Aufgezeichnet von Claudia Imfeld

Wenn ich heute in einem Restaurant esse, gehe ich immer auf die Toilette. Aus Neugier. Das kommt davon, wenn man sich über Monate jeden Tag mit WCs beschäftigt. Ich achte einerseits darauf, ob man sich Mühe gibt bei den Details: Ist die Toilette schön dekoriert, hat es Handtüchlein aus Stoff statt aus Papier, steht da ein Parfüm oder ein Deodorant?

Ich schaue aber auch, ob die Toilette ins Gesamtkonzept des Betriebs passt. Oft endet ein cooles Gastrokonzept nämlich an der WC-Tür, und das ist schade. Wenn im Restaurant Holz dominiert, ist es doch schön, wenn sich das bis ins WC durchzieht, vielleicht in Form von Holzkisten für die Papiertücher. Da liesse sich viel herausholen, denn praktisch jeder Gast muss während seines Besuchs mal – und wenn er die Toilette dann als Erlebnis wahrnimmt, ist das für den Gastronomen ein Plus. Denn ob originell, kitschig, sauber oder schmutzig: Über Toiletten reden die Leute.

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Eine inspirierende Latrine

So kam es auch zu unserem Projekt. Wir, eine Gruppe von Studierenden der Churer Hochschule für Technik und Wirtschaft, sassen in einer Hotellounge. Wir sollten als Semesterprojekt die Auszeichnung der besten Gastrobetriebe der Schweiz multimedial aufpeppen. Jeder von uns, der sich kurz aufs WC abmeldete, war bei der Rückkehr begeistert, weil dieses in dem besagten Hotel ein so aussergewöhnliches Design hatte.

Damit war die Idee geboren: Wir wollten die schönste, skurrilste oder originellste Restauranttoilette der Schweiz prämieren. Dazu sollte eine Internetplattform entstehen, auf die Gäste und Wirte Fotos von ihrem favorisierten WC hochladen konnten. Das Publikum sollte online seine Stimme abgeben können, und eine Jury würde aus den drei meistgenannten Toiletten den Sieger wählen. Einfach umsetzbar – glaubten wir. Wir hatten keine Ahnung, was auf uns zukommen würde.

Mir gefallen Toiletten, die Wärme ausstrahlen. Dabei spielt die Farbwahl eine wichtige Rolle: Rottöne, Braun oder Gelb sind schön. Was für mich gar nicht geht, ist dieses sterile Weiss. Mein schlimmstes WC-Erlebnis hat allerdings nichts mit Farben zu tun, sondern mit Hygiene. Ich war ein Jahr lang in Costa Rica, wo das WC-Papier meist nicht in der Schüssel, sondern in einem Eimer landet und nicht alle spülen. Wenn dann der Blick als Erstes aufs Geschäft des Vorgängers fällt…

«Die Gäste mussten tanzen, damit das Wasser floss.»

Einige Toiletten, von denen Fotos auf unsere Website hochgeladen wurden, schauten wir uns vor Ort an. Denn Teil des Projekts war ein Video, mit dem wir den Wettbewerb online bewerben wollten. Urban Hacking nennt sich das. Wir installierten an der WC-Tür ein iPad, auf dem der Gast eine Musikrichtung wählen musste. Beim Eintreten forderte eine Stimme ihn auf, in die Hände zu klatschen, damit das Licht anging. Im WC erlosch das Licht erneut. Die Leute klatschten – doch dieses Mal musste man singen, damit es hell wurde. Beim Händewaschen floss das Wasser erst, wenn die Gäste tanzten – zu ihrer Musik.

Eine solche Aktion als Dauerinstallation würde ich einem Wirt natürlich nicht empfehlen, auch wenn ich Toiletten mit Wow-Effekt mag. Generell kommt Interaktives sicher gut an bei den Leuten. Etwa wenn man auf der Toilette die Musik wählen kann oder die Farbe des Lichts.

Unser Team sass schliesslich regelmässig bis 23 Uhr in der Schule, bestellte Pizza, plante und werkte. Besonders aufwühlend war für mich als Projektleiterin anfangs die Kritik, die das Projekt auslöste. Ein Teilnehmer fühlte sich benachteiligt und mobilisierte unglaublich viele Leute, die uns auf den Social-Media-Kanälen mit Negativkommentaren zuschütteten. Ich musste merken, dass es nichts bringt, sich zu verteidigen – das löst nur noch mehr Meldungen aus. Später fanden wir heraus, dass einige Leute Hunderte Male für ihre Lieblingstoilette gestimmt hatten, indem sie mehrere Computer und Smartphones nutzten und ihre WLAN-Router wiederholt an- und wieder ausschalteten.

50'000 Leute stimmten ab

Der Wettbewerb war unser Baby – und ein Studentenprojekt. Wir sind keine Profis und machten natürlich Fehler – sie ergaben den grössten Lerneffekt. Letztlich waren 54 WCs im Rennen, und es wurden über 50'000 Stimmen abgegeben. Es gewann das «Buurebeizli Dergeten» im Toggenburg.

Wir haben versucht, den Wettbewerb losgelöst vom Studium erneut auf die Beine zu stellen. Leider fanden wir nicht genügend Sponsoren. Aber ich bleibe dran. Diesen Herbst habe ich mein Studium abgeschlossen und arbeite nach einem Praktikum seit Oktober fest angestellt beim Partnerunternehmen unseres Wettbewerbs, Best of Swiss Gastro. Für mich war der Wettbewerb ein Glückstreffer.

WC-Gewinner: «Buurebeizli Durgeten»

Quelle: Holger Salach

Das Projekt von Isabel Racine im Internet: www.gastrotoilet.ch

Webreportage «Stille Örtchen»

«Stille Orte» nennt der Fotograf Marco Volken seine Serie von Hütten- und Biwaktoiletten in den Schweizer Alpen: Eine faszinierende Reise zu den stillsten Örtchen der Schweiz.

zur Webreportage

Quelle: Holger Salach