Diskriminierte Ärztin gewinnt erneut vor Gericht
Was der Gerichtsentscheid im Fall der Ärztin Natalie Urwyler für das Gleichstellungsrecht bedeutet.
Veröffentlicht am 1. Februar 2024 - 16:55 Uhr
Die Anästhesieärztin Natalie Urwyler gewann 2018 den Prix Courage des Beobachters – für ihren unermüdlichen Einsatz für die Gleichstellung von Frauen in Spitälern. Sie kritisierte den ungenügenden Schutz von Schwangeren im Berner Inselspital. Als sie selbst ein Kind bekam, wurde ihr nach dem Mutterschaftsurlaub gekündigt – «aufgrund eines komplett zerrütteten Vertrauensverhältnisses».
Dagegen ging sie gerichtlich vor. 2018 erklärte das Berner Obergericht die Kündigung für ungültig, die ausstehenden Löhne müsse ihr das Spital zahlen. Letzten Freitag hat sie nun in weiteren Punkten recht bekommen.
Das Regionalgericht Bern-Mittelland hielt fest, dass Urwyler die Beförderung aufgrund ihres Geschlechts verwehrt geblieben sei. Zudem sei ihr deswegen auch Geld aus dem privatärztlichen Honorarpool entgangen. Das sei diskriminierend.
Zeichen für die Gleichstellung
«Um eine Diskriminierung einzuklagen, muss diese von der betroffenen Person zumindest glaubhaft gemacht werden», sagt Beobachter-Rechtsexperte Thomas Oechsle. «Das ist nach wie vor eine hohe Hürde, und das wird sich auch zukünftig vorerst nicht ändern.» Aber allein die Tatsache, dass Unternehmen nun damit rechnen müssen, erfolgreich verklagt zu werden, könne in der Praxis schon einen positiven Effekt für die Gleichstellung haben.
Gleichstellungsexpertin Zita Küng sagt gegenüber dem «Tages-Anzeiger», der Entscheid habe eine Wirkung über den konkreten Fall hinaus. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, müssten Unternehmen erklären, wie Beförderungen zustande kommen. Und das müsse dem Gleichstellungsrecht standhalten.
«Das Urteil ist von grosser Bedeutung», sagt auch Urwylers Anwalt Rolf P. Steinegger. Es sei die Grundlage für alle Forderungen, die Urwyler geltend macht, ob nun Lohn, Zerstörung der akademischen Karriere oder Poolgelder.
Nun gelte es, abzuwarten, ob das Inselspital das Urteil weiterzieht, sagt Steinegger. «Es gibt noch weitere Ansprüche, die wir geltend machen wollen.» Etwa Genugtuung und Schadenersatz in Höhe von fünf Millionen Franken.
Beim Inselspital wird das Urteil derzeit geprüft. Zum jetzigen Zeitpunkt könne man nichts dazu sagen.
2 Kommentare
Wenn das Urteil Rechtskräftig werden sollte hoffe ich, dass die Genugtuung dann auch in sechsstelligen Beträgen bei nicht akademischen Personen angewendet wird.
Nur so werden die Arbeitgeber sich auch bei nicht akademischen angestellten aufpasse was sie entscheiden. Wenn nicht dann haben wir wieder eine Problem mit den Gleichstellungsrecht.
Korrektur meines Beitrages.
Wenn das Urteil Rechtskräftig werden sollte hoffe ich, dass die Genugtuung dann auch in siebenstelligen Beträgen bei nicht akademischen Personen angewendet wird.
Nur so werden die Arbeitgeber sich auch bei nicht akademischen angestellten aufpasse was sie entscheiden. Wenn nicht dann haben wir wieder eine Problem mit den Gleichstellungsrecht.