Neues Gesetz verwirrt Gerichte
Eine geschiedene Frau will ihre Entschädigungsrente in eine Vorsorgerente umwandeln lassen. Ein neues Gesetz erlaubt das, wenn bei der Scheidung die PK nicht geteilt werden konnte und stattdessen eine Entschädigungsrente zugesprochen wurde. Doch die Gerichte haben keine Ahnung, wie teuer das ist.
Veröffentlicht am 31. Januar 2017 - 10:18 Uhr
Nach 37 Ehejahren war Schluss. Alles, was Nelly Scheuner aus Lupsingen BL blieb, war eine Zahlung, die ihr Exmann bis zu seinem Ableben monatlich leisten muss. Ohne dieses Geld kommt sie fast nicht durch.
Seit Anfang Jahr können Geschiedene diese Zahlung direkt als Rente von der Pensionskasse beziehen. Mit dem Vorteil, dass sie diese auch nach dem Tod des Expartners weiter erhalten. Doch als die 70-Jährige beim Zivilkreisgericht in Sissach BL anfragt, wie teuer die Umwandlung in eine Rente sei, trifft sie fast der Schlag. «3000 Franken hätte es gekostet, nur um das Verfahren in die Wege zu leiten», so Scheuner.
Zudem wäre ihre Rente gekappt worden: von 800 auf 710 Franken. «Die Kürzung hätte ich noch hingenommen für die zusätzliche Sicherheit. Schliesslich ist mein Exmann schon 76.»
Der Kostenvorschuss für Änderungen eines Scheidungsurteils betrage in der Regel zwischen 3000 und 3500 Franken, heisst es beim Zivilkreisgericht Basel-Landschaft Ost. Ob das auch im Fall von Nelly Scheuner gilt, werde intern abgeklärt, sagt der Gerichtsschreiber Stephan Wolf.
Nicht nur im Kanton Baselland herrscht Unklarheit, wie viel eine Umwandlung kostet. Es fehle an Erfahrungswerten, sagt das Bezirksgericht Zürich und will keine näheren Angaben machen. Das Regionalgericht Bern-Mittelland würde 1000 Franken in Rechnung stellen, dasjenige im Kanton Aargau rund 2500 Franken. Beim Kantonsgericht Luzern geht man von 2000 bis 4000 Franken aus. Beim Kantonsgericht St. Gallen heisst es: «zwischen 500 und 6000 Franken».
«So hohe Verfahrenskosten schrecken Interessierte ab», sagt Helena Ott, Expertin für Familienrecht beim Beratungszentrum des Beobachters. Das sei ein Problem, weil eine Umwandlung bestehender Alimente nur in diesem Jahr möglich ist. Es sei weder ein strittiges noch besonders kompliziertes Verfahren. «Verfahrenskosten von mehreren tausend Franken sind da völlig unverhältnismässig.»
Für Scheuner ist klar: Sie kann es sich nicht leisten, 3000 Franken zu zahlen – auch nicht für eine finanziell sichere Zukunft. «Das ist einfach zu viel Geld.»
Update vom 14. März 2017
Ein grosszügiger Beobachter-Leser bot Nelly Scheuner an, sich mit 750 Franken an den Kosten zu beteiligen. Mit Unterstützung von Freunden und eigenen Ersparnissen hätte sie den Betrag zusammenbekommen. Doch dann stellte das Zivilgericht nach genauer Prüfung fest, dass Scheuners Rente den Umwandlungskriterien nicht entspricht. Sofort informierte Scheuner den Spender darüber. Seine Antwort: «Jetzt können Sie den Batzen erst recht gebrauchen. Gehen Sie gut essen und verdrängen Sie die negativen Gedanken. Ich wünsche Ihnen alles Gute.» Scheuner kann es kaum fassen und freut sich riesig.
Was bringt das Gesetz zum PK-Splitting?
Geschiedene erhalten neu ab 2017 die Rente direkt von der Pensionskasse. Zudem bleibt der Anspruch auf die Rente auch bei Tod des Expartners lebenslang bestehen.
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