nicht alle Mediziner sind sich dessen bewusst.
- Nicht übertreiben: Nach dem Krafttraining braucht die Muskulatur Zeit, um sich zu regenerieren. Mit zunehmendem Alter nimmt die Regenerationsfähigkeit ab. Deshalb sollten Leute über 50 nie an zwei aufeinander folgenden Tagen und auch nicht länger als 20 bis 30 Minuten mit Gewichten trainieren (Aufwärmen und Dehnen nicht mitgezählt). Trainieren Sie am Anfang mit kleinen Gewichten.
- Fachkundige Begleitung: Wählen Sie ein Fitnesscenter, in dem Sie seriös in die Übungen eingeführt werden und in dem man Ihnen ein altersgerechtes Programm zusammenstellt. Trainieren Sie so wenig wie möglich mit Lang- oder Kurzhanteln.
- Grosse Muskelgruppen trainieren: «Kosmetisches» Krafttraining, zum Beispiel isoliertes Bizeps- oder Bauchmuskeltraining, macht aus gesundheitlicher Sicht wenig Sinn. Trainieren Sie besonders die grossen Muskelgruppen, die für alltägliche Bewegungsabläufe notwendig sind, das heisst Beine, Rumpf, Schulter und Arme.
- Dehnen: Gerade ältere Menschen sollten die Kraftübungen durch Gymnastik oder Dehnübungen ergänzen, um neben der Kraft auch die Beweglichkeit und die Koordination zu erhalten. Auch hier sollten Sie sich zu Beginn von einer Fachperson beraten lassen.