«Er will Sex mit anderen Frauen»
Frage: «Dass mein Mann mal ins Bordell geht, damit könnte ich noch leben. Er findet aber, ich müsse ihm auch gönnen, mit Nichtprofessionellen zu schlafen – in meiner Gegenwart. Muss ich das akzeptieren?»
Veröffentlicht am 14. Februar 2011 - 08:13 Uhr
Antwort von Koni Rohner, Psychotherapeut FSH:
Nein, das müssen Sie nicht. Die Wünsche Ihres Mannes brauchen Ihnen selbstverständlich nicht Befehl zu sein. Sagen Sie ihm deutlich, was für Sie möglich ist und was für Sie nicht in Frage kommt. In einer modernen Partnerschaft braucht es zwar keine sexuellen Tabus mehr zu geben, aber die unumstössliche Regel lautet: Nichts darf auf Kosten des Partners gehen. Keiner soll wegen der Vorlieben des andern leiden müssen, auch nicht seelisch. Wenn Sie, wie Sie schreiben, offen deklarieren, dass Sie nichts gegen Bordellbesuche haben, hat Ihr Mann ja bereits das Glück, eine sehr tolerante Partnerin zu haben.
Wieso boomt das Sexangebot derart in unserer Gesellschaft? Sind die Menschen nicht dafür geschaffen, einem Partner, einer Partnerin sexuell treu zu sein? Oder schafft erst das Angebot die Nachfrage? Gibt es Pornofilme, Sexshops, Telefonsex, Sexsalons und so weiter, weil Menschen das brauchen, oder wird das alles nur begehrt, weil dafür geworben wird? Haben Männer einen natürlichen Hang zur «Vielweiberei», und wollen Frauen immer nur einen Partner?
Das Angebot des Sexgewerbes ist zweifellos auf Männer zugeschnitten. Umfragen zeigen aber, dass Seitensprünge bei Frauen und Männern gleich häufig sind, Frauen haben sogar etwas seltener ein schlechtes Gewissen dabei. Jeder zweite Schweizer, jede zweite Schweizerin ist schon mal fremdgegangen. Kein Wunder, dass es auch dafür bereits ein spezialisiertes Angebot gibt: «Vertrauen auch Sie der grössten Kontaktagentur für einen anonym und diskret organisierten Seitensprung», heisst es zum Beispiel in einer einschlägigen Werbung.
Zurück zur Natur des Menschen: Sie ist nicht wirklich bestimmbar, weil sich unser Wesen sowohl aus Erbanlagen als auch aus den Umwelteinflüssen entwickelt hat. Und als drittes Element kommen auch noch Selbstentfaltung und Selbststeuerung dazu.
Mit Sicherheit beruht die Sexualität auf einem genetisch angelegten Antrieb. Sie muss eine sehr starke Kraft sein, denn ihre biologische Aufgabe ist es, die Erhaltung der Art unter allen Umständen zu sichern. Tief in uns drin hat die Sexualität also bestimmt eine animalische Komponente, die wahrscheinlich ziemlich anarchistisch nur Lust will und keine Moral hat. Die menschliche Gattung konnte aber auch nur überleben, weil wir von Grund auf soziale Wesen sind, uns in Gruppen, später in Staaten, in Zivilgesellschaften organisieren. Das funktioniert nur, weil wir einander vertrauen können.
Beides gilt auch für die Partnerschaft: Wir wünschen uns freie Verliebtheit und Lust, spielerische, erfüllte Sexualität – aber wir möchten auch vertrauen können, wir erwarten Treue.
Lässt sich das vereinbaren? Kann man treu sein und zugleich seine sexuellen Wünsche ungehindert ausleben? Am einfachsten geht das wohl in der Phantasie: Die Gedanken sind frei. Ob auch Seitensprünge möglich sind, ohne dass das Vertrauen ineinander verlorengeht, hängt von der individuellen Partnerschaft ab. Paare können aushandeln, was drinliegt und was nicht.
Gibt es, wie der US-Psychologe Arnold Lazarus behauptet hat, ein Gesetz der ehelichen Untreue? Demnach entsteht durch das Zusammensein zwangsläufig eine sogenannte Habituation: Weil man sich ans Aufregende gewöhnt, ist es immer weniger aufregend, und man sucht dann eben einen Kick im Seitensprung, der schon mal den Reiz des Neuen hat.
Ist es aber dieser Kitzel wert, das Vertrauen in der Partnerschaft zu gefährden? Die Antwort der heutigen Jugend ist eindeutig: Der Psychologieprofessor Guy Bodenmann hat vor einigen Jahren 300 Jugendliche mit Durchschnittsalter 17 zur Bedeutung von Paarbeziehungen befragt. 94 Prozent gaben an, dass für sie Treue sehr wichtig sei.
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