Die Sünder sind die Konsumenten
Der Farbverdünner wird ins Klo gespült, das Altöl in den Schüttstein, und die Radiobatterie landet im Abfallsack. Die unkorrekte Entsorgung von Sondermüll aus dem Haushalt gilt als Kavaliersdelikt. Doch die Rechnung dafür wird teuer.
Illegales Entsorgen von normalen Hausabfällen gilt als Kavaliersdelikt, doch bei den Sonderabfällen hört der Spass auf. Je nach Abfallsorte und Delikt machen sich die Übeltäter strafbar.
Zu Recht, denn die zum Teil hochgiftigen Stoffe schädigen Wasser, Boden oder Luft – und damit auch die Gesundheit der Menschen. «Die Täter sind oft Privatpersonen, Familienbetriebe und kleinere bis mittelgrosse Firmen», sagt Silvio Zoller vom Umweltschutzdienst der Kantonspolizei Zürich.
Sorgloser Umgang mit Giftstoffen
Im Haushalt passierts schnell: Die alte Radiobatterie landet im Abfallsack, das ranzige Olivenöl und der Farbverdünnerrest werden in den Schüttstein gekippt. Wie oft solcherlei passiert, darüber kann nur spekuliert werden. «Die unsichere Datenbasis lässt Vermutungen oder Hochrechnungen freien Lauf», sagt Urs Sterchi, der sich bei der Kantonspolizei Bern mit Umweltkriminalität befasst.
Hinweise auf einen zunehmend fahrlässigeren Umgang mit Gift und Problemabfällen gibt es aber sehr wohl. So werden von zehn Altbatterien trotz unentgeltlicher Rückgabe- und Rücknahmepflicht nur sechs zum Sammelplatz oder zur Verkaufsstelle zurückgebracht. Auch bei den quecksilberhaltigen Neonröhren werden nur 60 Prozent fachgerecht entsorgt.
Ein weiteres Indiz ist der gesunkene Stellenwert der Ökologie. 1988 nahmen 74 Prozent der Stimmberechtigten die Umwelt als «wichtiges Problem» wahr, jetzt sind es noch 19 Prozent. Im nationalen Sorgenbarometer ist das Thema auf Platz acht abgesackt.
Das prägt die Abfalldisziplin. Immer mehr Städte beklagen sich über liegen gelassenen Müll in ihren Strassen. «Der lockere Lebensstil der jungen Generation wirkt sich auch beim Abfall aus», glaubt Hans-Peter Fahrni, Chef der Abteilung Abfall beim Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal).
Auch die Autobahn-Putzequipen stöhnen. «Viele Passanten deponieren ihren Kehricht einfach irgendwo entlang der Autobahn – meist bei einem Rastplatz, um so die Sackgebühr zu sparen», sagte Putzkoordinator Heinz Borer in der «Berner Zeitung». Das Personal sammelt ständig neue Rekordmengen ein.
Andere wiederum entsorgen ihren Güsel gleich zu Hause: Wahre Giftschleudern sind Feuer mit Abfall als Brennstoff. Ein Kilogramm Kehricht, im privaten Chemineeofen verbrannt, erzeugt gleich viel giftiges Dioxin wie zehn Tonnen ordentlich entsorgter Abfall in einer modernen Kehrichtverbrennungsanlage. Und das hat Folgen: Das Dioxin landet nämlich zusammen mit dem Russ schliesslich wieder auf dem Blattgemüse im Garten. «Wer das Problem nicht kennt oder Kehrichtgebühren sparen will, gefährdet seine eigene Gesundheit», mahnt das Buwal.
Trotz klarem Verbot deckt zum Beispiel die Zürcher Kantonspolizei laut Silvio Zoller «recht viele illegale Entsorgungen» auf. Sogar in offiziellen 1.-August-Feuern finden die Fahnder Altpneus, lackierte Fensterrahmen oder sonstigen Hausrat.
Unübersichtliches Sammelkonzept
Kritik müssen sich aber auch die Behörden gefallen lassen: Das Sammelkonzept für Spezialabfälle ist für Laien schwer durchschaubar. Elektrogeräte nimmt nur der Handel entgegen, die PET-Container stehen bei den Geschäften statt bei der öffentlichen Sammelstelle, und die Information der Gemeinden ist oft mangelhaft.
Die Bevölkerung lerne auch Schwierigeres, wehrt sich Hans-Peter Fahrni vom Buwal. Er räumt aber ein: «Die Entsorgung darf nicht noch komplizierter werden, und die Information der Bevölkerung muss eine Daueraufgabe sein.»
Privatpersonen können ihre problematischen Abfälle in der Regel gratis entsorgen. Nicht so das Gewerbe und die Industrie. Sie müssen für die fachgerechte Entsorgung oder das Recycling des als Sonderabfall eingestuften Gewerbemülls bezahlen.
Der Ablauf ist klar geregelt. Die Firmen und ihre Abnehmer müssen registriert sein, und ohne Begleitschein geht nichts. «Das System ist sehr gut, und wir haben viel erreicht», sagt Beat Frey, Buwal-Experte für Sonderabfall. Aber: «Mit dem wirtschaftlichen Druck steigt auch die Versuchung, den giftigen Abfall möglichst billig loszuwerden.»
Auf Sünder stösst die Polizei «eher zufällig», gesteht Urs Sterchi von der Kantonspolizei Bern. So etwa bei Verkehrskontrollen, dank entdeckten illegalen Deponien oder wenn in einem Gewässer die Fische sterben. «Die Täterschaft weiss offenbar, dass die Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung häufig gering ist», sagt der Umweltpolizist.
Die Schule soll aufklären
Das Sündenregister bei den Verzeigungen ist lang: Auf der Liste figurieren etwa: Transport oder Annahme von Sonderabfall ohne Bewilligung, vorsätzliche Fälschung des Begleitscheins, Betrug, Einleiten von Sonderabfall in Oberflächengewässer oder Abwasserreinigungsanlagen, illegales Lagern und Deponieren der Abfälle oder verbotener Export ins Ausland.
Der sorglosere Umgang mit Abfall hat laut einer Umfrage des Buwals und des Städteverbands drei Hauptursachen: der Trend zum «Fast Food», mangelnde Verantwortung und ein Defizit in der Umwelterziehung.
Innovative Abfallprofis haken beim letzten Punkt ein. «Bei den Kindern könnte falsches Verhalten im Elternhaus korrigiert werden», glaubt Matthias Schwendimann, dessen Firma in über 30 Berner Gemeinden den Kehricht entsorgt. «Analog dem Verkehrsunterricht», fordert er, «sollte ein Tag pro Schuljahr dem Thema Abfall gewidmet sein.»
Privaten Sondermüll korrekt entsorgen
Batterien und Akkus
3700 Tonnen Batterien werden jedes Jahr verkauft, davon werden rund 60 Prozent in einer Schweizer Recyclingfirma verwertet.
Probleme und Gefahren: Schwermetalle wie Zink, Cadmium oder Blei können beim Verbrennen in einer Kehrichtverbrennungsanlage in die Umwelt entweichen.
Richtige Entsorgung: Rückgabe bei den Verkaufsstellen oder bei den Sammelstellen der Gemeinden.
Fernseher, Computer, Stereoanlagen
Jährlich fallen rund 110'000 Tonnen Elektroschrott von ausgedienten elektrischen und elektronischen Geräten an.
Probleme und Gefahren: Die komplexen Geräte enthalten viele verwertbare Stoffe (Kupfer oder Eisen) sowie schädliche Schwermetalle (Zink, Cadmium, Blei).
Richtige Entsorgung: Händler müssen Geräte zurücknehmen (zum Teil gegen eine Gebühr). Intakte Geräte gehören auf den Occasionsmarkt.
Kühlgeräte
Verkauft werden pro Jahr rund 240'000 Haushalt-Kühlgeräte; die Rücklaufquote ins Recycling beträgt 75 Prozent. Vom Rest werden vermutlich viele exportiert.
Probleme und Gefahren: Bis 1994 verkaufte Kühlgeräte enthalten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die die Ozonschicht schädigen. Diese Geräte sollten geordnet entsorgt werden.
Richtige Entsorgung: Sammelstellen der Gemeinden, private Sammelstellen oder der Fachhandel. Eine Entsorgungsvignette kostet 75 Franken pro Gerät.
PET-Flaschen
24'000 Tonnen PET werden pro Jahr zu Getränkeflaschen geformt – knapp 80 Prozent werden wieder verwertet. Auch Öl, Essig oder Reiniger sind in PET-Flaschen.
Probleme und Gefahren: Bei der Umweltbilanz «PET kontra Glas» streiten die Experten. Plastikflaschen werden aber häufiger wild entsorgt als Glasflaschen.
Richtige Entsorgung: Die Entsorgung ist privat organisiert. Die Sammelstellen stehen meistens bei den Verkaufsläden.
Neonröhren
Über 8 Millionen Leuchtstofflampen gehen pro Jahr über den Ladentisch, davon werden rund 60 Prozent separat entsorgt.
Probleme und Gefahren: Jede Lampe enthält 10 bis 15 Milligramm schädliches Quecksilber, das beim Verbrennen im Hauskehricht in die Luft geraten kann.
Richtige Entsorgung: Sammelstellen der Gemeinden, regionale Sammelstellen für Sonderabfall oder der Fachhandel.
Öl
Separat gesammelt werden rund 10'000 Tonnen Speiseöl sowie rund 50'000 Tonnen Mineral- und Motorenöl.
Probleme und Gefahren: Speiseöl im Abwasser kann sich bei tiefen Temperaturen verfestigen und Leitungen verstopfen. Motorenöl enthält diverse Schadstoffe.
Richtige Entsorgung: Sammelstellen der Gemeinden, regionale Sammelstellen für Sonderabfall oder der Fachhandel.
Medikamente, Fieberthermometer
Jährlich werden Heilmittel im Wert von 500 Millionen Franken weggeworfen.
Probleme und Gefahren: Viele Medikamente sind unbedenklich. Hormone und Antibiotika im Wasser haben aber die Fachwelt aufgeschreckt. Viele Thermometer enthalten Quecksilber.
Richtige Entsorgung: Separatsammlungen in vielen Gemeinden. Sonst: alte Medikamente und Thermometer zurück zum Arzt, Apotheker oder Drogisten.
Putzmittel, Säuren, Laugen, Gartenchemie
Um die 100'000 Tonnen Abfall pro Jahr (vor allem Säuren und Laugen aus der Industrie).
Probleme und Gefahren: In grösseren Mengen bilden viele dieser Substanzen ein Umweltrisiko (Fischsterben im Wasser, Auslaufgefahr beim Entsorgen im Abfallsack).
Richtige Entsorgung: Meistens keine Separatsammlungen. Rückgabe an den Fachhandel, an Apotheken oder Entsorgung in Sammelstellen für Sonderabfall.
Alte Farben, Verdünner
Uber die Sonderabfall-Sammelstellen werden jedes Jahr rund 9000 Tonnen Farbabfälle entsorgt.
Probleme und Gefahren: Im Hauskehricht-Sammelwagen können die Dosen zerquetscht werden. Schädliche Lösungsmittel laufen aus oder entzünden sich.
Richtige Entsorgung: Meistens keine Separatsammlungen. Rückgabe an den Fachhandel, an Apotheken oder Entsorgung in Sammelstellen für Sonderabfall.
Spraydosen
Spraydosen mit dem Ozonkiller FCKW sind immer weniger im Handel.
Probleme und Gefahren: Wenn die Druckbehälter Restgase enthalten, können diese beim Pressvorgang im Kehrichtwagen entweichen und sich entzünden.
Richtige Entsorgung: Leere Dosen sind je nach Kanton als Hauskehricht erlaubt oder nicht. Sonst in die Sammelstelle für Sondermüll oder zurück in den Laden.