Den Anstrich des Spiessigen ist die Altersvorsorge losgeworden. «Ich zahle lieber mehr in die Pensionskasse ein, als dass ich Geld unnötig in Drogen investiere», sagte Star-DJ Andrea Oliva der «Neuen Zürcher Zeitung» anlässlich der diesjährigen Zürcher Street-Parade. Die Pensionskassen (PK) befeuern diesen Trend noch so gern: «Kaufen Sie sich heute eine bessere Rente für morgen», wirbt die PK Tellco, und die St. Galler Pensionskasse lockt in einem Merkblatt: «Für wen lohnt sich ein freiwilliger Einkauf? Ganz einfach: für alle!»

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Das ist Humbug. Es stimmt zwar, dass die Altersrente, die man dereinst erhalten wird, von der Höhe des vorhandenen Kapitals abhängt: je mehr Geld in der PK, desto höher die Rente. Und es stimmt auch, dass man freiwillige Einkäufe in die PK voll vom Einkommen abziehen kann, was Steuern spart: Je nach den konkreten Verhältnissen kann dies einen Viertel bis sogar einen Drittel der Einkaufssumme ausmachen. Ob sich das aber für den Versicherten «lohnt» und es sich finanziell wirklich auszahlt, ist eine andere Frage.

Je später, desto besser

Von vielen überschätzt wird der Steuerspareffekt. Freiwillige Einkäufe senken die Steuern nur im Jahr der Einzahlung. Wenn das Geld dereinst ausgezahlt wird, muss man es versteuern: entweder als normales Einkommen (wenn man es als Rente bezieht) oder einmalig mit der gesonderten Steuer zum Vorsorgetarif (falls man es als Kapital bezieht). So oder so: Der PK-Einkauf macht aus fast steuerfreien Ersparnissen plötzlich steuerbares Einkommen.

In den Jahren vor der Pensionierung ist in der Regel der Lohn am höchsten, deshalb ist dann die Steuerrechnung am höchsten, und deshalb zahlen sich dann freiwillige Einzahlungen auch am ehesten aus. Dazu kommt: Je länger es dauert, bis man das Geld (in Form einer höheren Rente) wieder bezieht, desto tiefer ist die prozentuale Rendite. Hier gilt also: je später, desto besser.

Lohnenswerte Risiken

Anschaulich macht dies eine Musterrechnung der Vermögensverwaltungsfirma Descartes (siehe unten): Wenn man fünf Jahre vor der Pensionierung 100'000 Franken in die PK einzahlt, resultiert unter dem Strich eine Rendite von 6,7 Prozent pro Jahr. Tut man dasselbe jedoch 20 Jahre vor der Pensionierung, verwässert sich die Rendite auf 2,4 Prozent – unter der Annahme, dass man das PK-Geld in Kapitalform bezieht. Falls man die Rente wählt, ist die Rendite noch tiefer. Positiv formuliert: Wer schon in jüngeren Jahren die Möglichkeit hat, sich einzukaufen, legt das Geld gescheiter selber an. Der lange Anlagehorizont ermöglicht es, grössere Risiken einzugehen, als dies Pensionskassen mit ihren vorsichtigen Strategien tun. Die höhere Rendite, die so winkt, kompensiert die fehlende Steuerersparnis oft längstens.

Rendite eines PK-Einkaufs
Quelle: Descartes Vorsorge

«Aus finanzieller Sicht ist ein PK-Einkauf frühestens ab dem Alter 50 sinnvoll, am besten erst in den letzten zehn Jahren vor der Pensionierung», sagt Reto Spring, Präsident des Finanzplaner-Verbands Schweiz. Zuvor ist es erfolgversprechender, sein Geld selber in einem weltweit investierenden Indexfonds anzulegen. «Über Jahrzehnte hinweg ist so eine durchschnittliche jährliche Rendite von 6 Prozent realistisch – das ist mindestens doppelt so viel wie bei einer PK», so Spring. Wer aber in Versuchung gerät, das Geld auszugeben, statt fürs Alter auf die Seite zu legen, nimmt dies vielleicht in Kauf. 

Der Einkauf muss spätestens drei Jahre vor der Auszahlung des Kapitals erfolgen.

«Je später, desto besser» hat aber eine klare Grenze für jene, die erwägen, sich das PK-Geld als Kapital auszahlen zu lassen. Spätestens drei Jahre vor der Auszahlung muss dann der Einkauf erfolgen. Wenn die Frist kürzer ist, geht das Steueramt von einer Steuerumgehung aus und streicht den Steuerabzug rückwirkend – das macht die Sache unrentabel. Die Drei-Jahre-Frist gilt taggenau: Wer also am 16. Dezember 2022 freiwillig in die PK einzahlt, sollte frühestens am 16. Dezember 2025 das Kapital beziehen. Einzig der Kanton Zürich kennt eine Ausnahme: Einkäufe bis höchstens 12'000 Franken pro Jahr fallen nicht unter diese Regel.

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Gestaffelter Bezug von Vorteil

Finanzplaner Reto Spring rät ausserdem dazu, immer zuerst die Möglichkeiten der Säule 3a auszuschöpfen, bevor man in die PK einzahlt – weil es bei der Säule 3a keine Umverteilung gibt und weil sie deutlich flexibler ist. Man kann selber bestimmen, wie das Geld angelegt wird, und darüber hinaus kann man die 3a-Gelder auch schon fünf Jahre vor der Pensionierung beziehen: Ein gestaffelter Bezug hilft oftmals, zusätzlich Steuern zu sparen.

Es ist zulässig, Gelder von der Säule 3a direkt in die PK zu verschieben. Normalerweise geht dies steuerneutral – man kann also keinen Steuerabzug wie für einen PK-Einkauf machen, weil man schon bei der Einzahlung in die Säule 3a einen Abzug vornehmen konnte. Das ist nur sinnvoll, wenn man unbedingt die Sicherheit einer lebenslang garantierten Rente will (was nur die PK bietet).

Vom 3a-Konto in die PK

Ab Alter 60 gibts aber einen cleveren Weg: Man kann sich ein 3a-Konto ordentlich auszahlen lassen und zahlt darauf auch die Kapitalauszahlungssteuer. Danach überweist man den Betrag in die PK und kann diese Einkaufssumme wieder vom steuerbaren Einkommen abziehen. Das lohnt sich, weil die Kapitalauszahlungssteuer normalerweise tiefer ist. Aber: In einigen Kantonen muss mindestens ein Jahr zwischen 3a-Bezug und PK-Einkauf liegen, sonst wird der Steuerabzug gestrichen. Erkundigen Sie sich vorher beim Steueramt!

Wer herausfinden will, ob sich ein Einkauf in die Pensionskasse finanziell lohnt, findet hier ein Berechnungstool.

PK-Einkauf: Was man beachten muss
  • Ob man überhaupt die Möglichkeit hat, freiwillige Einkäufe in die PK zu tätigen, und wenn ja, wie viel, sollte auf dem Vorsorgeausweis stehen, den man jährlich erhält. Im Zweifelsfall: nachfragen!
  • Wer einen Vorbezug für Wohneigentum getätigt hat, kann sich erst freiwillig einkaufen, wenn er/sie den Vorbezug zurückgezahlt hat. Davon ausgenommen sind Wiedereinkäufe nach einer Ehescheidung.
  • Wer noch ein Freizügigkeitskonto hat, muss erst dieses Geld an die PK überweisen. Falls man noch 3a-Konten hat, die während einer früheren selbständigen Erwerbstätigkeit geäufnet wurden, werden diese Beträge von der Einkaufssumme teilweise abgezogen.
  • Wenn es später zur Scheidung kommt, wird auch das freiwillig eingezahlte PK-Geld mit der Ex-Partnerin geteilt, sofern es aus dem gemeinsamen Vermögen finanziert wurde. Falls nicht (zum Beispiel bei einer Erbschaft), muss man den Nachweis dafür erbringen können.
  • Einen grösseren Einkauf verteilt man besser auf mehrere Jahre, damit man die Steuerprogression in mehreren Jahren statt nur in einem Jahr brechen kann.

Bevor Sie freiwillig Geld in die Pensionskasse einzahlen, sollten Sie diese Punkte abklären:

  • Liegt der Deckungsgrad bei über 100 Prozent? Bei einer Unterdeckung muss die PK unter Umständen alle Sparguthaben kürzen – auch freiwillige Einkäufe.
  • Plant die PK weitere Massnahmen, die sich zu Ihren Ungunsten auswirken (Senkung des Umwandlungssatzes)?
  • Klären Sie ab, was mit der Einkaufssumme geschieht, falls Sie sterben: Wenn es weder Ehepartner noch Kinder gibt, die Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente haben, bleibt unter Umständen das ganze Geld samt freiwilligem Einkauf in der PK. Und selbst wenn es Hinterbliebenenrente gibt, erhöht sich diese oftmals nicht, weil sie einem fixen Prozentsatz des Lohns entspricht und nicht vom eingezahlten Geld abhängt.
  • Klären Sie ab, ob die PK auch freiwillige Einkäufe mindestens mit dem Mindestzinssatz verzinst – das wäre besser für Sie.
  • Ehepaare, die zwei unterschiedlichen Pensionskassen angeschlossen sind, vergleichen zuerst die beiden Kassen anhand der obigen Kriterien. Zahlen Sie dann in jene Kasse ein, die besser abschneidet.
Rechtsratgeber
Merkblatt «Einkauf in die Pensionskasse»

Besteht bei Ihnen eine Vorsorgelücke? Haben Sie zudem gerade die Stelle gewechselt oder wollen Sie steuerlich profitieren? Beobachter-Mitglieder erfahren im Merkblatt «Lohnt sich der Einkauf in die Pensionskasse», welche Faktoren für eine solche Überlegung noch wichtig sind.

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Martin Müller, Redaktor
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