Bewegung hält den Körper schön
Mit 50 verändert sich der Körper. Hosen und Röcke beginnen plötzlich zu kneifen. Doch mit regelmässiger Bewegung und gesunder Ernährung kriegen Frauen die unerwünschten Pölsterchen in den Griff.
Veröffentlicht am 7. April 2009 - 13:47 Uhr
Selbst Frauen, die nie Probleme mit der Figur hatten, stellen nach 50 irritiert fest: Das bisherige Gewicht zu halten wird immer schwieriger. Die Veränderungen lassen sich nicht nur auf der Waage ablesen. Ein Blick in den Spiegel zeigt, dass sich die Proportionen verschieben: Die Brüste werden fülliger und schwerer, Taille und Bauch legen an Umfang zu.
Dass die weiblichen Rundungen mit den Jahren üppiger werden, hat mehrere Gründe. «Einerseits nimmt die Muskelmasse ab, und Fett tritt an die Stelle der abgebauten Muskulatur», sagt Bettina Isenschmid, Chefärztin beim Kompetenzzentrum für Essverhalten, Adipositas und Psyche (KEA) am Spital Zofingen. «Anderseits laufen Stoffwechsel- und Reparaturvorgänge langsamer ab, was den Energieverbrauch ebenfalls verringert.» Nicht zuletzt fehle es Frauen mit zunehmendem Alter auch an Bewegung: «Es sind keine anstrengenden Kinder mehr zu Hause, und zu sportlichen Aktivitäten rafft man sich immer weniger auf.»
«Untergewichtige Frauen leiden häufiger und früher unter Östrogenmangel.»
Bettina Isenschmid, Chefärztin KEA beim Spital Zofingen
Biologisch sind die für die Wechseljahre typischen Fettpölsterchen sinnvoll. Dort werden Androgene (männliche Hormone) in Östron (ein chemischer Verwandter des Östrogens) umgewandelt, was wiederum das Absinken des Östrogenspiegels aus den Eierstöcken ausgleicht. So paradox es klingt: Es sind gerade jene unerwünschten Fettpölsterchen um die Hüften, die die Wechseljahre erträglicher machen.
Ein paar Pfunde mehr auf den Rippen sind also durchaus normal, ja gar wünschenswert. «Untergewichtige Frauen leiden in der Regel häufiger und früher unter Östrogenmangel und damit auch unter Wechseljahrbeschwerden als normalgewichtige», sagt Isenschmid. Was nicht heissen will, dass man nach Lust und Laune schlemmen kann.
Übergewicht führt dazu, dass man sich noch weniger bewegt und die Spirale der «Zivilisationskrankheiten» (Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Arthrose) in Gang setzt. Wer wissen will, ob das eigene Gewicht kritisch ist: Mit einem Body-Mass-Index (BMI) zwischen 19 und 25 ist man im grünen Bereich.
Sein Wohlfühlgewicht zu finden und zu halten ist auch nach 50 möglich. Doch ohne ein paar Anpassungen beim Lebensstil geht es meistens nicht. «Der Energieverbrauch sinkt schon ab 30 kontinuierlich», sagt Bettina Isenschmid. Verbraucht eine 30-Jährige bei sitzender Tätigkeit rund 2000 Kalorien täglich, sind es nach 50 rund 200 Kalorien weniger, nach 65 gar 400 Kalorien. Dabei handelt es sich um Durchschnittswerte; den individuellen Bedarf kann man mit einem Kalorien-Verbrauchsrechner berechnen.
Wie verhindert man nun, dass die Waage immer weiter nach oben zeigt? Hungern bringt nichts, weil sich die Pölsterchen in dieser Lebensphase Diätversuchen besonders hartnäckig widersetzen. Besser fährt, wer den Stoffwechsel durch Ausdauersport ankurbelt, damit den Kalorienverbrauch erhöht – und auf gesunde Ernährung setzt.
«Den Speiseplan auf den Kopf zu stellen ist meist gar nicht nötig. Es genügt, wenn man kalorienreiche Lebensmittel durch kalorienärmere ersetzt», sagt Caroline Bernet von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. Sprich: Milchdrink statt Vollmilch, Schinken statt Salami, Früchte statt Süssigkeiten.
Auch wenn der Energiebedarf abnimmt: «Der Bedarf an Nährstoffen (Vitaminen , Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen und Nahrungsfasern) bleibt gleich oder nimmt sogar noch zu, etwa der Bedarf an Vitamin D», sagt die Ernährungsfachfrau. Wer sich täglich mit viel frischem Obst und Gemüse eindeckt, hat schon sehr viel für einen gesünderen Lebensstil getan. Oder wie ein griffiger Slogan der Amerikaner heisst: «Take five to stay alive» («Nimm fünf und bleib gesund»).
Neben einer gesunden Ernährung ist regelmässige Bewegung das wirksamste Mittel, gesund zu bleiben und sich körperlich jung zu halten. Sport scheint ein Jungbrunnen zu sein. Ein körperlich aktives Leben bremse den Alterungsprozess – so das Fazit einer englischen Studie von 2008: Während träge Menschen biologisch schneller altern, gewinnen Menschen, die sich viel bewegen, um bis zu zehn Jahre Lebenszeit. Ein weiterer willkommener Nebeneffekt: Sport beeinflusst Hitzewallungen und psychische Beschwerden in den Wechseljahren positiv – und sorgt erst noch dafür, dass man ein paar Extrakalorien problemlos wegsteckt.
Doch wie steht es mit der Ansicht, dass Sport die Knochen stärkt? «Bei Jugendlichen stärken sportliche Belastungen die Knochen. Doch bisher hat keine Studie zeigen können, dass Sport auch im Alter die Knochendichte erhöht», sagt Eling De Bruin vom Institut für Bewegungswissenschaften und Sport der ETH Zürich. «Im besten Fall lässt sich mit Sport der Abbau verlangsamen.» Immerhin.
«Der gesundheitliche Nutzen von Sport wird oft überschätzt – viel wichtiger ist regelmässige Bewegung im Alltag.»
Eling De Bruin vom Institut für Bewegungswissenschaften und Sport der ETH Zürich
Abgesehen von den Erfolgserlebnissen und dem Spass, den Sport bereitet, beugen sportlich Aktive – wenn sie es nicht übertreiben – vielen Krankheiten vor wie Rückenbeschwerden, Herz-Kreislauf-Problemen, Alzheimer und sogar einigen Krebskrankheiten. Eine soeben veröffentlichte Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums zeigt: Das Brustkrebsrisiko für körperlich aktive Teilnehmerinnen ist um rund einen Drittel niedriger als für Frauen, die sich wenig körperlich betätigen. Für diese Risikoreduktion muss sich niemand im Fitnessstudio schinden. Täglich 30 Minuten leichte Aktivitäten reichen. Laut den Krebsforscherinnen muss es auch nicht immer Sport sein: Es zählen auch Gartenarbeit, ein Spaziergang oder der Fussweg zum Einkauf.
«Der gesundheitliche Nutzen von Sport wird oft überschätzt, viel wichtiger ist regelmässige Bewegung im Alltag», bestätigt De Bruin, Forschungsleiter Seniorensport. «Seltene Intensivbelastungen bringen keinen dauerhaften Trainingseffekt. Sich jeden Tag mehrmals zehn Minuten flott zu bewegen ist besser, als einmal die Woche zwei Stunden Sport zu treiben.» Beruhigend: Jede Bewegung, die nicht weniger als zehn Minuten dauert, kann über den Tag zusammengezählt werden.
Darum: «Nehmen Sie die Treppe statt den Lift, steigen Sie aus Bus und Tram eine Station früher aus und gehen Sie wenn immer möglich zu Fuss», rät Eling De Bruin. Zum Vergleich: Bei leichter Hausarbeit verbrauchen Sie während zehn Minuten 35 Kalorien, beim Treppensteigen sind es 150 Kalorien.
Das Wichtigste ist: dranbleiben. «Wer länger pausiert, muss wieder ganz von vorn beginnen. Sport hat keine Depotwirkung. Wenn ich die Muskulatur nicht brauche, verliere ich sie», sagt der Bewegungswissenschaftler. Durchhalten gelingt aber nur, wenn einem die Sache Spass macht. Wer Motivationsprobleme hat, sucht sich am besten eine Gruppe Gleichgesinnter – so trainiert es sich leichter.
Und welche Sportart ist im reiferen Alter besonders günstig? Jede, solange man sich dabei wohl fühlt und der Hausarzt nichts einzuwenden hat. «Es gibt keine generellen Einschränkungen, man muss es nur langsamer und vorsichtiger angehen als früher», sagt De Bruin. Ideal ist sanfter Ausdauersport wie Nordic Walking, Schwimmen oder Velofahren, kombiniert mit leichtem Kraftsport. «Krafttraining dient der Erhaltung der Muskelmasse und ermöglicht es einem, auch mit 70 noch aus eigener Kraft ins Tram steigen zu können.» Um die Beweglichkeit zu erhalten, setzt man gymnastische Work-outs auf den Trainingsplan oder versucht es mit Yoga und Pilates.
Nicht zuletzt: Bewegung schult das Hirn. «Wer sich bewegt, setzt sich mit seiner Umgebung auseinander, was wiederum die Regeneration und Neubildung von Nervenzellen im Gehirn anregt», sagt der ETH-Forscher. Deshalb sind mit zunehmendem Alter Sportarten gut, die nicht zu eintönig sind. Wie wärs mit einem Tanzkurs? De Bruin: «Beim Tanzen bewegt man sich und denkt gleichzeitig an den nächsten Schritt – eine super Sache für Körper und Hirn.» Neuste Erkenntnisse aus der Hirnforschung bestätigen: Tanzen senkt das Demenzrisiko und trainiert wichtige Fähigkeiten wie Gedächtnis, Sprache, Lernen und Emotionen. Und vor allem: Es macht Spass.
Mit Yoga den Alterungsprozess verzögern? Die Versprechungen des «Hormon-Yoga» klingen fast zu schön, um wahr zu sein. Ebenso erstaunlich: Dinah Rodrigues, 82, die Begründerin dieser Therapie, sieht mindestens 20 Jahre jünger aus – und ist beweglich wie eine 30-Jährige. Die brasilianische Psychologin führte selber eine «Studie» durch, die zeigte, dass sich bei den Teilnehmerinnen die Hormonkonzentration erhöhte und die psychosomatischen Beschwerden reduzierten.
Wie die Therapie wirkt, lässt sich wissenschaftlich nicht nachvollziehen. Ein Erklärungsmodell liefert die moderne Psychophysiologie: «Durch die Senkung des Stresslevels – und damit des Stresshormons Cortisol – kann eine positive Wirkung auf die Geschlechtsdrüsen erzielt werden», sagt Bettina Isenschmid, Oberärztin am Berner Inselspital. Dasselbe gelte jedoch auch für andere körperliche Übungen und Entspannungsmethoden.
Angesichts der teilweise negativen Folgen der Hormonersatzbehandlung lohne es sich, über Alternativen nachzudenken. Der «Erfinderin» des Hormon-Yoga attestiert die Medizinerin, die selber intensiv Yoga praktiziert, zumindest eines: Geschäftstüchtigkeit. «Sie ist einfach die Erste, die das clever vermarktet. Die Übungen gibt es ja schon seit Jahrtausenden.»
Weitere Infos
Dinah Rodrigues: «Hormon-Yoga. Das Standardwerk zur hormonellen Balance in den Wechseljahren»; Schirner, 2010, CHF 33.90
www.dinahrodrigues.com (auf Deutsch)
Liste mit Hormon-Yoga-Lehrenden in der ganzen Schweiz:
www.yogaamsee.ch
Rauchen: Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, mit dem Rauchen aufzuhören. Denn Nikotin beschleunigt den Östrogenabbau.
Frische Luft: Gehen Sie möglichst täglich an die frische Luft, tanken Sie Sauerstoff und Sonnenlicht. Nutzen Sie jede Gelegenheit zur Regeneration.
Sonne: Schützen Sie sich vor der Sonneneinstrahlung. Verwenden Sie Gesichtcremen mit Lichtschutzfaktor – selbst bei bedecktem Himmel.
Bewegung schafft Ausgleich. Sie kräftigt nicht nur den Körper, vertreibt Hitzewallungen und Schlaflosigkeit, sondern hebt auch die Laune, denn sie steigert die Produktion der Glückshormone (Endorphine).
Essen Sie abends wenig und lassen Sie das Abendessen einmal die Woche ganz weg (Prinzip Dinner-Cancelling ). Massvolles Essen hält den Insulinspiegel niedrig und kurbelt die Produktion der Wachstumshormone an – ein Quell der Jugendlichkeit.
Stress vermeiden: Stress verschlimmert Hitzewallungen. Sorgen Sie deshalb für mehr Entspannung . Lernen Sie eine aktive Entspannungstechnik wie Yoga, autogenes Training oder progressive Muskelentspannung nach Jacobson.
Beckenboden: In den Wechseljahren kommt es zu einer Veränderung der Beckenbodenmuskulatur. Dies begünstigt Inkontinenz. Also: rechtzeitig mit Beckenbodentraining anfangen!
Finden Sie eine Beschäftigung, die Ihnen Spass macht: Der Pionier der Stressforschung, der Neurowissenschaftler Bruce McEwen, erklärte in einem Interview, dass er sich besonders gern bei Holzarbeiten entspanne: Das sei beinahe wie Meditieren.
Nehmen Sie sich Zeit für Verabredungen mit Freunden: Ein gutes, erfülltes Sozialleben hilft, mit Stress gelassener umzugehen. Einsamkeit macht auf die Dauer krank.
Nach einem harten Tag hilft ein Spaziergang besser, als auf dem Sofa zu relaxen. Grund: Die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin mobilisieren Energiereserven. Ihre ursprüngliche Aufgabe war es, den Körper zu Kampf und Flucht zu befähigen.
Lebensmitte als Chance : «Wechseljahre» bedeutet im Griechischen «Leiter» oder auch «Stufe». Stellen Sie sich bildhaft vor, wie Sie Stufe um Stufe zu immer mehr Erfahrung und Weisheit gelangen.