«Juventus» fällt durch
Juventus bietet Vorbereitungskurse für die Berufsmatura an. Elf von zwölf Schülern einer Klasse bestanden die Prüfung danach nicht.
Veröffentlicht am 17. Januar 2019 - 18:21 Uhr,
aktualisiert am 17. Januar 2019 - 15:19 Uhr
Andrea Grassi* bereitet sich an der Juventus-Schule auf die Berufsmatura im technischen Bereich vor. Ihr Ziel: ein Studium. Eigentlich bringt sie alles mit, was man dafür braucht: Grips, Willen und das nötige Budget . Nur eines hat sie nicht: Unterricht. «Die Lehrer kommen ständig zu spät, lassen Stunden ausfallen oder werden doppelt eingeteilt. Einige Male mussten wir uns sogar gleichzeitig einen Lehrer mit der kaufmännischen Fachrichtung teilen», sagt Andrea Grassi.
Fast 8000 Franken kostet der Matura-Vorbereitungskurs an der Zürcher Privatschule Juventus. Eine staatliche Kontrolle gibt es nicht. Da die Schüler mit einer Übermittlung ihres Resultats einverstanden sein müssen, sind Zahlen über die Abschlussquote nur begrenzt vorhanden. Vergangenes Jahr haben 11 von 12 Schülern die Prüfung im sozialen Bereich nicht bestanden. Im technischen Bereich sind fast 40 Prozent durchgefallen. Von einer Klasse mit 23 Schülern haben also nur 14 bestanden. Die Quote jener, die ihre Resultate der Schule zugänglich machen, liegt bei etwa 50 Prozent. Das bedeutet, dass die Juventus tatsächlich nur bei 7 von 23 Schülern mit Sicherheit sagen kann, dass sie bestanden haben.
Die verpassten Stunden wurden nicht alle nachgeholt. «An einigen Samstagen stellte uns ein Lehrer einfach das Klassenzimmer zur Verfügung, damit wir selbständig arbeiten und bei Bedarf Fragen stellen konnten. Dafür haben wir ihm das Zugticket und einen Zmittag bezahlt», erzählt Andrea Grassi.
Probleme gibt es auch in anderen Fachbereichen. «Die Lehrer haben vergessen, das Fach Soziologie zu unterrichten», sagt ein Schüler aus dem Bereich Gesundheit und Soziales. «Als man das merkte, wurden die verpassten Stunden noch schnell reingequetscht.» Der Kurs für die soziale Richtung war im letzten Jahr erstmals angeboten worden. «Die Lehrer wussten nicht mal, dass es eine schriftliche Prüfung geben wird», sagt der Schüler. Stattdessen mussten die Juventus-Schüler ein umfangreiches Dossier anlegen, das dann nicht einmal bewertet wurde. «Das war reine Zeitverschwendung.» Die Schüler hätten selber herausgefunden, dass sie eine schriftliche Prüfung ablegen mussten. «Nachdem wir den Leitfaden gelesen hatten, wurde uns klar, dass das Dossier überflüssig war. Wir haben viel Vorbereitungszeit
verloren.»
«Die Lehrer kommen zu spät, lassen Stunden ausfallen oder werden doppelt eingeteilt.»
Andreas Grassi*, Berufsmaturandin
«Bedauerlicherweise hat die Lehrperson unsere Studierenden für die Prüfungsanmeldung nicht ausreichend instruiert. Dadurch entstand bei den Studierenden im Vorfeld zur Prüfungsanmeldung ein Zusatzaufwand, um ein Dossier zu erstellen, das effektiv nicht verlangt war», schreibt Felix Frei, Rektor der Juventus.
Als Entschädigung für den Mehraufwand wollte die Juventus jedem Schüler einen Coop-Gutschein über 300 Franken ausstellen. Ein Schüler fand das eigenartig. Denn die Präsidentin des Stiftungsrats der Juventus, Irene Kaufmann, ist auch Vizepräsidentin der Coop-Gruppe. Als die Schüler die Gutscheine ablehnten, wurde jedem ein Betrag in Höhe von 500 Franken zurückerstattet. «Seit Jahren nutzt die Juventus-Gruppe die beliebten Einkaufsgutscheine der Coop-Gruppe als Abschiedsgeschenk für Mitarbeitende oder als Dankeschön für besondere Arbeiten», schreibt Rektor Frei. «Dass unsere Stiftungsratspräsidentin bei Coop tätig ist, steht hier in keinem Zusammenhang.»
«Jeder kann eine Privatschule eröffnen oder seine Dienstleistung als Privatschulangebot verkaufen», sagt Dominik Noser vom Eidgenössischen Departement für Bildung. Die Schulen seien in ihrem Angebot völlig frei, entsprechend sei der Markt sowie die Bandbreite bezüglich Qualität gross.
Die Privatschulen setzen auf unabhängige Zertifizierungsfirmen. «Eduqua» heisst das Qualitätslabel für Weiterbildungsinstitutionen. Auch die Juventus ist Eduqua-zertifiziert. Das Label beurteilt unter anderem die Bildungsangebote, die Ausbildung und das Qualitätsmanagements-System. In vielen Kantonen gilt das Eduqua-Zertifikat als Voraussetzung, damit Institutionen öffentliche Gelder beziehen können. Das Label soll garantieren, dass Privatschulen bestimmte Qualitätsstandards erfüllen.
Ausgestellt wird das Eduqua-Zertifikat je nach Region von unterschiedlichen Zertifizierungsstellen. Für die Juventus zuständig ist die SQS, eine neutrale und unabhängige Not-for-Profit-Organisation. Bei einer Zertifizierung würden die Lehrgänge wie auch die Vorbereitungskurse für die eidgenössischen Prüfungen auf Niveau höhere Fachschule beurteilt, sagt Rafael E. Sinniger, Mitglied der Geschäftsleitung. Aber: «Für Kurse zur Vorbereitung auf die Berufsmaturitätsprüfung ist im Moment kein entsprechender Kunde als aktiver Mandant geführt.» Das heisst: Der Bereich ist nicht überprüft.
Die Juventus ist eine der wenigen Privatschulen, die im Raum Zürich einen berufsbegleitenden Vorbereitungskurs für die eidgenössische Maturitätsprüfung anbieten. Weil Andrea Grassi durchgefallen ist, muss sie den Vorbereitungskurs noch mal belegen. Wieder an der Juventus. Immerhin muss sie dafür nichts bezahlen. «Ich weiss einfach nicht, was mir sonst bleibt.»
*Name geändert
Sind Eltern verpflichtet, bis zu einer festen Altersgrenze für den Unterhalt der Kinder zu sorgen? Welche Unterstützung leisten der Bund und die Kantone? Wie sollen sich Lernende an den Haushaltskosten beteiligen? Auf diese und andere Fragen zur Unterhaltspflicht von Eltern geht der Beobachter für seine Mitglieder ein.