An einen «Unfall» hat Martin Greuter* nie geglaubt. Er ist überzeugt, dass die Mutter seines inzwischen 20-jährigen Sohnes mit voller Absicht schwanger wurde und ihn im Alter von 18 Jahren zum Vater machte.

«Ein total egoistischer Akt», sagt Martin Greuter. «Sie wollte ein Kind, und ich war dumm genug, ohne Verhütung mit ihr zu schlafen. Wie sonst liesse sich erklären, dass sie sich einen wie mich als Vater ausgesucht hat?» Einer, der kaum den Kinderschuhen entwachsen und für eine Vaterschaft noch viel zu jung war?

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Als sie ihm von der Schwangerschaft erzählte, war für den Maturanden sofort klar, dass er dieses Kind nicht wollte. Doch sie liess sich nicht auf Diskussionen ein: Für die damals 36-Jährige stand fest, dass sie es bekommen und ihren halb so alten Liebhaber gegen seinen erklärten Willen zum Vater machen würde. Eine Handhabe hatte der werdende Vater dagegen nicht.

Wenn ein Kind da ist, ist der Vater verpflichtet, es anzuerkennen und finanziell zu seinem Unterhalt beizutragen.

Die Wut des Mannes auf sich selber

Auch heute fällt es Martin Greuter schwer, sein damaliges Gefühlschaos in Worte zu fassen. Während der Schwangerschaft sei er zerfressen gewesen von Selbstvorwürfen, Angst und Wut. Wut auf die Frau, die ihn ausgetrickst habe. Und Wut auf sich selbst, weil er sich austricksen liess und die Verhütung nicht selbst in die Hand nahm. Hinzu kamen Selbstvorwürfe, weil er sich mit einer Frau eingelassen hatte, die er nicht liebte, ja nicht einmal besonders toll fand. Und manchmal schnürte ihm die Angst vor der grossen Verantwortung, die da auf ihn zukam, fast die Luft ab. «Aber ändern konnte ich nichts mehr.»

Nach dem ersten Schock und der Geburt schickte er sich in seine Rolle als frischgebackener Vater. «Das Kind konnte ja nichts dafür. Und bei seinem Anblick bekam ich durchaus zärtliche Gefühle für dieses Wesen, das nur durch mein Zutun auf dieser Welt ist.»

Er durfte nie allein mit dem Sohn fort

Die Angst vor der Verantwortung blieb, aber er war entschlossen, seinen Teil davon zu übernehmen. Statt zu studieren, nahm er nach der Matura einen Hilfsjob an und leistete wie gesetzlich vorgeschrieben seinen Teil des Unterhalts. Da er als Vater nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte hatte, wollte er seinen Sohn regelmässig sehen. Doch er hatte einen schweren Stand: Er durfte sein Baby zwar hin und wieder besuchen, aber die Mutter weigerte sich, ihm das Kind mitzugeben. «Dafür war ich ihrer Ansicht nach zu jung», sagt der heute 38-Jährige nicht ohne Verbitterung. Auch später durfte er nicht mit dem Sohn in den Zoo, nicht ins Schwimmbad, ja er durfte ihn nicht einmal in den Kindergarten begleiten. Immer gab es irgendeinen Grund, warum das im Moment nicht möglich war. «Gleichzeitig wurde ich jedes Mal mit dem Vorwurf begrüsst, dass ich mich nicht genug um meinen Sohn kümmere.»

Irgendwann habe er von «diesem Psychospiel» die Nase voll gehabt und sich tatsächlich nur noch am Geburtstag des Sohnes und an Weihnachten gemeldet. Und dann gar nicht mehr. Heute weiss er, wenn überhaupt, nur von Drittpersonen, wie es seinem Sohn geht.

Von sich aus hat sich der inzwischen volljährige Junge noch nie beim Vater gemeldet. «Wahrscheinlich glaubt er der Mutter, wenn sie ihm sagt, dass ich mich nicht für ihn interessiere.»

Das Parlament mischt die Karten neu

Dieses Jahr tritt in der Schweiz die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall in Kraft. «Damit können wir eher verhindern, dass Mütter den Kontakt des Vaters zum Kind erschweren oder gar verhindern», sagt Markus Theunert von Männer.ch, der Dachorganisation aller Männerorganisationen. So können Gerichte Eltern, die sich nicht einigen können, neu zu mehreren Sitzungen bei einer Mediatorin oder einem Mediator zwingen.

Mehr Rechte bekommen die Väter allerdings nur, wenn sie sich dafür einsetzen – und das tat Martin Greuter nie. «Heute würde ich mich wahrscheinlich wehren. Damals aber war ich zerfressen von einem diffusen Gemisch aus schlechtem Gewissen darüber, ein Kind gezeugt zu haben, das ich nie wollte, und dem Wissen, dass ich mich nicht genügend darum kümmerte.» Ausserdem hatten Männer vor 20 Jahren einen schweren Stand, wenn sie sich für ihre Rechte als Vater einsetzten.

Die heute unbestrittene Erkenntnis, dass Kinder Vater und Mutter brauchen, hatte sich damals noch nicht überall durchgesetzt.

Sie wollte einfach schwanger werden

Auch Manuel Keller* hatte nie die Absicht, Vater zu werden. Aber der heute 40-Jährige verliess sich wie viele andere Männer auf die Aussage seiner Freundin, die ihm versicherte, dass sie sich zuverlässig vor einer Schwangerschaft schütze.

Das war eine Lüge. Wie sie später zugab, setzte sie die Pille kurz nach der Bekanntschaft mit Manuel Keller ab. Keller vertraute ihr und schützte sich nicht zusätzlich. «Wir waren erst einige Monate zusammen. Es wäre mir allein deshalb nicht in den Sinn gekommen, dass sie sich ein Kind wünscht.» Zudem waren in der Beziehung bereits erste dunkle Wolken aufgezogen, und Keller war sich nicht mehr sicher, ob sie wirklich die Frau seiner Träume sei.

Als sie ihm von der Schwangerschaft erzählte, zweifelte er bereits daran, dass es sich um einen Verhütungsunfall gehandelt hatte. Dennoch beschloss er, die Frau zu heiraten. Wenn er schon Vater werden sollte, dann wollte er sich wenigstens um sein Kind kümmern dürfen. Auf den ersten Blick schienen damit alle Probleme gelöst zu sein: Als Ehemann galt er automatisch als Vater und hatte das Sorgerecht.

Dass Männer besser vor Verhütungslügen geschützt werden sollten, steht für Markus Theunert ausser Frage. Er fordert eine Diskussion darüber, «ob die Gerichte bei der Bemessung der finanziellen Verpflichtung die Umstände der Zeugung nicht besser berücksichtigen und sie im Extremfall sogar davon befreien müssten».

Neu ist dieser Ansatz nicht, zumindest im Ausland wurde darüber bereits öffentlich gesprochen. In Frankreich erschien 2013 ein vieldiskutiertes Buch zum Thema. In den USA schrieb die Philosophieprofessorin Laurie Shrage zum Vatertag: «Mit dem Einverständnis zum Sex geben weder Mann noch Frau das Einverständnis dazu, Eltern zu werden.» Es sei unfair, dass ein Mann für ein Kind geradestehen müsse, wenn eine Frau gegen seinen Willen schwanger geworden sei.

Die US-Philosophin und Feministin Elizabeth Brake forderte bereits 2005: «Wenn Frauen das Recht haben, selbst zu entscheiden, was sie mit einem Fötus tun wollen, dann sollten Männer ebenfalls das Recht haben, zu entscheiden, ob sie ein Kind haben beziehungsweise unterstützen wollen oder nicht.»

Ein glücklicher und ein verbitterter Vater

Für den inzwischen geschiedenen Manuel Keller stellt sich diese Frage nicht mehr. Angesichts des bezaubernden Lächelns seiner achtjährigen Tochter fällt es ihm heute schwer zu glauben, dass er dieses Kind nicht haben wollte. Nach der Scheidung kämpfte er wie ein Löwe für das Sorgerecht und hat es schliesslich auch bekommen. Seine Tochter lebt heute die meiste Zeit bei ihm.

Das Umdenken setzte laut Keller bereits in der Schwangerschaft ein. «Als ich merkte, wie sehr meine Eltern sich auf dieses Kind freuten, konnte ich gar nicht anders, als mich mit ihnen zu freuen. Letztlich ist meine Tochter das Beste, was mir in meinem Leben bisher passiert ist.»

Martin Greuter erlebt das anders. Er fühlt sich bis heute als Erzeuger eines Kindes missbraucht, das dazu bestimmt war, die egoistischen Wünsche seiner Mutter zu erfüllen. «Gleichzeitig hat sie mich um das Gefühl betrogen, ein guter Vater sein zu können.»

*Name geändert

Väter vor dem Richter: Das sagt das Gesetz

Ist der Name des Vaters bekannt, hat er keine Chance, sich vor seiner Verantwortung zu drücken. Er muss das Kind anerkennen und wird unterhaltspflichtig. Wenn das Kind innert sechs Monaten von keinem Mann anerkannt worden ist, bekommt es einen Beistand, dessen Aufgabe es ist, die Vaterschaft zu klären. Wenn der Vater bekannt ist und das Kind auch nach gutem Zureden nicht anerkennen will, reicht der Beistand eine Vaterschaftsklage ein, worauf die Gerichte meist einen Vaterschaftstest anordnen. Wenn der Beklagte tatsächlich der Vater ist, trägt er sämtliche Kosten des Verfahrens.

Ab dem 1. Juli 2014 bekommen auch unverheiratete Väter mehr Rechte – zumindest, wenn sie sich um ihr Kind kümmern wollen. Mit dem neuen Sorgerecht kann die gemeinsame elterliche Sorge einem Elternteil nur auf Antrag und mit triftigen Gründen vorenthalten werden.

Gleichzeitig fällt der Artikel weg, nach dem der Staat jedem Kind einer ledigen Mutter einen Beistand zur Seite stellen muss und Mütter quasi verpflichtet, den Namen des Vaters zu nennen. Aber auch im neuen Gesetzestext lässt der Gesetzgeber die Möglichkeit offen, eine Beistandschaft für das Kind einzurichten, falls der Vater nicht bekannt ist oder das Kind nicht anerkennen will.

An der Verpflichtung der Männer, ihr Kind auch dann anzuerkennen, wenn sie es gar nie wollten, ändert die neue Gesetzgebung nichts.