Sie hatte ein so schönes Lachen, sagten nach dem Tod meiner kleinen Schwester selbst Leute zu mir, die sie nicht sehr gut gekannt hatten. Cristina starb am 21. August 2017 an Darmkrebs. Sie war 32 und Mutter eines zweijährigen Sohnes. Den Klang ihres Lachens konnte ich damals nicht mehr in meinem Kopf abrufen, zu stark dominierten die Erinnerungen an die letzten Monate, Wochen und Tage mit ihr.

Deutlich sah ich sie vor mir, wie sie erstarrte, als eine wildfremde Frau sie nach dem Mittagessen im Restaurant anlächelte und sie fragte, wann es denn so weit sei mit ihrem zweiten Kind. Das war Mitte Mai, wir hatten mit ihrem Sohn und meiner Tochter den Tierpark Roggenhausen AG besucht, sie hatte ihren weiten Pulli hochgezogen, um mir ihren Bauch zu zeigen, der seit ein paar Wochen immer grösser wurde.

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Ich selbst war im vierten Monat schwanger, und niemand fragte danach. Sie war abgesehen von ihrem Bauch bereits so dünn, dass auch Fremde sehen mussten, dass sie krank war. Als sie dann in Tränen ausbrach, als wir aus dem Restaurant raus und wieder im Auto waren, sie hinter dem Steuer, ich auf dem Beifahrersitz, die Kinder hinten angeschnallt, wusste ich nicht, was sagen. Ich stieg aus und sie dann auch, und ich hielt sie im Arm, während wir weinten.

Es war unser letzter Ausflug. Bald sagte sie den meisten Freunden, sie möchte sie erst wieder treffen, wenn sie gesund sei. Sie ertrug es nicht, zu sehen, wie stark die Leute bei ihrem Anblick erschraken. Sie wurde dünner, und weder Kardamom, Kümmeltee noch Medikamente gegen Blähungen konnten verhindern, dass ihr Bauch immer grösser wurde. Im Juni spannte und schmerzte er so stark, dass unsere Mutter sie notfallmässig in die Klinik Arlesheim BL fuhr, wo ihr Bauch erstmals punktiert wurde. Etwas mehr als zwei Liter Flüssigkeit hatten sich darin angesammelt.

Nach jeder Punktion hoffte sie, es sei die letzte gewesen, nun werde es besser. Und doch musste sie sich alle paar Tage hinfahren und sich ein, zwei oder gar drei Liter Flüssigkeit entnehmen lassen. Manchmal blieb sie mehrere Tage, ab Ende Juli war sie dann stationär in der Klinik Arlesheim, bis zu ihrem Tod.

Statistiken

Cristinas Sterben ist mir wieder näher gerückt, als – um die Corona-Pandemie einzudämmen – Altersheime und Spitäler für Besucher ihre Türen schlossen. Ich sah Berichte aus Italien über Covid-19-Patienten, die in überfüllten Spitälern allein sterben mussten.

Mir wird schlecht, wenn ich mir vorstelle, ich hätte meine Schwester in ihren letzten Wochen nicht mehr besuchen dürfen – oder nur mit Mundschutz auf zwei Meter Distanz. Oft war sie zum Sprechen zu müde, und ich lag einfach nur neben ihr im Bett, hielt sie im Arm oder sass bei ihr und massierte ihre Hände, ihren Kopf, ihre Füsse. In ihren letzten Tagen waren selbst die Muskeln in ihrem Gesicht derart abgebaut, dass deutlich zu sprechen für sie eine grosse Anstrengung war. Selbst aus der Nähe war es nicht leicht, sie zu verstehen.

Sterben Covid-19-Erkrankte auch in der Schweiz allein? Und wie ist es mit all den anderen Menschen, die jetzt in Spitälern sterben?

2017 starben in der Schweiz fast 67'000 Menschen, darunter 806 an infektiösen Krankheiten, 1255 an Diabetes mellitus, 4649 an Atemwegserkrankungen, 6588 an Demenz, 21'042 an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und 17'295 an Krebs. Das sind mehr als 1200 Menschen pro Woche, ein Teil verstarb bestimmt im Spital.

Die Vorstellung, dass jetzt viele allein auf ihren Tod warten müssen und viele Angehörige nicht die Chance haben, sich von ihren Liebsten zu verabschieden, raubt mir tagsüber die Konzentration und nachts den Schlaf. Ich muss wissen, ob und wie Abschied trotz Corona möglich ist.

Im Sprechzimmer

So treffe ich Anfang Mai Manuel Jungi, der die Abteilung Palliative Care am Kantonsspital Olten SO leitet. Als ich das Spital betrete, meine Hände desinfiziere und eine Hygienemaske aufsetze, frage ich mich, ob es eine gute Idee war, herzukommen. Das letzte Mal war ich Mitte Oktober 2017 hier, im zweiten Stock, und brachte meine zweite Tochter zur Welt. Das vorletzte Mal hier war ich im Dezember 2015, im Erdgeschoss, sass mit Cristina, unseren Eltern und ihrem Mann beim Onkologen, als sie die Diagnose bekam: Darmkrebs, nicht mehr operierbar, zu viele Metastasen in Leber und Lunge.

Ihr Sohn war da viereinhalb Monate alt. Auch seinetwegen war Sterben bis zuletzt keine Option für Cristina. Noch eine Woche vor ihrem Tod, abgemagert bis auf die Knochen, war sie wütend auf unseren Vater, weil er als pensionierter Hausarzt nicht glauben konnte, dass sie wieder gesund wird. Ich widersprach ihr nicht, wenn sie mir von ihren Zukunftsplänen erzählte, schaute mir auf ihrem Smartphone Fotos von Ferienwohnungen an, die sie für die geplanten gemeinsamen Ferien im September herausgesucht hatte.

Lange hoffte ich, sie möge zumindest die Geburt meiner zweiten Tochter noch miterleben. Doch als sie im Juli unserer älteren Schwester, die mit ihrem Sohn aus Brasilien angereist war, sagte, es sei nun einfach genug, sie werde entweder platzen oder verhungern, es soll sie doch gopfertami lieber ein Lastwagen überfahren, als dass sie auf diese Weise verrecken müsse – spätestens da wünschte ich mir insgeheim, sie dürfe bald gehen.

Mit diesen Gedanken im Kopf begleite ich Manuel Jungi in sein Sprechzimmer im dritten Stock. Hierherzukommen, in die Palliativstation des Spitals, in dem sie fünf Monate Chemotherapie und zahlreiche frustrierende Untersuchungen hatte über sich ergehen lassen, wäre für sie nicht in Frage gekommen. Sie ging nach Arlesheim, um wieder zu Kräften zu kommen.

«Die Leute kommen nicht nur zum Sterben hierher», sagt Jungi gleich zu Beginn. «Wir kämpfen gegen diesen Ruf. Man darf hier sterben, man kann gut bei uns sterben. Aber eigentlich möchten wir unsere Patienten so weit stabilisieren, dass sie wieder nach Hause oder in ein Heim gehen können. Und etwa in der Hälfte der Fälle gelingt dies auch.»

In die zehn Betten der Station werden Patientinnen und Patienten mit schweren chronischen Krankheiten aufgenommen, viele mit Krebs. Ziel ist nicht, zu heilen, sondern mit Betreuung und der richtigen Dosierung an Medikamenten komplexe Symptome wie Schmerzen, Übelkeit, Angst oder Atemnot zu kontrollieren und zu lindern. Angehörige einzubeziehen, sei sehr wichtig, sagt Jungi. «Oftmals haben sie eine beruhigende Wirkung, und wir müssen viel weniger Medikamente einsetzen.» Das sei ein Grund gewesen, warum trotz dem allgemeinen Verbot während der Pandemie viele hier Besuche erhalten durften.

Auch auf anderen Abteilungen gab es für Sterbende Ausnahmen, sagt Jungi und erzählt von einer fremdsprachigen Patientin mit einem schweren Verlauf von Covid-19, die von ihrem Sohn häufig und lange besucht wurde. Er half, ihr das Essen einzugeben und sie zu pflegen. «Klare Kommunikation mit ihr war nicht mehr möglich, aber alle spürten, dass sie im Beisein ihres Sohnes viel ruhiger war.»

«Leider müssen wir manchmal ein bisschen Polizist sein, um zu vermeiden, dass der Besuch andere Patienten oder das Personal ansteckt», sagt er. Anfangs seien sie noch wenig streng gewesen. «Als dann einmal 13 Leute jemanden besuchen wollten und ständig Leute im Gang unterwegs waren, musste ich sagen: So geht das nicht.» Es wurde die Regel festgelegt: Pro Tag darf nur eine Person, insgesamt dürfen nur zwei Personen zu Besuch kommen, mit Schutzmaske und nur im Zimmer des Patienten. Wer Corona-Symptome hat, darf nicht kommen.

«Wir sind keine Prinzipienreiter. Wir versuchen, nicht unmenschlich zu sein, und entscheiden im Einzelfall. Wenn jemand im Sterben liegt, dürfen auch mal zwei oder mehr Angehörige anwesend sein. Aber wenn nun neben dem Partner noch Kinder und Geschwister da sind und jeder das Gefühl hat, er sei die Person, die besuchen dürfe – dann wird es manchmal schon schwierig.»

Wenn es möglich sei, lege man mit den Patienten beim Eintritt fest, wer sie besuchen darf. Manchmal komme es trotzdem vor, dass dann eine Schwester unangemeldet am Eingang stehe und er ihr erklären müsse, weshalb sie nicht raufkommen darf.

In den Universitätsspitälern

Als ich das Kantonsspital verlasse, bin ich erleichtert, dass Besuche bei Sterbenden trotz Corona möglich sind. Gleichzeitig bin ich dankbar, dass Cristina nicht hier und jetzt im Sterben liegt und entscheiden muss, wen sie auf diese Liste setzt, wer von ihren Liebsten sie bis zuletzt besuchen darf.

Auch an anderen Spitälern sind Sterbende vom Besuchsverbot ausgenommen. Aber es gibt grosse Unterschiede. Etwa wie nah vor dem Tod jemand Besuch erhalten darf.

Im Universitätsspital Basel versuchte man, Schwerkranken in ihren letzten Lebenswochen Besuch zu ermöglichen, sagt Sandra Eckstein, Leiterin des Teams Palliative Care. Zum Beispiel einer jüngeren Krebspatientin mit Hirnmetastasen. «Sie war nicht unmittelbar sterbend, aber es war klar, dass sie nicht mehr lange wach und gut ansprechbar sein würde.» Bei einer älteren Dame mit Covid-19 habe sich der Zustand langsam verschlechtert, in ihren letzten drei Lebenswochen durften ihre Angehörigen sie mehrmals besuchen.

Bei Covid-19-Patienten, die beatmet werden müssen, hole man sofern möglich Angehörige ans Krankenbett, bevor die Patienten sediert werden und nicht mehr ansprechbar sind – auch bei jungen Patientinnen und Patienten mit guten Chancen, die Phase der Beatmung zu überleben. «Natürlich verschlechtert sich die Situation bei manchen so rasch, dass das nicht möglich ist», sagt Eckstein. «Aber dann kann auch die Seelsorge Beistand leisten. Sie hat in den letzten Wochen viele Stunden an den Patientenbetten verbracht, das darf man nicht unterschätzen.»

Im Universitätsspital Zürich wurde Sterbenden meist erst dann Besuch erlaubt, wenn der Tod in Stunden bis Tagen erwartet wurde, sagt Markus Feuz, Pflegeexperte auf der Palliativstation. «Es fällt uns nicht leicht, jemandem zu sagen: ‹Sie dürfen jetzt nicht kommen.› Das ist eine schwere Entscheidung, die wir im Team fällen. Aber mit jedem Besucher gehen wir ein gewisses Risiko ein, einen Krankheitserreger reinzulassen, der das Personal und andere Patienten gefährdet. Wir müssen in jedem Einzelfall das Risiko und die Wichtigkeit eines Besuchs gegeneinander abwägen. Wenn jemand wirklich Assistenz braucht und stark leidet, dann reden wir im Team darüber, ob wir eine Ausnahme machen.»

Die konkreten Regeln und wie sie im Einzelfall ausgelegt wurden, hätten sich seit Beginn des Besuchsverbots immer wieder ein bisschen verändert, sagt Christine Rosch, Pflegeexpertin der Intensivstation des Universitätsspitals Zürich. «Aber uns war von Anfang an sehr wichtig, dass Patienten nicht allein sterben und Angehörige noch Abschied nehmen können von ihren Lieben. Wir haben die Regeln so gemacht, dass wir dies auch bei einer grösseren Welle hätten gewährleisten können.»

Eigentlich habe sie damit gerechnet, dass Angehörige sich häufiger erkundigen, häufiger anrufen als sonst, sagt Rosch. Dies sei nicht der Fall gewesen – vielleicht auch weil man versucht habe, bei Patienten ohne Besuchsmöglichkeit durch tägliche Videoanrufe dennoch eine gewisse Nähe zu ermöglichen. «Und offensichtlich haben die Angehörigen Verständnis dafür, dass wir unsere Zeit brauchen, um uns um unsere Patienten zu kümmern.»

Zu Hause

Angehörige und Patienten hätten erstaunlich viel Verständnis für die Notwendigkeit strenger Schutzmassnahmen, sagt auch die Fachspezialistin Palliative Care Ursula Runge. Sie leitet bei der Spitex Region Brugg AG die PalliativeSpitex und begleitet Schwerkranke in ihrer letzten Lebensphase zu Hause. Von Patienten, die während des Besuchsverbots ins Spital mussten, habe sie aber wiederholt gehört, die Situation habe sie stark belastet.

«Sie erlebten das wirklich als schlimm, dass sie im Spital so viel allein waren, und waren sehr froh, wenn sie wieder nach Hause durften.»

Insbesondere bei Covid-19-Patienten sei der Aufwand gross, um Besuch zu ermöglichen, sagt Christine Rosch vom Universitätsspital Zürich. Angehörige müssen mit Kittel, Mundschutz, Schutzbrille und Handschuhen eingekleidet und nach dem Besuch in der richtigen Reihenfolge wieder ausgezogen werden. Wenn sie ihre Lieben angefasst haben, müssen ihre Handschuhe desinfiziert und ein frisches Paar darübergezogen werden, bevor sie das Krankenzimmer verlassen. Rosch berichtet von einer Covid-19-Patientin, die nach einem raschen Verlauf verstarb: «Ihr Ehemann weinte am Sterbebett so stark, dass seine Tränen sich in der Schutzbrille stauten. Eine Pflegeperson musste seine Brille anheben, während eine andere sie mit Tüchern trocken tupfte.»

In Cristinas Zimmer

Ich habe immer erst auf dem Nachhauseweg geweint, nie in Cristinas Krankenzimmer. Auch nicht an ihrem letzten Tag, an dem sie nicht mehr sprach und ihre weit geöffneten braunen Augen irgendwo in weite Ferne zu blicken schienen. Erst an diesem Tag traute ich mich, ihr zu sagen, dass sie nun genug gekämpft habe. Dass sie nicht um unsertwillen hierbleiben soll, dass wir alle für ihren Sohn da sein werden. Dass sie diesen kaputten Körper nun zurücklassen muss. Dass sie dennoch immer bei uns sein wird, dass meine ungeborene Tochter mit zweitem Namen Cristina heissen wird, dass meine Töchter wissen werden, wer sie war.

Als ich ihr all dies sagte, bewegte sich ihr zur Decke gerichteter Blick ein bisschen in meine Richtung, ihre Hand, zuvor angewinkelt auf ihrem Brustkorb, rutschte herab zur Bettkante, direkt neben mich. Ich nahm und hielt sie und war mir sicher, sie hatte mich gehört.

Die meiste Zeit, die ihr Ehemann, eine Freundin, mein Vater und ich gemeinsam an ihrem Bett sassen, schwiegen wir und lauschten ihrem Atem, der so unregelmässig war, dass wir ständig damit rechneten, er würde gleich aussetzen. Ihr Herz hämmerte unglaublich schnell, ihre Hände und Füsse waren eiskalt, ihre kalten Füsse wunderschön, als Einziges an ihrem Körper nicht nur Haut und Knochen.

Vielleicht ist Sterben wie Einschlafen, dachte ich mir nach Stunden an ihrem Bett, vielleicht hilft auch da ein ruhiges Lied. Doch bestimmt fände sie es seltsam, würde ich ihr eines der Schlaflieder singen, mit denen ich jeden Abend meine Tochter in den Schlaf sang. Schliesslich fand ich irgendwo in meinem Kopf zwei brasilianische Lieder. «Sozinho», allein, heisst das eine, so werde ich mich fühlen ohne sie, das wusste ich, doch sie versteht kein Portugiesisch, für sie wäre das Lied einfach eine ruhige Melodie. Ich sang die zwei Lieder, irgendwann schwieg ich wieder, sie atmete weiter.

«Ich weiss noch, wie sie gekämpft hat, ich kann das nicht vergessen», sagt Nina Artinger-Reis, Ärztin der onkologischen Abteilung der Klinik Arlesheim. Sie hat Cristina jeweils punktiert und sie bis zu ihrem Tod begleitet. Es bewegt mich, zu hören, an wie vieles sie sich erinnert. Anders als mit uns hat Cristina mit ihr offenbar über den Tod gesprochen.

Corona habe für die Sterbenden auf ihrer Abteilung keinen grossen Unterschied bedeutet. Etwas weniger Besuche habe es gegeben. Zwei Patienten seien seit März gestorben, beide in Würde und mit Unterstützung der Angehörigen. «Corona kommt und geht. Aber der Abschied von einem Menschen, der in eine andere Welt geht, muss unbedingt sein. Die Angehörigen brauchen den Abschied, und der Mensch, der geht, braucht um sich herum Menschen, die ihn lieben», sagt Nina Artinger-Reis. Nach dem Gespräch habe ich einmal mehr das Gefühl, dass Cristina zum Sterben einen guten Ort gewählt hat.

Nicht allein

«Abschied nehmen ist elementar wichtig», sagt Therese Stillhard, Seelsorgerin an der Klinik Universitäre Altersmedizin Felix Platter in Basel. Immer wieder habe sie beobachtet, dass Sterbende dann ruhiger sind, weniger Schmerzen haben, besser loslassen können. «Man spürt einfach, wenn noch etwas im Raum ist, das noch abgeschlossen oder bereinigt werden muss. Wenn das nicht möglich ist, geht das Sterben länger.»

Wichtig sei Abschied auch für die Angehörigen. «Es ist wichtig, dass man den Tod würdig gestaltet und begleitet», sagt Stillhard und betont, dass nicht nur Gläubige den Wunsch haben, dass eine Seelsorgerin am Sterbebett sei und ein Gebet oder einen Segen spreche.

Ich umarmte Cristina um 18.15 Uhr das letzte Mal, sagte ihr, dass Mami in Gedanken ganz fest bei ihr sei, dass wir sie in diesem Körper nicht mehr sehen werden. Ich bildete mir ein, dass sie diese letzte Umarmung erwiderte. Nach Mitternacht dann die SMS ihres Ehemanns, dass sie um 23.35 Uhr endlich erlöst worden sei. Am nächsten Morgen fuhr ich mit meinen Eltern ein letztes Mal nach Arlesheim. Ich musste ihre leere Hülle sehen und berühren, um zu begreifen, dass sie tatsächlich gegangen war.

Ich bin dankbar, durfte ich Cristina so nah sein, bis zuletzt. Eines hat mich ihr Tod gelehrt: Unsere Zeit hier ist kostbar, wir sollten sie mit Menschen verbringen, die wir lieben. Der Krebs hat sie uns entrissen, aber die Erinnerungen an sie leben weiter in allen, die sie geliebt haben. Ich hoffe, ich werde sie eines Tages in meinen Gedanken auch wieder lachen hören.

Cristina, ✝32

Meine Schwester Cristina, gestorben 2017

Quelle: Anne Seeger
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Dominique Strebel, Chefredaktor
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