So verhalten Sie sich korrekt im Restaurant
Manche benehmen sich im Restaurant, als seien sie das Zentrum des Universums. Wie macht man es besser? Ein kleiner Knigge.
Veröffentlicht am 26. September 2018 - 14:05 Uhr,
aktualisiert am 27. September 2018 - 13:55 Uhr
Im Gastgewerbe zu arbeiten, ist anstrengend. Das Servicepersonal rennt kurz mal einen Halbmarathon, merkt sich 100 Bestellungen, achtet auf 200 Details und soll dabei stets entspannt wirken. Die Köche schuften in oft engen und heissen Küchen. Die Arbeitstage sind lang, besonders bei Schichten mit Zimmerstunde , die körperlichen und psychischen Belastungen gross. Und ohne Trinkgeld wäre der Lohn sehr bescheiden.
Dennoch erledigen im Gastgewerbe viele ihren Job mit Leidenschaft – alles für ein zufriedenes Lächeln des Gastes. Aber einige Dinge bringen sie auf die Palme. Die Profis Ana Wesmer* und Paul Rieter* verraten, wo Gäste in Fettnäpfchen treten – und wie man sie meidet.
Absagen ist Pflicht
Wer reserviert und nicht auftaucht , verhält sich nicht nur unanständig. Aus juristischer Sicht bricht er auch einen Vertrag. Wenn das, wie in vielen Lokalen, täglich vorkommt, führt das schnell zu jährlichen Umsatzeinbussen in sechsstelliger Höhe. «Restaurants mit wenigen Plätzen leiden besonders», sagt Ana Wesmer.
Theoretisch können die Wirte von den «Übeltätern» Schadenersatz verlangen, denn nur an guten Lagen sind solche Ausfälle mit spontaner Laufkundschaft auszugleichen. Paul Rieter sagt: «Es gibt immer wieder Geschäftsherrenrunden, die an drei verschiedenen Orten reservieren, und sich dann beim Apéro spontan für ein Lokal entscheiden. Die anderen zwei Reservationen gehen dann oft einfach ‹vergessen› – nicht die feine Art.»
Ins Schwitzen kommt aber auch ein Wirt, der mit acht Personen gerechnet hat und plötzlich zwölf verköstigen soll. Auch Gäste, die so früh erscheinen, dass die Belegschaft selbst noch beim Essen sitzt, können nicht mit Begeisterung rechnen. Und bei Verspätungen gilt generell: spätestens ab einer halben Stunde das Restaurant kurz benachrichtigen.
Der Ton macht die Musik
Gäste legen einen schlechten Start hin, wenn sie ins Restaurant stürmen und sich einfach setzen, ohne «Guten Tag» zu sagen.
In etwas gehobeneren Lokalen müssen sie in der Regel warten und werden vom Servicepersonal zum Tisch geführt.
Schlimmer ist es, die Bedienung anzufassen. «Das geht gar nicht und zeugt von wenig Respekt», sagt Paul Rieter. «Am schlimmsten ist es, wenn man mir beim Bestellen den Arm um die Hüfte zu legen versucht», fügt Ana Wesmer an. Sie mit «Fräulein» anzusprechen, kommt ebenfalls nicht gut an. «Ausser natürlich bei älteren Herrschaften, die es offensichtlich höflich meinen und den Ausdruck noch gewohnt sind», so Wesmer augenzwinkernd. Mit Fingerschnippen oder Pfeifen werden Hunde gerufen – die Bedienung in der Beiz hingegen mit «Entschuldigung» oder allenfalls «Hallo». «Unangenehm ist auch, wenn mich Kunden beim Namen quer durch das Lokal zu sich rufen», sagt Wesmer.
Aus Erfahrung weiss ich: «Grosse Gruppen sind tendenziell schwieriger.» Ein Frauen-Polterabend brachte sie kürzlich an den Anschlag. Schon das Aufnehmen der Bestellungen war kompliziert, die Garstufen von Fleisch kannten die Kundinnen knapp dem Namen nach.
Als der Hauptgang kam, erinnerte sich dann keine mehr, was sie bestellt hatte, und wollte plötzlich etwas anderes. Die Damen reklamierten dauernd
. Nachbestellungen gaben sie konsequent einzeln auf. «Der eine Tisch nahm mich vollständig in Anspruch, obwohl ich normalerweise locker sieben Tische im Griff habe», sagt Wesmer. Selbstverständlich gab es auch kein Trinkgeld. «Leider ist das typisch für grössere Frauenrunden.»
* Die 35-jährige Servicefachangestellte sprüht vor Herzlichkeit und Energie. Seit fast 20 Jahren arbeitet sie in Zürich und Graubünden in Restaurants, Bars und Clubs – seit Jahren in leitender Funktion oder als Geschäftsführerin.
Sauer wird das Personal ausserdem, wenn Gäste in dessen heiliges Terrain eindringen: die Küche und den Barbereich. Der beginnt direkt hinter der Theke – Mustergäste schnappen sich also nicht selbst ein Röhrli aus dem Behälter hinter dem Tresen. Und wer den Koch zum Dank umarmen will, fragt erst besser höflich nach, ob das drinliegt.
«Leute mit riesigen Taschen tragen positiv zum geregelten Ablauf bei, wenn sie diese nicht genau in meinen Weg stellen», sagt Ana Wesmer. Dasselbe gelte für Kinder und Haustiere, sofern sich diese in einem Restaurant überhaupt wohl fühlen. «Im Zweifelsfall ist allen Beteiligten mit einem Babysitter am besten gedient
», findet Paul Rieter.
Wer fertig gegessen hat, stellt das Besteck auf die 15.20-Uhr-Position: das Signal für den Service, dass er den Teller abräumen darf.
Knigge-Tipp Nr. 1
Raus damit
Dem talentiertesten Koch kann etwas missglücken, die beste Serviceangestellte in ein Durcheinander geraten, der ehrgeizigste Geschäftsführer sich in ein schlechtes Konzept verrennen. Egal, was schiefgegangen ist: Freundliche, konstruktive Kritik kommt bei engagierten Gastronomen gut an. «Das sind für uns wertvolle Informationen», sagt Paul Rieter.
Wichtig: Wenn reklamieren, dann sofort – besonders, wenn mit dem Essen etwas nicht stimmt.
Knigge-Tipp Nr. 2
«Alles aufessen und am Schluss nörgeln, das ist peinlich», sagt Ana Wesmer. Und die Faust im Sack machen und hinterher auf Bewertungsplattformen zetern
ist schlicht unfair.
Paul Rieters Geduldsfaden riss jäh: «Ich schenke Ihnen den gesamten Rechnungsbetrag, wenn Sie versprechen, nie wieder in mein Restaurant zu kommen.» Eine junge Dame hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Sie hatte die letzten beiden freien Plätze bis 21 Uhr reserviert. Sie war schlecht gelaunt, hatte diverse Spezialwünsche, beanstandete mehrere Teller – kein Problem für Rieter. Doch so hatte alles länger gedauert.
Damit die Kundin und ihr Freund sitzen bleiben konnten, vertröstete der Wirt die nächsten Gäste mit einem Apéro an der Bar. Doch als er das Paar 20 Minuten später bat, den Tisch freizugeben, rastete die Kundin lautstark aus: Sie wechsle nur an die Bar, wenn sie einen Gin Tonic aufs Haus bekomme. Als Rieter sie bat, nie mehr ins Lokal zu kommen, brach sie in Tränen aus. «Ihr Freund, der arme Kerl, schämte sich in Grund und Boden», erzählt Rieter. Dennoch kam es zum Happyend: Die Dame entschuldigte sich – und bekam doch noch ihren Gratisdrink.
* Der 41-Jährige ist praktisch immer gut gelaunt und kann mit allen umgehen. Seit 13 Jahren ist er Mitinhaber und Servicechef eines Restaurants mit 15 Angestellten mitten in Zürich.
Nicht bloss ein Supplement
Müssen Gäste Trinkgeld geben? Aus juristischer Sicht ist klar: nein. Doch es ist üblich, bei gutem Service freiwillig etwas mehr zu zahlen, in der Regel rund zehn Prozent. «Teurer Wein muss dabei aber nicht berücksichtigt werden», darin sind sich Ana Wesmer und Paul Rieter einig.
Natürlich wäre es schön, wenn die Arbeitgeber die Preise erhöhen und entsprechend mehr Lohn bezahlen würden – und so der gesamte Verdienst des Gastropersonals versichert wäre. Doch so läuft es nun mal nicht in der Schweiz: Besonders auf Speisen sind die Margen tief, weder Wirt noch Personal werden reich. Der Mindestbruttolohn von ausgebildeten, erfahrenen Angestellten beträgt gemäss Gesamtarbeitsvertrag gerade mal 4250 Franken. Da sind Trinkgelder ein wirklich willkommener Zustupf.
Noch schlimmer als kein Trinkgeld ist wenig Trinkgeld: Die Rechnung von Fr. 208.50 auf 210 Franken aufzurunden, kommt beim Personal als persönliche Beleidigung rüber.
Knigge-Tipp Nr. 3
«Lieber gar nichts geben als ein Feigenblatt», findet denn Ana Wesmer. In vielen Restaurants gibt der Service dem Küchenpersonal einen wohlverdienten Anteil des Trinkgelds ab. Gäste, die mit Kreditkarte bezahlen, geben das Trinkgeld am besten in bar – so können sie sicher sein, dass es auch wirklich beim Personal ankommt.
*Namen geändert
7 Kommentare
Auf Restaurantseite werden Fehler gemacht. Einer sind die viel zu grossen Speisekarten, äusserlich. Der Gast wird mit einer Mappe beschlagen, die für einen Staatsvertrag passend wäre, er weiss gar nicht, wohin damit. Besser fände ich ein etwa DIN-A-5 grosses Papier, das genügt vollkommen. Es kann sogar handbeschrieben sein, das macht nichts. Rechtschreibefehler gehen nicht, es gibt schliesslich Korrektoren, die wissen, wie man Cordon-Bleu schreibt.
Auf Gästeseite fehlt es, ich war jahrelang Kellner, ganz einfach an Geschmack und Kultur. Im Frühling isst man keine Vermicelles und im Dezember bestellt man keine Spargeln. Das kulinarische Durcheinander, jetzt wieder ein Blick auf die Speisekarte, wird oft vom Koch oder vom Wirt veranstaltet. Weniger ist fast immer mehr.
Die Pizza hat im Restaurant nichts verloren, sie ist Restesammlung zu Hause. Wenn es italienisch sein soll, dann bitte coniglio, minestra fiorentina, arrosto di manzo con polenta, mascarpone.