Wissen, wo man Geld erhält
Sorglos ist das Studentenleben? Das mag einmal gewesen sein. Heute drücken die Bologna-Reform und steigende Studiengebühren aufs Portemonnaie von Studierenden. Da ist es gut zu wissen, wo und wie man zu einem Stipendium kommt.
Veröffentlicht am 10. September 2012 - 08:25 Uhr
Nun ist es an den Hochschulen wieder vorbei mit der Stille in leeren Gängen. Nach der Sommerpause strömen über 200'000 Studierende zurück an die Unis und Fachhochschulen – rund 35'000 von ihnen werden zum ersten Mal in einem Hörsaal sitzen.
Manch einer wird während der Einführungsvorlesung vielleicht einen Gedanken daran verschwenden, wie viele Semester er wohl hier verbringen wird und ob das Geld dafür ausreicht. Denn seit fast alle Studiengänge nur noch im stärker strukturierten Bachelor-Master-System angeboten werden, haben Studierende immer weniger Zeit, neben dem Studium einem Job nachzugehen. Und die relativ tiefen Studiengebühren sind auch nicht in Stein gemeisselt. Die Universitäten Bern und St. Gallen haben ihre Tarife im letzten Jahr von 1310 auf 1586 respektive von 2040 auf 2452 Franken pro Jahr erhöht, an den beiden ETHs ist gar eine Verdoppelung in Diskussion.
Für Studierende ist es daher umso wichtiger zu wissen, wo es Geldquellen gibt und nach welchen Kriterien Stipendien oder Darlehen gewährt werden. Einfach ist das nicht. Das Stipendienwesen ist kantonal geregelt, was zum typisch schweizerischen Chrüsimüsi führt. Bemessungsgrundlagen, Kriterien und Höhe der Stipendien variieren von Kanton zu Kanton. Erste Anlaufstelle für Studierende mit Geldbedarf ist deshalb die jeweilige kantonale Stipendienstelle. Dort weiss man Bescheid, was es braucht und wie viel es gibt. Wer seine Chancen vorab klären möchte, kann dies für einige Kantone mittels Online-Prognoserechner tun (siehe «Weitere Infos»).
Eines gilt aber grundsätzlich überall: Studierende werden nur unterstützt, wenn ihre Eltern nicht in der Lage sind, die Ausbildung zu finanzieren. Ausserdem besteht eine Mitwirkungspflicht: Studierende müssen selber ebenfalls einen Beitrag leisten, um für Ausbildung und Lebensunterhalt aufzukommen. Wer den Kanton um ein Stipendium oder Darlehen ersucht, muss sowohl die eigenen als auch die finanziellen Verhältnisse der Eltern offenlegen und meist ein Budget einreichen. Zuständig ist der Wohnsitzkanton der Eltern. Leben diese getrennt in unterschiedlichen Kantonen, wendet man sich am besten zuerst an die Stipendienstelle des eigenen Wohnsitzkantons und macht sich dort schlau.
Viele Kantone unterstützen nur die Erstausbildung, manche zahlen aber auch Beiträge für Zweitausbildungen. Fast überall gelten indessen Alterslimiten; in der Regel liegen sie bei 30 bis 35 Jahren zu Beginn der Ausbildung.
Auch was man an finanzieller Hilfe erwarten darf, ist von Kanton zu Kanton verschieden. Durchschnittlich erhielt ein Stipendienbezüger im Jahr 2010 pro Semester 3963 Franken. Dies deckt etwa einen Drittel der Lebenshaltungskosten. Doch der Trend zeigt abwärts: Seit den 1990er Jahren ist der Umfang der Stipendien real um rund 20 bis 25 Prozent gesunken. Auch die Chancen auf staatliche Unterstützung sind vergleichsweise gering. Nur etwa zehn Prozent der Studierenden erhalten einen Zustupf. «Das ist wenig, es gäbe je nach Kanton Bedarf bei etwa 15 bis 20 Prozent der Auszubildenden», sagt Charles Stirnimann, Präsident der Interkantonalen Stipendienkonferenz (IKSK).
Wer nicht zu den Glücklichen gehört, muss aber nicht betteln gehen, unter der Brücke schlafen oder gar die Studienpläne beerdigen. Zahlreiche private Stiftungen und Fonds helfen ebenfalls, Ausbildungen zu finanzieren. Viele Stiftungen sind im Eidgenössischen Stiftungsverzeichnis aufgeführt, die Kantone Zürich und Basel-Stadt haben zudem eigene Stipendienverzeichnisse zusammengestellt (siehe «Weitere Infos»). Mögliche Anlaufstellen sind auch die Schweizerische Studienstiftung sowie der vom Staatssekretariat für Bildung und Forschung geführte Fonds Achille Isella. Zudem lohnt es sich, bei der Wohnorts- oder der Heimatortsgemeinde anzuklopfen – manche gewähren ebenfalls Stipendien oder Darlehen oder leisten Beiträge an besonders hohe Lehrmittelkosten. Einige Universitäten betreiben eigene Fonds oder studentische Darlehenskassen und vermitteln teilweise auch Stipendien privater Stiftungen. Auch hier heisst es: Nachfragen lohnt sich.
Was den Wildwuchs betrifft, besteht Hoffnung auf Besserung. Die Schweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz hat 2009 ein Stipendienkonkordat geschaffen, um die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Ausbildungsbeiträge zu harmonisieren. Darin werden Mindeststandards und eine Altersgrenze von 35 Jahren festgelegt, genauso wie ein jährlicher Mindestbetrag von 16'000 Franken für ein volles Stipendium. Das Konkordat tritt in Kraft, sobald zehn Kantone beigetreten sind; neun haben dies bis heute schon getan. «Wir sind auf einem guten Weg», meint IKSK-Präsident Stirnimann.
Weitere Infos
www.ausbildungsbeitraege.ch: Infos über das Stipendienwesen sowie Adressen sämtlicher kantonaler Stipendienstellen
www.berufsberatung.ch/...: Tipps und Links zur Ausbildungsfinanzierung
www.edi.admin.ch/esv: Eidgenössisches Stiftungsverzeichnis mit Suchfunktion
www.studienstiftung.ch: Website der Schweizerischen Studienstiftung
www.infostelle.ch: Stiftungen und Fonds im Kanton Zürich
www.ed-bs.ch: Stipendienverzeichnis des Kantons Basel-Stadt
www.sbf.admin.ch: Website des Staatssekretariats für Bildung und Forschung
www.ausbildungsbeitraege.info: Prognoserechner für die Kantone AG, BE, BL, FR, GR
Broschüre
Sehr empfehlenswert ist das «Stipendienhandbuch» des Schweizerischen Dienstleistungszentrums Berufsbildung, Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (SDBB) in Bern. Es ist erhältlich für 15 Franken. Telefon 0848 999 001 oder www.shop.sdbb.ch