Welche Psychotherapie zahlt die Grundversicherung?
Das neue Abrechnungsmodell für Psychotherapeuten führt zu steigenden Gesundheitskosten. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Veröffentlicht am 30. April 2024 - 11:56 Uhr,
aktualisiert am 3. Mai 2024 - 18:25 Uhr
Psychotherapiesitzungen werden seit Sommer 2022 von der Grundversicherung übernommen.
785 Millionen Franken: So hoch waren die Ausgaben der Grundversicherung für «psychologische Psychotherapie» 2023 laut dem Versicherungsverband Santésuisse. Das sind 220 Millionen Franken mehr als im Vorjahr.
Der Bund widerspricht den Zahlen von Santésuisse teilweise. Er hat am 3. Mai seinen ersten Monitoringbericht zur Kostenentwicklung in der Psychotherapie veröffentlicht. Darin schätzt er für 2023 etwas tiefere Mehrkosten und zieht eine positive Bilanz. Denn laut der detaillierten Analyse sind nur knapp 30 Prozent – etwa 55 Millionen – der zusätzlichen Kosten auf den Systemwechsel zurückzuführen.
Die Änderung: Seit dem 1. Juli 2022 zahlt die Grundversicherung die Behandlung durch Psychotherapeuten – Psychologen mit einer Weiterbildung in Psychotherapie –, wenn die Therapie von einem Arzt oder einer Ärztin angeordnet wird. Zuvor zahlten die Versicherungen nur, wenn die Psychotherapeutin bei einem Psychiater – also einem Arzt mit Weiterbildung in Psychotherapie – angestellt war und über diesen abrechnete.
Doch in welchen Fällen zahlt die Krankenkasse die Therapie überhaupt und wie lange? Der Beobachter beantwortet die wichtigsten Fragen.
1. Wann zahlt die Krankenkasse eine Psychotherapie?
Mit dem neuen Modell bezahlt die Grundversicherung eine psychologische Psychotherapie, wenn diese von einer Ärztin mit passendem Facharzttitel angeordnet wurde. Im Normalfall ist das die Hausärztin oder der Hausarzt. Weitere Antworten zum Wechsel des Abrechnungssystems, zu Hausärzten ohne passenden Facharzttitel und der Zahlung durch Zusatzversicherungen finden Sie hier.
2. Werden wirklich alle Therapeutinnen und Therapeuten vergütet?
Für eine Abrechnung über die Grundversicherung sind alle Psychotherapeuten zugelassen, die über eine Berufsbewilligung als Psychotherapeut verfügen, mindestens drei Jahre Berufserfahrung haben und selbständig auf eigene Rechnung arbeiten. Ein Problem ist das vor allem bei Therapeutinnen, die noch in der Ausbildung sind. Da handhaben die Krankenkassen die Kostenübernahme unterschiedlich. Mehr dazu lesen Sie hier und am besten fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach.
3. Wie lange zahlt die Versicherung meine Therapie?
Die Psychotherapie wird in Sitzungen abgerechnet. Die Grundversicherung zahlt mit einer ärztlichen Überweisung 15 Sitzungen. Braucht der Patient weiterhin Therapie, muss die Therapeutin einen Bericht verfassen, damit noch einmal 15 Sitzungen bezahlt werden. Wenn dann weiterhin Behandlungsbedarf besteht, wird es etwas komplizierter: Es muss bei der Krankenkasse eine Kostengutsprache eingeholt werden. Mehr dazu hier.
4. Mir geht es nicht gut. Wie finde ich überhaupt einen passenden Psychotherapeuten?
Auf der Suche nach einer passenden Therapeutin im Internet kann man schnell überfordert sein. Teils kommerzielle Vermittlungsplattformen werben mit allen möglichen Versprechen und Fachtiteln der Therapeuten. Das Wichtigste bei einer Therapie ist aber, dass die Chemie stimmt. Dennoch: Bei ernsten Problemen ist es wichtig, dass Sie als Patient oder Patientin bei einer passenden Fachperson landen. Hilfreich ist etwa das Online-Tool der Föderation Schweizer Psychologen. Mehr dazu, wie Sie am besten Hilfe finden, erklärt der Beobachter hier.
2 Kommentare
Ich war Ende 2023 das erste Mal bei so einem Psychotherapeuten. Ich hatte eigentlich nur zwei drei konkrete Fragen. Ich war zweimal je eine Stunde dort im Abstand einer Woche.
Kosten pro Stunde: 240.-
Wie kommen die auf so eine irrsinnige Zahl? Das ist doch nicht gerechtfertigt? Es gibt viele Berufe, in denen die Ausbildung länger und anspruchsvoller ist und die Verantwortung in dem Beruf auch noch viel höher. Zum Beispiel ein Ingenieur als Sicherheitstechniker. Wenn der einen Fehler macht, können Menschen sterben. Warum hat jemand in einem solchen Beruf einen deutlich tieferen Stundensatz als jemand, der nur gemütlich auf dem Stuhl sitzt und ein paar Standardsprüche von sich gibt? Von den zwei Stunden "Psychotherapie" habe ich maximal fünf Minuten profitiert. Der Rest war für mich sinnloses Bla. Aber es wurde darauf bestanden. Statt dass auf meine Fragen eingegangen wurde, wurden mir ständig Fragen gestellt. Es wurde versucht, mich zum langfristigen Patienten zu machen. Ich habe soviel Geld bezahlt, damit der versucht, aus mir einen Dauerpatienten zu machen. Und der minimalste Profit, den ich aus diesen beiden teuren Stunden gezogen habe, den hätte ich ziemlich sicher auch irgendwo im Web finden können. Fühle mich verarscht und habe fertig mit Psychotherapeuten.
Der Artikel "Die eingebildete Kriese" in der Sonntagszeitung vom 28.04.2024 bringt es auf den Punkt. 60 % der Vollzeit-Krankschreibungen aufgrund psychische bedingter Arbeitsunfähigkeit dauern im Durchschnitt 220 Tage. Diese sind auf Arbeitsplatzkonflike zurückzuführen, welche kaum Einfluss auf andere Lebensbereiche wie Partnerschaft, Freizeitaktivitäten, soziale Kontakte, Erziehung... haben. "Leichte" Fälle sind demnach die Regel.
Es zeigt die Unfähigkeit in unserer Gesellschaft Konflikte anzugehen und nach Lösungen zu suchen. Die Gründe dafür liegen mehrheitlich in der erziehungsbedingten fehlenden Resilienz die sich dann durch das ganze Leben zieht. Es ist einfacher sich krankschreiben zu lassen. Krankheit als Konsumgut oder bezahlter Urlaub sozusagen zu Lasten der Sozialwerke. Die Kosten dafür belaufen sich aktuell auf jährlich 57 Mrd Franken und werden bis 2023 auf 80 Mrd Franken steigen.
Da wundert es nicht, das der Anteil an Psychoterapeuten ständig steigt, ist doch ein Markt vorhanden. Wenn dann auch noch die Krankenkasse diese Leistungen aufgrund von gesetzlichen Neuregelungen immer mehr bezahlen müssen, wird das ganze zu einer Art "Selbstbedienungsladen" unserer persönlichkeitsorientierten Konsumgesellschaft. Ohne eine Förderung in Richtung Eigenverantwortung - so steht es auch in der Bundesverfassung - ist ein Zusammenbruch der Sozialwerke vorprogramiert. Also weiter so und nach mir die Sintflut !!