Nur eine Woche Papizeit für die Zürcher Lehrer
Lehrer, die derzeit im Kanton Zürich Vater werden, haben Pech. Sie können keine zwei Wochen Vaterschaftsurlaub beziehen.
Veröffentlicht am 29. Januar 2021 - 10:20 Uhr
Matthias Brändli* (Name geändert) könnte nicht glücklicher sein. Gestern ist sein Kind zur Welt gekommen. Drei Tage und drei Nächte lang habe er kaum geschlafen, habe er seine Frau – so gut es eben ging – bei der Geburt umsorgt. «Jetzt kuschelt die ganze Familie mit dem Neugeborenen auf dem Sofa», sprudelt es aus ihm heraus. Der 39-Jährige hält inne. «Nur eines ärgert mich: dass ich nicht wie alle anderen Väter zwei Wochen Vaterschaftsurlaub bekomme.»
Brändli unterrichtet Geschichte, Deutsch und Englisch an einer Sekundarschule im Kanton Zürich. Damit gelten für ihn nicht die gleichen Regeln wie für Mitarbeiter von privaten Firmen, die seit dem 1. Januar 2021 zehn Tage Vaterschaftsurlaub beziehen können. Brändli untersteht dem Lehrpersonalrecht. Darin steht seit dem 18. Dezember 2017: «Der bezahlte Vaterschaftsurlaub beträgt fünf Arbeitstage.»
«Ja, es stimmt, dass wir den Lehrern im Moment nicht zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub gewähren können», bestätigt Myriam Ziegler, Leiterin des Zürcher Volksschulamts. Bei der Angleichung der Personalverordnung an das nationale Recht sei es zu einer Verzögerung gekommen. Das habe einen «betriebsinternen Grund», heisst es bei der dafür zuständigen Finanzdirektion Zürich. «Wir wollten andere Punkte im Reglement im gleichen Aufwisch ändern, doch diese lassen sich nicht so schnell umsetzen.» Als man das bemerkt habe, sei es «leider schon zu spät gewesen».
Beim Volksschulamt bedauert man das. Doch solange die neue Verordnung fehle, könne man die fünf zusätzlichen Tage nicht vorgängig gewähren. «Wir gehen davon aus, dass die neue Regelung gegen Ende des ersten Quartals 2021 bereitstehen wird», sagt Myriam Ziegler. Die frischgebackenen Väter könnten den Rest des Vaterschaftsurlaubs zu einem späteren Zeitpunkt beziehen.
Matthias Brändli hilft das wenig. Seine Frau wollte wegen der Corona-Situation nicht im Spital sein, darum übernimmt er jetzt den Job, den sonst das medizinische Personal hat. Daneben kocht und haushaltet er und betreut die älteren Kinder. «Meine Frau wäre jetzt gar nicht in der Lage, sich um alles zu kümmern.» Deshalb bringe es seiner Familie nichts, wenn er erst im März oder April irgendwann die zweite Woche Vaterschaftsurlaub beziehen könne.
«Meine Frau braucht mich jetzt. Und ich will jetzt die Bindung zu unserem Neugeborenen aufbauen – nicht erst in drei Monaten.» Wenn er im Frühling noch eine Woche beziehen würde, so Brändli, «fühlt es sich tatsächlich wie Ferien auf Kosten des Steuerzahlers an – so, wie die SVP im Abstimmungskampf argumentiert hat».
Von dieser Lücke beim Vaterschaftsurlaub sind sämtliche Angestellten des Kantons Zürich betroffen. Würde Brändli aber beim Volksschulamt arbeiten, statt vor der Klasse zu stehen, wäre die Sache halb so wild: Die Verwaltungsangestellten werden im Intranet explizit auf eine Überbrückungslösung hingewiesen. Sie können die zweite Woche Vaterschaftsurlaub im System als normale Ferienwoche eingeben. Sobald die neue Verordnung in Kraft tritt, wird sie ihnen wieder gutgeschrieben.
Diese unbürokratische Lösung können die Schulleitungen ihren Mitarbeitern nicht anbieten. Denn für Lehrer sind ausserhalb der Schulferien keine Ferienbezüge möglich. Brändli blieb deshalb nur eines übrig: Er musste einen unbezahlten Urlaub beantragen.
Doch auch dabei gibt es einen kleinen Unterschied zu den übrigen Verwaltungsangestellten. Den Lehrpersonen werden nicht sieben Tage vom Lohn abgezogen, sondern neun. Das Vorbereiten des Unterrichts zählt als Arbeitszeit und wird bei unbezahlten Ferien auch vom Lohn abgezogen.
Wenn er eine Woche lang nicht unterrichtet, dann muss er für diese Zeit auch keine Vorbereitungen treffen – so die Theorie. «Fehle ich während des Unterrichts, ist das für mich immer ein Riesenstress. Ich muss der Vertretungsperson ja eine saubere Übergabe machen.»
Für diese Woche habe er rund anderthalbmal so viel vorbereiten müssen wie üblich. «Ich werde mir zweimal überlegen, ob ich bei so einem Aufwand die zweite Woche Vaterschaftsurlaub später noch beziehen werde, oder sie einfach verfallen lasse», sagt Matthias Brändli.
Wird Lehrpersonen wie Brändli nach der Gesetzesänderung wenigstens der Lohnausfall für den unbezahlten Urlaub zurückbezahlt? «Das ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht geklärt», sagt Myriam Ziegler vom Volksschulamt. Brändli sagt, es gehe ihm nicht ums Geld. Er bedauert es aber, dass sich das Volksschulamt so unflexibel zeige. «Es bleibt das Gefühl zurück, dass wir beschissen werden.»
4 Kommentare
Und da die damit verbundenen, natürlich ganz zufälligen Einsparungen ganz praktisch sind, wälzt man in Schweizer Verwaltungstradition die eigenen Fehler auf andere ab - und damit diese wiederum nicht die Impertinenz haben, dies zu kritisieren, hat man nötigenfalls das Mittel der lohnwirksamen Mitarbeiterbeurteilung zur Hand, wo Kritik dann in einen Mangel an Kooperationsfähigkeit umgedeutet, aber das Lernen aus Fehlern erwartet wird (dies dann aber natürlich nur von anderen, man muss ja nicht gleich übertreiben).
Die 2 Wochen Vaterschaftsurlaub nimmt man sinnvollerweise ab Rückkehr der Mutter vom Spital und zwar am Stück. Dann ist sie meist geschwächt, hat ev. noch Schmerzen und wäre sicher für eine Hilfe in Familie und Haushalt am ehesten froh.
wenn einmal etwas schlechter ist als bei den anderen, kommen sie gleich. aber dass sie auch viele vorteile haben gegenüber anderen, haben sie schon lange vergessen. also lieber mal schweigen, anstatt immer noch mehr fordern.
Es gibt viele freie Stellen!